POSTKARTE 25: Radioknistern

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Conni hat ein Talent fürs Geschichtenerzählen

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Conni hat ein Talent fürs Geschichtenerzählen.

Das fällt mir auf, als sie uns am nächsten Morgen von ihren Reisen erzählt, die sie entweder alleine oder mit ihrer Mutter oder ihrem Ehemann unternommen hat, und ich am liebsten gar nicht mehr aufstehen möchte, weil ich an ihren Lippen hänge.

Yule geht es ähnlich, seine Tasse ist noch immer voll, es ist seine erste Tasse Kaffee, er hat den Kopf auf seine linke Hand gestützt und scheint jedes ihrer Worte in sich aufzusaugen.

Conni malt Bilder in unsere Köpfe, die so klar und bunt sind, dass es sich anfühlt, als wäre ich selbst an diesem Weihnachtsmarkt in Berlin gewesen oder durch die Strassen Roms geschlendert mit einem Italienischen Eis in der Hand.

Ich streiche Marmelade auf das selbstgebackene Brötchen, es ist herrlich weich und ich möchte Conni am liebsten dafür um den Hals fallen, dass das Frühstück keinen Toast beinhaltet. Das Brötchen ist noch ganz warm, die Butter ist am Schmelzen.

»Was habt ihr beiden heute vor?«, fragt uns Conni schliesslich.

Ich blinzle ein paar mal ins Licht. In meinem Kopf bin ich gerade erst noch am Flughafen in Amsterdam gewesen.

Yule findet schneller wieder nach Husum zurück als ich, er sagt: »Wissen wir noch nicht. Wir wollten einfach die Gegend erkunden.«

»Eine gute Idee, es gibt hier viel zu sehen.«

Conni nickt und erzählt uns vom Columbia River, an dem man gut picknicken kann (»Wenn die Sonne untergeht, dann ist es ganz besonders romantisch« - sie hat die Picknickdeckenromantik ebenfalls verstanden), dem Wasserfall, gleich hinter dem Haus, einer Apfelfarm auf der anderen Seite des Flusses, Lavendelfeldern, dem Mount Hood, den wir gestern schon auf der Hinfahrt am Horizont entdeckt haben, und ganz vielen kleinen Läden, die hausgemachte Köstlichkeiten anbieten und die auf dem Weg zum Vulkan zu finden sind.

»Und wenn ihr da seid, dann probiert unbedingt die Huckleberry Shakes«, sagt sie uns.

Ich mache in Gedanken eine Notiz.

Langweilig wird es uns hier ganz bestimmt nicht werden, aber das tut es sowieso nie.

🌲

Yule ist gestern so früh zu Bett gegangen, dass ich wusste, er möchte den Tag so schnell wie möglich beenden.

Er ist so schnell eingeschlafen wie noch nie, er hat nicht einmal gemerkt, dass ich ihm ganz sanft mit dem Finger über die Wange gefahren bin, dort, wo ich die Wildblume hingemalt habe vor ein paar Tagen.

Yules Laune ist heute wie ausgewechselt. Als hätten sich die Zweifel mit ihm schlafen gelegt und wären nicht wieder aufgewacht.

Seine Augen haben wieder ihren üblichen Glanz, sein Blick ist nicht mehr so verloren, sondern intelligent und neugierig, ein bisschen nachdenklich, wie ich es gewohnt bin. So, als würde er sich überlegen, welche Worte er benutzen würde, müsste er die Situation um uns herum gerade niederschreiben.

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