POSTKARTE 2: Baby-Karotten, Sprühkäse und Freiheit

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Bereits zwei Tage später sitze ich mit gepacktem Koffer auf den Stufen unserer Veranda und warte darauf, dass Yule mich abholen kommt

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Bereits zwei Tage später sitze ich mit gepacktem Koffer auf den Stufen unserer Veranda und warte darauf, dass Yule mich abholen kommt.

Er hat es ernst gemeint, als er sagte, er wolle so bald wie möglich aufbrechen, und ich habe absolut nichts dagegen. Hier in Ashtown gibt es nichts zu tun - die Strassen sind leer und die ausgefallenen Namen der Starbucks-Getränke im Supermarkt das einzig interessante. Ich bin also heilfroh, endlich hier rauszukommen.

Yule ist spät dran und ich beginne aus Langeweile, den knallroten Nagellack, von dem mir meine Mom immer sagt, er würde sich mit meinem kupferroten Haar beissen, von den Nägeln zu kratzen.

Erst, als ich Motorengeräusche höre, blicke ich auf und sehe ein riesiges weisses Auto die von Bäumen gesäumte Strasse entlangfahren und vor unserer Einfahrt zum Stehen kommen.

Hinter den getönten Scheiben kann ich zwar nicht erkennen, ob es tatsächlich Yule ist, doch da hier so wenig los ist und ich den Wagen noch nie gesehen habe, nehme ich es einfach an.

Ich rapple mich auf und greife nach meinem extragrossen To-go-Becher, den ich mit koffeinfreiem Kaffee gefüllt habe, und zerre meinen Koffer die Treppe hinunter, um Yule entgegen zu gehen.

Er steigt aus und kommt um das grosse Auto herum, die Hände in die Taschen seiner Jeans geschoben. Er sieht nicht anders aus als an dem Abend vor zwei Tagen, an dem wir diesen Plan ausgeheckt haben - beziehungsweise an dem ich ihm meine Gesellschaft einfach aufgezwungen habe.

Sein dunkles Haar ist nach wie vor nachlässig gestylt, als wäre er sich lediglich einmal mit der Hand hindurchgefahren, und er trägt einen Hoodie, der für die milden Temperaturen genau perfekt ist.

»Guten Morgen!«, rufe ich überschwänglich und lasse meinen Koffer neben mir auf den Boden fallen, um Yule zur Begrüssung zu umarmen.

Ich schlinge meine Arme um ihn, doch er macht keine Anstalten, meine stürmische Begrüssung zu erwidern, sondern bleibt einfach stocksteif stehen. Ich grinse über seine Schulter hinweg vor mich hin.

Das kann ja was werden mit uns beiden.

»Morgen«, erwidert er und seine Stimme klingt müde, obwohl er nicht aussieht, als hätte er zu wenig geschlafen - zweifellos ist seine müde Stimme seinem fehlenden Optimismus geschuldet, doch das werde ich noch ändern. Unsere neugewonnene Freiheit ist viel zu schön, um sie nicht in vollen Zügen zu geniessen.

Es ist ein typischer Sommermorgen hier - das Sonnenlicht strahlt sanft auf die Strasse hinab und so langsam kommt Leben in die selbst um diese Uhrzeit noch verschlafene Strasse. Hin und wieder hört man das Lachen eines Kindes oder das Rascheln der leichten Brise in den Baumkronen. Vögel zwitschern. Aus der Ferne weht das Geräusch eines Rasenmähers herüber, doch ansonsten ist es ruhig und friedlich.

Eigentlich hätte man das Leben in Ashtown als idyllisch bezeichnen können. Und das ist es auch ohne Zweifel. Doch die Idylle bringt die Menschen dazu, auf ihrem Liegestuhl unter dem Kirschbaum liegen zu bleiben, statt aufzustehen und einen Blick über den Gartenzaun zu werfen, um zu sehen, was es dahinter sonst noch zu entdecken gibt.

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