POSTKARTE 20: Gartenzaun und Luftballons

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Die Frau, die an der Haustür auf uns wartet, sieht aus wie Yule, und dann tut sie es eben auch wieder nicht, denn sie lächelt und winkt uns freudig zu und Yule flüstert: »Du wirst sie mögen

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Die Frau, die an der Haustür auf uns wartet, sieht aus wie Yule, und dann tut sie es eben auch wieder nicht, denn sie lächelt und winkt uns freudig zu und Yule flüstert: »Du wirst sie mögen. Sie gehört auch zu den Menschen, die Leute zur Begrüssung umarmen.«

Und ich denke, dass sie wohl bis auf ihr Aussehen kaum Ähnlichkeiten mit Yule haben kann.

Ich schnaube und verdrehe die Augen über Yules mürrischen Tonfall, während ich versuche, das Lächeln seiner Tante gleichzeitig zu erwidern.

Ihr fast schwarzes Haar ist lang und lockig, sie ist nur ein winziges bisschen kleiner als Yule, also viel grösser als ich, und ihre Augen sind fast genauso dunkel wie seine, ihr Lächeln dafür ganz genauso strahlend wie meins.

»Yule!«, ruft sie erfreut, nachdem wir die Stufen der Veranda hochgegangen sind und sie erreicht haben. »Wie lange ist das schon her?«

Sie schliesst ihn in eine stürmische Umarmung und ich muss mir ein Kichern verkneifen, weil ich Yules Gesicht dabei zwar nicht sehen, es mir aber bildlich vorstellen kann.

»Hey Mary«, sagt er und klingt nur ein winziges bisschen gequält, dabei freut er sich eigentlich, ich weiss es genau, und Mary scheint es auch zu wissen, denn sie gibt ihm einen spielerischen Klaps auf die Schulter.

Sie ist jünger, als ich sie mir vorgestellt habe, als Yule sie erwähnt hat, aber vielleicht liegt es auch einfach nur an dem lebhaften Ausdruck, der in ihren dunklen Augen liegt und irgendwie so gar nicht zu deren düsteren Farblosigkeit passt.

»Und wen hast du mir da mitgebracht?«, fragt sie und wendet sich nun mir zu.

Ihr Lächeln wird sogar noch eine Spur breiter, als ihr Blick von mir wieder zu Yule und dann wieder zu mir gleitet, und als Yule sagt »Das ist Phoenix«, strahlt sie mich regelrecht an.

»Hey Phoenix!« Sie legt ihre Arme um mich und ich erwidere die Umarmung, sie gehört zu den Menschen, die einem ganz leicht über den Rücken streichen, so leicht, dass man es kaum spürt, aber es reicht, um sich sofort irgendwie geborgen zu fühlen.

»Wie schön, dass Yule dich mitgebracht hat. Ich freue mich sehr, dich kennenzulernen!«

»Ich freue mich auch sehr, dass Yule mich mitgenommen hat«, sage ich und erwidere ihr warmes Lächeln, weil ich gar nicht anders kann.

Ihres ist ansteckend und ich lächle sowieso die ganze Zeit, es kommt mir vor, als hätte ich in den letzten Tagen gar nicht damit aufgehört.

»Wie geht's Granny Robinson?«, fragt Mary und ich frage mich, ob sie die Schwester von Yules Mutter oder Vater ist und plötzlich wird mir klar, dass ich nicht mal weiss, ob Yule selbst eigentlich Geschwister hat.

Yules Gesichtsausdruck wird merkwürdig. Er sieht aus, als würde er lächeln wollen, seine Augen tun es ganz bestimmt, denn sie glänzen ein bisschen so, wie Augen das immer tun, wenn man sehr sehr glücklich ist, gleichzeitig werden seine Lippen schmal und sein Blick irgendwie sehr gedankenverloren, und ich frage mich, was das alles zu bedeuten hat.

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