POSTKARTE 12: Rote Gummibärchen

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»Lass uns heute was Aufregendes tun«, sage ich, nachdem ich meine Postkarten fertiggeschrieben habe und wieder zu Yule auf den Balkon hinausgehe

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»Lass uns heute was Aufregendes tun«, sage ich, nachdem ich meine Postkarten fertiggeschrieben habe und wieder zu Yule auf den Balkon hinausgehe. Als wäre nicht sowieso alles, was wir hier tun, aufregend.

Yule sitzt noch immer auf dem Stuhl und sieht so aus, als hätte er sich überhaupt nicht bewegt, seit ich ihn zurückgelassen habe. Wahrscheinlich entspricht das sogar der Wahrheit.

Jetzt dreht er den Kopf zu mir um, während ich im Fensterrahmen stehe und auf ihn hinunterschaue.

»Aufregend wie ...?«

»Aufregend wie einkaufen gehen.« Ich setze mich zu ihm. »Lincoln City hat doch bestimmt einen Supermarkt.«

»Supermärkte findest du aufregend?« Einer von Yules Mundwinkeln wandert in die Höhe und er sieht mich belustigt an.

»Du nicht?«, frage ich verständnislos, nur um dann langsam zu nicken. Ich zeige mit dem Zeigefinger auf ihn. »Ich sehe schon, du warst noch nie in der richtigen Gesellschaft im Supermarkt.«

»Bisher war ich eigentlich nie unzufrieden mit meinen Supermarktbesuchen, aber deine Sorge rührt mich«, erwidert er.

Ich beschliesse, den trockenen Unterton zu ignorieren. Wie eigentlich fast immer.

»Es ist traurig, dass deine Supermarktbesuche bisher nicht aufregend waren.« Ich stupse ihn am Oberschenkel an und grinse ihm ins Gesicht. »Das ändern wir heute.«

»Du hältst dich also für die richtige Gesellschaft?«

»Ähm, natürlich?«

»Dann lass uns gehen.« Yule macht Anstalten, aufzustehen, aber ich bleibe sitzen.

»Jetzt gleich?« Ich werfe einen Blick auf das friedliche Meer, dessen helles Farbenspiel in der Morgensonne sich direkt vor uns erstreckt, und denke voller Sehnsucht daran, dass wir diesen Anblick bald hinter uns lassen müssen.

Ein wenig mehr Zeit, um es noch länger geniessen zu können, wäre schön.

Auch, wenn ich weiss, dass das, was danach kommen wird, mich wieder genauso faszinieren wird wie das hier.

»Wir haben doch alle Zeit der Welt.«

»Nein, die haben wir eben nicht.«

»Warum so pessimistisch, Yule?«

Manchmal frage ich mich, ob man den Menschen ihre Einstellung ansehen kann. Denn auf Yule mit seinem düsteren Aussehen würde diese Theorie ziemlich gut zutreffen. Und auf mich auch, wenn ich es mir recht überlege.

Yule mit den dunklen Augen, Haaren und Klamotten sieht viel weniger wie ein Optimist aus wie ich mit meinen roten Locken, den Sommersprossen und den funkelnden Augen.

Aber vielleicht liegt es auch einfach nur an der Tatsache, dass Yule immerzu eine finstere Miene aufgesetzt hat, dass ich das denke.

»Ich wär ja wirklich gern optimistisch, aber -«, beginnt Yule, aber ich unterbreche ihn.

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