POSTKARTE 21: Wie Zuhause

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Zum Frühstück sitzen wir im Wohnzimmer und uns wird von der Köchin Sally Rührei und Granola mit Joghurt und Erdbeeren serviert

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Zum Frühstück sitzen wir im Wohnzimmer und uns wird von der Köchin Sally Rührei und Granola mit Joghurt und Erdbeeren serviert. Orangensaft für mich und Kaffee für Yule und auf dem Tisch steht sogar Vanillesahne, aber es gibt keinen koffeinfreien Kaffee.

Am Nebentisch sitzt eine Familie, Mutter, Vater, zwei Mädchen. Das ältere scheint in unserem Alter zu sein, sie lacht gerade, ich verstehe nicht, was sie sprechen, und ich weiss nicht, nach welcher Sprache ich im Übersetzer suchen müsste, Yule weiss es auch nicht.

»Klingt irgendwie ein bisschen nach Deutsch«, meint er, aber sicher ist er sich nicht, weil er ein paar deutsche Wörter kennt und sich das irgendwie ähnlich, aber doch so anders anhört. »Oder vielleicht Schwedisch?«

Sally fragt, ob sie Kaffee nachschenken darf und das Mädchen antwortet in perfektem Englisch.

Ich beneide sie, ich spreche nur Englisch und mit meinem Nur-Englisch komme ich zwar überall zurecht, aber dann eben irgendwie doch nicht, weil ich nur das Englische kenne und sonst gar nichts.

Wie faszinierend es ist, wenn Menschen mehr als bloss eine einzige Sprache sprechen. Wenn sie mehr als nur eine einzige Welt kennen, mehr als nur ihre eigene.

»Sprache ist faszinierend, oder?« Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Yule und stütze meinen Kopf auf meine Hand.

»Schon«, sagt er schlicht.

»Ich bin gerade irgendwie traurig darüber, dass ich mir nie die Mühe gemacht habe, eines der Freifächer zu belegen. Vielleicht würde ich dann jetzt mehr als nur Englisch sprechen. Stell dir vor, du würdest jetzt wissen, worüber sie lachen.«

»Oder stell dir vor, du hättest mehr Wörter, um zu beschreiben, was du meinst, wenn das Wort in der Sprache, die du sprichst, fehlt«, sagt Yule und ich frage mich, ob er sich das schon öfter gewünscht hat.

Ob er schon öfter nach Worten in anderen Sprachen gesucht hat, weil es im Englischen keinen Ausdruck für seine Gedanken gibt.

»Und du würdest die Leute besser verstehen, weil sie in der Sprache mit dir sprechen können, die sie perfekt beherrschen«, fährt er fort und rührt in seinem Kaffee.

Das Frühstück ist perfekt, es ist alles perfekt, ich sage das zu Sally, als sie kommt, um unsere Gläser wieder aufzufüllen.

»Was machen wir heute?«, fragt Yule und spiesst eine Erdbeere mit seiner Gabel auf, obwohl die Gabel eigentlich für das Rührei und der Löffel für das Joghurt mit den Früchten bestimmt ist.

Aber wer bin ich schon, um das zu verurteilen.

Also nehme ich eben den Löffel, um mein Rührei zu essen. Als Yule es sieht, grinst er.

»Ich hab' gestern eine alte Buchhandlung entdeckt. Die musst du dir unbedingt anschauen, sie wird dir gefallen.«

»Ich hab' sowieso keine Bücher mehr. Das letzte habe ich - nach mehrmaliger Ablenkung - «, er wirft mir einen Seitenblick zu, »gestern fertiggelesen.«

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