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Xavier

Als ich unsere Wohnungstür, von der der Lack größtenteils schon abblätterte aufschloss, roch ich es sofort.

Dad hatte wieder getrunken.

Leider funktioniert der Lüfter nicht so, wie er sollte, und der beißende Geruch des Alkohols war nicht so leicht wegzukriegen. Vermutlich hatte er wieder Bier oder Schnaps ausgekippt, oder gar eine Flasche zertrümmert, so wie er es oft tat.

In solchen Momenten war ich froh, dass Mum mit Mila am anderen Ende des Landes wohnte. Aber auch nur in solchen Momenten...

Während ich mir die einst weißen Sneaker auszog, starrte ich verächtlich auf die orangenen und beigen Flecken, die Leo's Kotze hinterlassen hatte.

Man sah den Schuhen zwar nicht an, dass es Kotze war, aber schön sahen die Verfärbungen auch nicht aus.

Lustlos schmiss ich meinen Rucksack in die Ecke, und ging in die Küche, die gleichzeitig auch als Wohnzimmer diente.

Mein Vater lag schnarchend auf dem alten, kaputten Sofa, einen Arm um die Lehne gelegt. Seinen stinkenden Mundgeruch konnte man aus zwei Metern Entfernung riechen.

Seit wir dank mir das ganze Geld verloren hatten, was wir eigentlich für die Medikamente meiner einst krebskranken Schwester gebraucht hätten, drehte er durch. Er begann seine ganzen Sorgen in dem Alkohol zu ertränken. Er wurde sogar ein paar mal handgreiflich gegenüber mir.

Ich konnte mich damals nicht dazu durchringen mich zu wehren. Einige sind vielleicht der Meinung, dass man als Mann nicht so ein Weichei sein sollte, und doch einfach zurückschlagen könnte.
Aber nach all dem, was Dad im letzten Jahr durchmachen musste, brachte ich es nicht übers Herz. Damals schloss ich einfach die Augen, und ließ es über mich ergehen.

Irgendwann machte Mum das alles nicht mehr mit. Glücklicherweise merkte weder sie, noch Mila, dass Dad gewalttätig wurde. Sie ließ sich scheiden, in dem Glauben, dass ihr Mann einfach nur zum Säufer wurde. Und da Mila noch minderjährig war, nahm sie diese gleich mit. Ich war gerade achtzehn geworden.
Da ich mich sowieso, wegen dem, was ich meiner Familie angetan hatte schuldig fühlte, blieb ich bei Dad.

„Er hat ja sonst keinen.", redete ich mir ein.

Eigentlich tut mir Dad trotz allem wirklich leid. Niemand liebte ihn. Ich spiele mir zwar vor ihn zu lieben, aber tief in mir, wusste ich ganz genau, dass ich das alles nur für mein Gewissen tat. Ich glaube nicht, dass ich für ihn je so fühlen könnte, wie für meine Schwester.

Manchmal wünschte ich mir, dass ich mich doch dafür entschieden hätte, mit den beiden zu gehen. Mila ist für mich das einzig wirklich Wichtige, und vor allem dafür, dass sie mir so schnell verziehen hat, bin ich ihr mehr als nur dankbar, auch wenn ich sie da nicht verstehen kann.

Seufzend nahm ich alle neben dem Sofa stehenden Schnapsflaschen, und stellte sie neben die Haustür. Ein paar musste ich mir zwischen meinen Bauch und den Arm klemmen. Hoffentlich wacht Dad überhaupt noch auf.

Wenn ich morgen zur Schule gehe, werde ich sie mit zum Container nehmen.

Gähnend ging in unser kleines Bad, um mich noch schnell bettfertig zu machen.

Danach legte ich mich ins Bett, und schloss  erschöpft die Augen.
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Durch den monotonen Wecker wurde ich wach.

Sweet Lovin'Where stories live. Discover now