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Beim Ball war es rappelvoll.

Die Frage, wo man hier noch einen Parkplatz finden sollte klärte sich von selbst: Gar nicht. Die meisten Autos parkten einfach am Straßenrand oder in irgendwelchen Einfahrten, so dass der Verkehr deutlich beeinträchtigt wurde. Kenneth tat es den anderen Fahrern gleich. Der Abschleppdienst würde hier eh nicht hinterherkommen.

Als Mum, Felix, Kenneth, Xavier und Ich aus dem kleinen Wagen stiegen dröhnte laute Musik und Gelächter aus der Turnhalle, die eigentlich für das erbarmungslose Foltern der Schüler bekannt war. Es war ungewohnt das Gebäude so schick zu sehen. Lampions, Girlanden und Luftballons schmückten das komplette Gelände. 

Fasziniert knallte ich die Autotür hinter mir zu. Ich war froh, endlich aus dem kleinen Wagen zu sein. Ich musste in der Mitte auf den hinteren drei Plätzen, eingequetscht zwischen Felix und Xavier sitzen, weil ich die Kleinste war. Wäre einer von uns ein wenig dicker hätten wir ein Problem gehabt... Leo und Melli hatten es hingegen gut. Die beiden fuhren allein mit dem Wagen von Leo, waren genau wie wir gerade angekommen und gesellten sich nun zu uns.

Dann gingen wir über den Hof zum Eingang der Sporthalle. Wir zeigten kurz unsere Eintrittskarten vor und dann durften wir rein. Als wir eintraten war die Stimmung teils fröhlich, teils aber auch ein wenig erzwungen. Erwachsene unterhielten sich angereizt miteinander, lachten und nippten an ihren Getränken, doch es war eher wie auf einer Gala, wo alles perfekt sein musste, aber sich in Wirklichkeit niemand amüsierte. Die Schüler waren gelangweilt, während die Eltern miteinander redeten.

Links an der Wand war auf einer riesigen Tischreihe dass Büffet aufgebaut. Davor waren viele Tische mit weißen Tüchern abgedeckt und mit jeweils einer Kerze dekoriert. Rechts vom Eingang spielte irgend eine schlechte Band, die keiner kannte und vor der aufgebauten Bühne tanze niemand.

Wir waren scheinbar wirklich ein wenig zu spät, denn die Begrüßungsrede von Felix Vater, dem Direktor hatten wir verpasst, doch eigentlich machte mir das gar nicht mehr so viel aus. 

„Ich muss heute wirklich alles machen, oder?", seufzte Felix  und verwirrt sah ich ihn an, doch er war schon dabei sich von uns zu entfernen und direkt auf seinen Vater zuzugehen, der sich mit den Typen unserer Schulband unterhielt. Er sah dabei genervt und sauer aus und als sich Felix einmischte, wirkte er auch nicht viel glücklicher.

„Was hat er vor?", fragte Mum und wir zuckten nur mit den Schultern und beobachteten ihn weiter. 

„Viel lahmer geht's hier echt nicht, oder?", flüsterte mir Xavier ins Ohr und ich nickte zustimmend. 

Wir schauten weiter einfach nur Felix an, der immer noch mit seinem Vater diskutierte, doch auf einmal kamen zwei Jungs aus unserer Schule, dessen Namen ich nicht wusste bei uns vorbei und versperrten meine Sicht. Sie drückten uns allen zwinkernd ein Getränk in die Hand. Ich nippte kurz dran und musste aufpassen es nicht gleich wieder auszuspucken. 

„Mhm, die Cola ist ja gut", meinte Mum und ich nickte mit verzogenem Gesicht, was sie glücklicherweise nicht sah. 

Die Cola war mindestens zur Hälfte Tequila und definitiv nicht gut

Mit einem Blick zu Melli, Leo, Kenneth und Xavier wusste ich, dass es ihnen genauso ging. Nur Mum schien nichts in ihrem Getränk zu haben. Ich sah den zwei Jungs nach. Kichernd schlenderten sie zurück an eine etwas abgelegenere Theke zu einem Typen, der Pappbecher mit irgendwelchen Flüssigkeiten abfüllte und sie entweder nach links oder nach rechts sortierte.

Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf. Tja, wenn man Teenagern nicht ihren Spaß ließ, dann holten sie sich ihn eben. 

Gelangweilt wanderte mein Blick wieder zu Felix und dann wieder durch die Menge. Wo waren eigentlich Kay und Luce? 

In meiner Gedankenwelt versunken schreckte ich auf, als plötzlich das schrille Pipen der Mikrophone ertönte. Mein Kopf schoss zur Bühne und ein Grinsen legte sich auf mein Gesicht, als ich realisierte, was geschah. 

„Raus mit euch, ihr Opas", meinte Jasper, einer aus der kleinen Truppe, der die empörten Männer wegscheuchte. 

Die vier anderen positionierten sich an verschiedenen Instrumenten und Jasper schnappte einem der Männer noch schnell das Mikrophon aus der Hand. Inzwischen waren die meisten Schüler schon nach Vorne gekommen, da wo man nachher wahrscheinlich hätte Wiener Walzer tanzen sollen. Stattdessen flippte die Menge aus, als die ersten Töne der E-Gitarre erklangen.

Siegesgewiss kam Felix auf uns zu stolziert. 

„Was hast du gemacht?", fragte Leo.

„Siehst du und hörst du doch" Triumphierend wippte er den Kopf in Richtung Bühne.

Unglaublich. Meine Mundwinkel zuckten und ich sah abwechselnd von der spielenden Band zu Felix.

„Jetzt lasst uns endlich nach Vorne", meinte Melli ungeduldig und war schon dabei mich und Leo am Arm mitzuziehen. Mit einem Blick nach hinten versicherte ich mich, dass Felix und Xavier auch mitkamen und dass Mum, die es mit einem lächelnden Kopfnicken bestätigte auch einverstanden war. Dann ließ ich es einfach lachend geschehen.

 Der Abend konnte ja doch noch spaßig werden. 

Während wir uns durch die Menschenmasse nach Vorne quetschten, rempelten wir andauernd irgendwen an und fingen uns genervte Blicke ein. Durch den Anblick von Xavier und Leo beschwichtigte man aber wenigstens die Mädchen gleich wieder und es interessierte mich auch gar nicht, was die Anderen dachten. 

Als wir Vorne angekommen waren, war das Gefühl unglaublich. Der Bass dröhnte, die Menge kreischte und die laute Musik betäubte unsere Sinne. Das Lied, was sie spielten war wirklich gut. Die Stimmung lockerte sich immer mehr und ich begann mich im Takt zu bewegen. 

Xavier stand direkt hinter mir und sein Atem streichelte meinen Nacken. Er legte seine Hände um meinen Bauch und zog mich an sich. Lächelnd gab ich mich ihm und der Musik hin.

Ich glaubte zu merken, dass unsere Bewegungen immer wilder wurden. Kaum spielte der nächste Song, flippten wir erneut aus, hüpften, warfen die Hände in die Luft und tanzten. Ich verlor jegliches Zeitgefühl.

Erst als mein Magen knurrte und mich der Hunger plagte, bemerkte ich, wie viele Stunden seit unserem Ankommen inzwischen vergangen waren.

„Ich hol mir mal ein paar Häppchen vom Büffet, in Ordnung?", schrie ich Xavier ins Ohr, um die anderen lauten Geräusche zu Übertönen.

„Soll ich mitkommen?", fragte er in einer genauso ohrenbetäubenden Lautstärke. Ich schüttelte den Kopf.

„Brauchst du nicht", meinte ich ohne weiter drüber nach zu Denken und gab ihm einen kurzen Kuss. 

Was er nicht wissen sollte, war, dass ich mir nicht nur Häppchen holen wollte, sondern auch telefonieren wollte.

Sweet Lovin'Where stories live. Discover now