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Xavier
Nur noch drei Tage bis zum Ball. Krank, wie schnell die Zeit verging. Nächstes Jahr würden wir schon unseren Abschluss machen. Es fühlte sich nicht so an, als wären wir schon bereit. Jung, dumm, aber noch nicht bereit für das Erwachsensein.

Im Grunde hatte ich keinerlei Lust diese Freiheiten zu verlieren. Ich wusste noch, wie ich mich damals über meine Grundschullehrer beschwert hatte und mich dann gewundert hatte, wie streng alle doch sind, als ich auf die Highschool kam. Im Gegensatz zu den Giftziegen die es hier gab, waren die Grundschullehrer trotz ein paar Macken Luxus. Und das war noch nicht mal alles. Das echte Leben kam noch auf uns zu.  Auch, wenn meins manchmal scheiße war, konnte ich dankbar sein.

Was man damals hatte, das begreift man erst jetzt, dachte ich und wiegte den Stift in meiner Hand zwischen dem Zeige- und Mittelfinger hin und her.

„Mr. Campbell! Mr. Campbell!", keifte mich meine Lehrerin, eines der wohl meist gehassten Geschöpfe dieser Erde, vor'm Pult an. Ich verzog bei ihren lauten Worten das Gesicht.

Wir hatten schon wieder Mathe. Als ob wir nichts besseres zu tun hätten, als uns irgendwelche Formeln, die wir in der nächsten Sekunde sowieso schon vergessen hatten reinzuziehen und uns das Geschrei der Frau anzuhören. Ich wollte gar nicht wissen, wie viele Stunden meiner Jugend ich mit genau diesen Dingen verschwendet hatte. Dennoch war die Zeit mit meinen Freunden hier die Beste, die ich bisher hatte. Trotz fucking aggressiven Lehrern übertraf es sogar die Grundschulzeit.

Warum eigentlich Mathe? Ist ja nicht so, dass es überlebenswichtig wäre. Die Neandertaler sind auch ohne Gleichungen ausgekommen. Ohne die Neandertaler hätte ich jetzt eigentlich gar kein Mathe. Wären die nicht gewesen, würde das heißen, dass die weitere Menschheit nicht existieren würde und das würde heißen, dass ich mir das Gebrabbel hier nicht anhören müsste, was ich im Grunde ja auch nicht tue und-

„Xavier Campbell! Entweder Sie hören mir jetzt zu, oder Sie können ihre Sachen packen und gehen. So ein Gedöse können wir an dieser Schule nicht gebrauchen", fauchte sie.

„Okay", meinte ich gleichgültig, und sie drehte sich mit einem letzten bösen Blick erneut zur Tafel. Ich suchte schnell meine Sachen zusammen, packte sie ein und stand auf. Gekicher ertönte in der Klasse, woraufhin ihr Kopf erneut zu uns schoss. Als sie sah, wie ich lächelnd meinen Beutel schnappte und mich auf den Weg zur Tür machte, blieb ihr Mund offen stehen.

Ich sah auch Amber's geschocktes Gesicht aus dem Augenwinkel und in mich hinein grinsend öffnete ich die Ausgangstür.

„Wo wollen Sie hin?"

„Sie sagten, entweder ich höre ihnen zu, oder ich gehe. Ich habe mich für die zweite Variante entschieden", antwortete ich sachlich.

„Aber das habe ich doch einfach nur so gesagt"

Ich zuckte grinsend mit den Schultern. Allmählich machte mir die sich entwickelnde Diskussion Spaß.

„Was der Lehrer sagt, muss man auch machen", antwortete ich frech. Ich sah mich zwar nicht, aber ich wusste genau, was für ein böses Funkeln gerade in meinen Augen stand. Es war genau das, was Mila immer in den Augen stand, wenn sie mir damals was zu Essen vom Teller stibitzte.

Meine Augen wanderten zu Amber, die sich nun auch deutlich das Grinsen verkneifen musste, was meines nur noch breiter werden ließ.

„Setzten Sie sich einfach wieder auf ihren Platz", seufzte sie.

„Warum?"

„Wie bitte?!"

„Warum?", wiederholte ich.

Sweet Lovin'Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt