Kapitel 4

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„FBI", wiederholte ich, nervös. Sehr nervös. FBI. Das war eine ganz andere Liga als das LAPD. Verflucht. Dieser Typ war vom FBI, er war ein verdammter Special Agent. Der hier war, um zu übernehmen. Die Vernehmung. Mich. „Oh." Statt hier wie ein Idiot sinnloses Zeug zu reden, sollte ich besser ganz schnell versuchen, ihn von meiner Unschuld und davon, dass ich vollkommen uninteressant für ihn war, zu überzeugen. Aber ich bekam vor Schreck nichts heraus. FBI. Jetzt steckst du wirklich in Schwierigkeiten, Carter.

Agent West lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und betrachtete mich eingehend. Auf seinen Lippen lag noch immer dieses Lächeln, das mich wahnsinnig beunruhigte. „Keine Angst", meinte er. „Ich werde dich schon nicht fressen."

Dieses Versprechen machte es ehrlich gesagt nicht wirklich besser. Überhaupt nicht. „Was wollen Sie von mir?" In meinem Kopf formte sich passend zu dieser Frage schon ein schreckliches Szenario: Agent West wurde plötzlich ernst, lehnte sich über den Tisch hinweg zu mir, packte mich am Kragen und erwiderte: „Antworten!" Obwohl dieses Szenario noch gar nicht eingetreten war, zuckte ich allein bei dem Gedanken zusammen. Wenn sogar das FBI mich verdächtigte, dann... sah es wirklich schlecht für mich aus. Dabei war ich vollkommen unschuldig! Wie sollte ich das dem Agent beweisen? Wie?

„Deine Hilfe."

Ich blinzelte. Völlig perplex. „Was?" Meine Hilfe. „Ich dachte, dass Sie..."

„Dass ich dich für verdächtig halte?", fragte Agent West belustigt. Er schüttelte den Kopf. „Lucas, ich denke nicht, dass du irgendetwas mit dem Tod deines Bruders zu tun hast."

„Aber Lieutenant Scott..."

„Ist ein Idiot", unterbrach mich Agent West. Dann verdrehte er die Augen. „Okay, so über Kollegen zu sprechen, ist unprofessionell." Er räusperte sich. „Lieutenant Scott ist noch sehr jung und unerfahren. Manche Fehler muss man ihm wohl nachsehen." Er nahm seine Sonnenbrille in die Hand und begann damit, sie auf ihre Sauberkeit hin zu inspizieren. Als wäre das jetzt wichtig. „Ja, es ist eher ungewöhnlich, dass bei einer Auseinandersetzung in dem Milieu der Freier und nicht die Prostituierte stirbt, aber das heißt ja noch lange nicht, dass jemand die Frau mit einem Mord beauftragt hat." Die Untersuchung seiner Sonnenbrille hatte er nach ein paar Sekunden abgeschlossen; er legte sie neben seinen Ausweis auf den Tisch.

Dann sah er wieder mich an. „Und ich glaube dir auch, dass du bis heute keine Ahnung davon hattest, was dein Bruder so getrieben hat. Deine Reaktion, als du es erfahren hast, war echt."

Es war beruhigend, zu hören, dass er mir glaubte. Aber da war immer noch die Tatsache, dass er meine Hilfe wollte. „Wobei soll ich Ihnen helfen?" Wobei konnte ich ihm, einem Agenten vom FBI, denn helfen? Ich war doch nur ein Student. Und wie er gerade selbst gesagt hatte, auch noch einer, der keine Ahnung von allem hatte, was für seine Ermittlungen relevant sein könnte.

Agent West verschränkte die Finger vor sich auf dem Tisch. „Du und Ethan, ihr seid doch Zwillinge, richtig?"

Ich nickte langsam. „Ja, eineiige Zwillinge."

„Ist es wahrscheinlich, dass jemand aus Ethans Umfeld von dir weiß?", fragte Agent West weiter. Mir gefiel die Richtung, in die dieses Gespräch ging, nicht – weil ich nicht einschätzen konnte, worauf er hinauswollte. Was sollte diese Frage? Konnte er mir nicht einfach offen sagen, was genau er von mir wollte?

„Nein", antwortete ich unsicher. „Wie gesagt, ich kenne niemanden aus seinem Umfeld, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Ethan irgendjemandem von seinen... Freunden von mir erzählt hat. Ich meine, warum hätte er das tun sollen?" Der Gedanke tat weh, dass Ethan mich aus seinem Leben verdrängt haben könnte, aber wahrscheinlich war das genau das, was er getan hatte. Sonst hätte er sich ja mal bei mir melden können.

Becoming HimWhere stories live. Discover now