Kapitel 27

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„Wer ermittelt noch gegen mich?"

Goodwin zog das Messer zwei Zentimeter weiter über meinen Rippenbogen und ich verbiss mir ein Stöhnen. Meine Hände verkrampften sich zusammen mit dem Rest meines Körpers, was den Schmerz nur schlimmer machte. Schließlich waren meine Finger einer nach dem anderen einzeln und vom Boss persönlich gebrochen worden, weil ich mich geweigert hatte, ihm auf seine immer gleiche Frage zu antworten.

Als ich mich nach dem Brechen des zehnten Fingers zusammengekrümmt hatte, hatte sich Goodwin zurückgezogen und Paul hatte mit einem kräftigen Fausthieb in meine Magengrube übernommen. Entweder war der Typ ein Sadist oder er hasste mich wirklich – denn er hatte sich sehr eifrig daran gemacht, mein Gesicht und meinen Oberkörper mit harten Schlägen und einer beängstigenden Präzision zu bearbeiten. Ja, es war davon auszugehen, dass er wirklich ziemlich starke Aversionen gegen mich hatte, die ihn antrieben, denn er war unermüdlich gewesen, hatte nur Pausen gemacht, damit ich mal kurz Luft holen und damit Goodwin seine Frage wiederholen konnte.

Die Frage, die er mir nun schon wieder stellte, diesmal so deutlich betont, als wäre jedes Wort ein einzelner Satz: „Wer. Ermittelt. Noch. Gegen. Mich?" Mit jedem Wort zog er das Messer ein kleines Stück weiter und ich biss die Zähne zusammen, um nicht zu schreien. Nach einer Weile, in der Paul auf mich eingeschlagen hatte, hatte Goodwin wieder übernommen. Er hatte mein Hemd aufgerissen, ein Messer gezückt und den ersten Schnitt angesetzt. Die Menge an Blut, die aus den Schnitten austrat, ließ mich vermuten, dass er nur die Oberfläche anritzte, also würden mich diese Verletzungen vermutlich nicht umbringen. Hätte ich allerdings meine Überlebenschancen nur anhand meiner Schmerzen abschätzen müssen, dann sähe diese Einschätzung wohl anders aus.

Zweimal war ich bereits fast ohnmächtig geworden, aber jedes Mal hatte Paul mich mit einer Ohrfeige wieder rechtzeitig zurückgeholt. Rechtzeitig bevor ich endlich in die Erleichterung einer schmerzlosen Bewusstlosigkeit abgleiten konnte.

Wenn West mir die Namen möglicherweise existierender anderer verdeckter Ermittler gesagt hätte, dann hätte ich sie schon längst an Goodwin verraten. Ja, vielleicht war ich deswegen schwach, aber wenigstens ehrlich genug, um mir selbst diese Wahrheit einzugestehen. Mir war vollkommen klar, dass ich, wenn ich denn könnte, Goodwins Frage beantworten und ihm alles erzählen würde, was ich wusste, nur, damit er endlich aufhörte, mir wehzutun. Aber die Informationen, die er wollte, hatte ich nicht.

Vor etwa einer Viertelstunde hatte ich einen besonders schwachen Moment gehabt und nicht geglaubt, noch mehr ertragen zu können. Also hatte ich den verzweifelten Versuch gemacht, Goodwin beizubringen, dass ich nichts wusste, was für ihn von Interesse wäre. Natürlich hatte er mir nicht geglaubt. Zum Glück hat er das nicht! Sonst wärst du jetzt schon tot. Tot zu sein wäre vergleichsweise bestimmt gar nicht so unangenehm.

Nein! Verdammt, nein. Das durfte ich nicht denken. Nicht, solange noch die Chance bestand, dass Agent West mich rettete. Mittlerweile musste er die Nachricht erhalten haben. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er hier auftauchen und Goodwin Einhalt gebieten würde. Zumindest redete ich mir das ein. Ziemlich erfolgreich sogar.

Bis Goodwin mich mit einer kräftigen Ohrfeige aus den Gedanken holte, in die ich mich auf der Flucht vor den Schmerzen zurückgezogen hatte. „Rede endlich!"

Ich spuckte Blut aus und atmete pfeifend durch meine gebrochene Nase ein und aus – aber nicht zu tief, um die Schmerzen in meinen auf jeden Fall geprellten Rippen in Grenzen zu halten. „Nein", gab ich zurück, wofür ich noch einen Schlag ins Gesicht kassierte, der meinen Kopf zur Seite schleuderte.

Goodwin griff in meine Haare und zwang mich, ihn wieder anzusehen. Er war mir dabei so nahe, dass ich seinen Atem spürte, als er verächtlich zischte: „Baust du etwa immer noch darauf, dass dein Agent hier auftaucht und dich rettet?" Sein Mund verzog sich zu einem höhnischen Lächeln. Mittlerweile war er nicht mehr so souverän und gelassen wie am Anfang – es wurmte ihn offensichtlich, dass er mich immer noch nicht zum Reden gebracht hatte. „Lass mich dir sagen: Das wird nicht passieren."

Becoming HimWhere stories live. Discover now