Kapitel 18

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„Kaffee?"

Ich kniff mir in den Nasenrücken und blinzelte gegen die Müdigkeit an. Die letzten paar Tage hatten meinen Schlafrhythmus komplett durcheinander gewirbelt. Es war ein Trost, dass ich heute Abend einmal früher ins Bett kommen würde, weil der Club erst morgen Nacht wieder öffnete. Aber das änderte nichts daran, dass ich immer noch viel zu müde war. Vor allem jetzt gerade, ohne das Adrenalin und die Anspannung, die mich sonst wach hielten, wenn ich darauf achten musste, mich wie Ethan zu verhalten. „Ja, dringend."

Agent West musterte mich eindringlich und kam dann zu folgendem Schluss: „Ja, du siehst aus als könntest du welchen gebrauchen." Er lächelte schief und bestellte zwei Tassen Kaffee. Ich unterdrückte ein Gähnen und folgte dem sich entfernenden Kellner mit müden Augen.

Das Café, das West für unser Treffen ausgesucht hatte, war offenbar ein eher unpopuläres; es war zwar klein und ganz stilvoll eingerichtet, aber trotzdem saß im Umkreis von zwei Tischen keiner in unserer Nähe. Gut, Agent West hatte wohl auch bewusst eine besonders ruhige Ecke ausgesucht, damit wir erstens nicht gestört und zweitens nicht belauscht werden würden. Letzteres war das Wichtigste – denn das, worüber wir heute reden würden, könnte mich verraten. Natürlich war dieses Treffen hier ein Risiko, ein großes Risiko, allerdings ein notwendiges, denn erstens musste ich West einige Dinge geben und zweitens brauchte ich seine Hilfe bei der Suche nach diesem ominösen Boss.

Und obwohl es mich beruhigen sollte, dass Agent West diesem Treffen zugestimmt hatte und es allein deshalb kein fataler Fehler sein konnte, war ich doch nervös. Auf dem Weg hierher war ich extra einige Umwege gefahren, um mögliche Verfolger abzuhängen. Ja, eventuell war das ein bisschen paranoid, aber Paranoia war etwas, das ich immer noch besser akzeptieren konnte als meinen Tod. Denn je tiefer ich in diese kriminellen Geschäfte verwickelt wurde, desto wahrscheinlicher wurde es, dass mich jemand, den ich belasten könnte, umbringen würde, falls er mich enttarnte. Je mehr ich wusste, desto gefährlicher war ich. Und desto gefährlicher wurde es wiederum auch für mich.

„Beruhig dich", murmelte Agent West, der meine Anspannung selbstverständlich bemerkte. Sobald der Kellner, der uns unseren Kaffee brachte, wieder außer Hörweite war, fügte er mit einem beruhigenden Lächeln hinzu: „Ich habe die Tür im Blick, keine Angst."

„Okay." Ich nickte und bemühte mich, ruhiger zu werden, während ich nach meiner Tasse griff und einen Schluck Kaffee nahm. Die Wärme des Getränks hatte eine beruhigende Wirkung auf mich und gleichzeitig machte mich der bittere Geschmack, den ich eigentlich verabscheute, wieder etwas wacher. „Ich verlasse mich auf Sie, West."

„Ich werde dein Vertrauen sicher nicht enttäuschen." Agent West schüttelte nachsichtig lächelnd den Kopf und nahm ebenfalls einen Schluck von seinem Kaffee. Als er seine Tasse wieder abstellte, wurde er ernst und kam zum Thema. „Hast du alles dabei?"

„Natürlich", erwiderte ich und schob die Tasche, die ich unter dem Tisch abgestellt hatte, mit dem Fuß näher zu ihm. „Alles da drin." Alles – die kleinen Kameras und die Wanzen, die ich nach der Auktion im Auktionshaus eingesammelt hatte. „Außerdem habe ich noch eine Liste mit den Gästen eingepackt." Diese Liste hatte Matt erstellt, um beim Einlass zu kontrollieren, dass wirklich nur Leute hereinkamen, die eingeladen worden waren. Beim Aufräumen nach der Auktion hatte ich diese Liste unbemerkt eingesteckt.

„Sehr gut", befand Agent West und lehnte sich mit seiner Kaffeetasse in der Hand in seinem Stuhl zurück. Er schien so bewundernswert entspannt zu sein. Gut, er war in diesem Fall aber auch nicht der Undercover-Agent. „Mit diesen Namen und den Aufnahmen hätten wir jetzt genug Beweise, um die Auktionsteilnehmer in den Knast zu bringen. Aber du hast noch was Neues herausgefunden, richtig?"

Nach einem weiteren Schluck Kaffee bestätigte ich dies mit einem Nicken. „Ja. Es muss noch einen wahrscheinlich ziemlich wichtigen Hintermann geben. Morris nannte ihn nur den Boss und offensichtlich müsste ich ihn kennen." Rasch korrigierte ich mich: „Also, Ethan müsste diesen Typen kennen." Es passierte mir in letzter Zeit häufiger, dass ich versehentlich mich selbst und meine Rolle, meinen Bruder, gleichsetzte. Das war ein seltsamer Trend, der mir nicht ganz gefiel.

Becoming HimWhere stories live. Discover now