13) Lux Eterna

819 67 48
                                    


Schneller als ich zusehen kann, steht Aljan auf seinen Füßen. Er streckt mir die Hand entgegen. "Es ist besser, wenn ich ihn in dieser Laune nicht warten lasse", sagt er beinahe entschuldigend.

Ich ergreife seine Hand und lasse mich von ihm in die Höhe ziehen. Ein letzter Blick zurück auf die ruhige Wasseroberfläche, die sich beinahe friedlich unter dem sternklaren Himmel ausbreitet.

"Wie friedlich es hier wirkt."

Wir haben keine Zeit, die Idylle länger zu genießen und Aljan läuft in großen Schritten in Richtung der weitläufigen Blumenwiese.

"Es ist nicht alles so friedlich, wie es scheint. Schade, dass wir jetzt schon los müssen. Jede Nacht fahren die Verstorbenen hier in kleinen Ruderbooten vorüber. Auf jedem von ihnen brennt eine Laterne. Meine Version des Lux Eterna. Ich hätte es dir gerne gezeigt. Gegen dieses Schauspiel verblassen sogar die Sterne am Himmel." Obwohl ein bedauerndes Seufzen seine Worte begleitet, kann ich den Stolz in seiner Stimme heraushören.

"Vielleicht ein anderes Mal", tröste ich ihn.

In der mondbeschienenen Wiese klaffen die ersten Risse, manche nur wenige Meter lang, andere deutlich länger. Aljan führt mich um einen besonders breiten herum. Tiefe Schwärze leuchtet uns entgegen. Je länger ich daraufstarre, umso lebendiger wirkt sie. Als würde sie mich ebenfalls anstarren und auf etwas lauern. "Ganz schön beängstigend, wenn man weiß, dass es nirgendwo endet. Ich kann es mir nicht einmal vorstellen."

In diesem Moment springt Aljan über einen etwa anderhalb Meter breiten Riss, elegant und mühelos. Ich schlucke und suche einen Weg außen herum.

Aljan wartet, aber ich sehe ihm an, dass er ungeduldig wird. Seine Finger trommeln einen unrhythmischen Takt auf seinen verschränkten Ellenbogen.

"Es gibt viele Dinge, die man sich nicht vorstellen kann, die aber dennoch existieren."

Endlich schließe ich zu ihm auf. "Da hast du recht. Diesen Ort hier, all diese Orte", erläutere ich, "hätte ich mir nie ausdenken können."

Er führt mich weiter, vorbei an unterschiedlich langen und breiten Kratern und Spalten im Boden.

"Du vergisst, dass wir sie auch nur umgesetzt haben. Hinter diesen Ideen stecken eine Vielzahl von Köpfen. Im Prinzip betreiben wir hier nichts anderes als Plagiarismus." Er lacht. Wir nähern uns der länglichen Röhre, die uns zurück in die verkommene Stadt und schließlich wieder hinaus auf den Flur führt.

Rote Nebelfetzen zirkulieren in einem wilden Tanz um uns herum. "Er wartet auf mich und er hat keine besonders gute Laune", bemerkt Aljan. Immer wieder zucken schwarze Rauchwolken durch das aufgewühlte Rot.

"Was kann er haben?"

Aljan zuckt die Schultern. "Ich werde es herausfinden. Vermutlich läuft etwas nicht nach seinem Plan. Findest du von hier aus alleine zurück?"

Er hat sich, ohne meine Antwort abzuwarten, bereits einige Schritte von mir entfernt.

"Ich denke schon", antworte ich, bin mir aber keineswegs sicher. Die Richtung weiß ich und die Tür habe ich mir auch gemerkt, aber seit meinem letzten Spaziergang sind einige weitere hinzugekommen. Und manche von ihnen wirken alles andere als einladend. Aljan schaut schon nicht mehr zurück.

"Danke für das Essen und den Abend", murmele ich.

Er scheint es gehört zu haben, denn was er entgegnet, klingt ein wenig nach "Tut mir leid, dass er so endet."

Dann ist er verschwunden und ich bin allein. Nur die Nebelschwaden wabern um mich herum, aufgebracht, aufgepeitscht. Ein Inferno aus rot und schwarz. Kalt und heiß. Als wüsste Tenebris nicht, was er fühlen sollte. In einem Moment heißer Zorn und blinde Wut und im nächsten kalter Hass, tiefe Trauer. Etwas zerreißt ihn und er braucht Aljan, seinen einzig verbliebenen Sohn, um seine Laune an ihm auszulassen.

Brennende Feuer - Dunkle SchattenWhere stories live. Discover now