17) Bettgeflüster

819 77 37
                                    


Es ist seltsam, Aljan in meinem Zimmer zu haben. Fast bereue ich meine Worte. An Schlaf ist natürlich nicht zu denken und wenn ich ehrlich bin, bin ich kein bisschen müde nach all der Aufregung.

Aber ich möchte gerade wirklich nicht alleine sein. Mit Aljan fühle ich mich sicher. Meine Menschenkenntnis - vor allem mein Wissen über Männer der Sorte, zu der ich auch Erit zähle - sagt mir, dass er nicht so einfach aufgeben wird. Das war nicht das Letzte, was ich von ihm gesehen habe. Zwangsweise. Dieser Ort ist schließlich sein Zuhause.

"Was wird dein Bruder jetzt machen?", frage ich Aljan, der es sich auf einem der Polstersessel bequem gemacht hat.

Der zuckt die Schultern. "Seine Wunden lecken, vermutlich. Sich mit irgendeinem Mädchen in irgendeinem Hotelzimmer dieser Welt ablenken."

"Oh! Ich habe ganz schön an seinem Ego gekratzt, oder?"

"Und ihn in seiner Ehre verletzt", ergänzt Aljan. "Mach dir nichts daraus. Diese Abreibung war längst überfällig. Frauen sind für ihn leichte Beute, daher fürchte ich, dass du seinen Jagdinstinkt geweckt hast. Normalerweise lehnt keine einen meiner Brüder ab, aber bei dir hatte er noch keine Gelegenheit, seine Macht einzusetzen."

"Welche Macht wäre das?" Ich finde den Gedanken gruselig, dass er Macht über mich haben könnte.

"Die meisten Frauen könnten ihm gar nicht widerstehen, weil er ihnen keine Chance lässt", holt Aljan aus. "Wir können euch Menschen gefügig machen und zu Dingen zwingen, die ihr gar nicht wollt. Hinterher könnten wir sie euch sogar vergessen lassen, aber diese Mühe machen sich meine Brüder selten."

Bei dieser Enthüllung klappt mir die Kinnlade herunter. "Das heißt", stammle ich. "Das heißt, ich hätte gar keine Chance gehabt, nicht mit dir mitzukommen. Das hat dein Vater neulich gemeint. Jetzt verstehe ich." Ich kann nicht in meinem Bett liegen bleiben und stehe auf. "Hast du diese Macht etwa bei mir eingesetzt? Auf dieser Party? Damit ich diesen Drink trinke und mit dir mitkommen?" Ich lehne mich gegen den inzwischen gefüllten Kleiderschrank auf der gegenüberliegenden Wandseite, verschränke die Arme vor der Brust und ergründe Aljans Mienenspiel.

Er schüttelt den Kopf. "Wie ich gesagt habe, es war zwar nicht leicht, aber ich habe nichts dergleichen getan. Du bist aus freien Stücken mitgekommen und das war mir wichtig." Die letzten Worte sagt er mit Nachdruck in der Stimme.

"Und wenn ich nicht mitgekommen wäre? Was hättest du dann gemacht?" Ich lehne noch immer an der Wand, aber ich glaube ihm. Ich spüre, dass er die Wahrheit sagt.

Er zuckt erneut die Schultern. "Ich weiß es nicht. Vielleicht hätte ich dich gezwungen, aber ich bin froh, dass ich es nicht musste."

"Warum bist du so anders als deine Brüder? Wie es scheint, macht es ihnen nichts aus, diese Gabe einzusetzen, dir aber schon?"

"Das Schwierigste an unserer Erschaffung war es, unsere Persönlichkeit auszuformen, sagt Vater. Jeder meiner Brüder ist anders, aber was Egoismus und Gewissensfragen angeht, sind sie alle gleich. Gleich rücksichtslos. Bei mir hat Vater etwas anderes versucht, er wollte mich gottgleich haben. Perfekt sollte ich sein. Er hat mir ein universales Gewissen mitgegeben. Er hat Jahrzehnte über Kants Kategorischem Imperativ gebrütet, Hegel und Schopenhauer studiert. Erst als er sich sicher war, alles bedacht zu haben, wurde ich erschaffen."

"Warum ist er dann mit seinem Ergebnis nicht zufrieden?"

"Er ist selten mit etwas zufrieden. Erst recht nicht mit etwas, an das er solch hohe Erwartungen hatte. Mein Gewissen steht mir im Weg. Ich handle nicht ohne über die Konsequenzen nachzudenken, wie meine Brüder. Ich analysiere, was das Beste wäre und entscheide dann anders, als sie es getan hätten."

Brennende Feuer - Dunkle SchattenWhere stories live. Discover now