24) Eine Warnung

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Die roten Augen funkeln uns an. Erst als der Dämon sicher ist, dass wir ihm unsere volle Aufmerksamkeit schenken, hört das Geräusch auf.

Noch immer ringt mir der Widerhall seines Schreis in den Ohren.

Und noch immer steht Aljan beschützend vor mir - nur vor diesem durchdringenden Kreischen konnte er mich nicht bewahren. Er wartet.

Ich warte darauf, dass er etwas sagt oder tut, aber er bleibt still.

Stattdessen öffnet sich das Krokodilmaul. Meine Hände wandern zu meinen Ohren, doch bevor ich sie gänzlich bedecken kann, beginnt der Dämon zu sprechen. Seine Worte klingen verzerrt und scheinen ganz tief aus dem Inneren seiner Kehle zu kommen. Ich muss mich anstrengen, um den Sinn dahinter ausmachen zu können.

"Schafft hier das Leben gut und schön,

kein Jenseits ist, kein Aufersteh'n."

Kaum ist die letzte Silbe verklungen, klappt er sein Maul zu und wendet sich ab.

"Was willst du uns damit sagen?", fragt Aljan. Ich kann die Anspannung in seinen Schultern erkennen und seine Stimme klingt müde.

Doch der Dämon hält die Kiefer fest aufeinandergepresst und starrt uns mit unergründlichen Augen an.

"Wer schickt dich?" Aljan macht einen Schritt auf den Chatiu-Dämon zu, nur um dann stehen zu bleiben. Er hat seine Hand von meinem Arm gelöst, aber ich folge ihm trotzdem und bleibe so dicht hinter ihm wie mir nur möglich ist.

Wieder verharrt der Dämon in seiner Position wie eine versteinerte Statue. Aljan macht ein paar weitere Schritte auf ihn zu.

Immerhin hat sich der Dämon so neben dem Eingang postiert, dass man an ihm vorbeigehen kann. Ich ahne sofort, was Aljan vorhat, als er ein paar weitere Schritte auf ihn zugeht. Ich folge unentschlossen. So ganz traue ich dem Frieden nicht. Was, wenn diese Kreatur uns in eine Falle locken will?

Jetzt verharrt er ganz still und tut unschuldig und im letzten Moment schnappt er zu.

Ich will dieses mit spitzen Zähnen besetzte Maul nicht in meinen Beinen spüren oder Bekanntschaft mit seinen krallenbesetzten Pranken machen.

Aber ich will auch nicht zurückbleiben in dieser befremdlichen Jenseitsvorstellung. Aljan jedenfalls scheint ebenso wie ich genug davon zu haben. Entschlossen eilt er an dem Dämon vorüber und ich folge dicht hinter ihm. Versuche dabei dem Wesen keine Angriffsfläche zu bieten.

Zu meinem Glück lässt er uns problemlos passieren. Jetzt nachdem er seine Botschaft übermittelt hat, scheint er jegliches Interesse an seiner Umgebung verloren zu haben.

Im Inneren der Hütte ist es dunkel. Die kahlen Lehmwände wirken nicht gerade einladend, aber wenigstens strahlen sie eine angenehme Kühle aus. Am Ende eines schmalen Flurs weht ein Vorhang, den Aljan achtlos zur Seite schiebt.

Wir stehen in einem kleinen Raum mit zwei rechteckigen Fenstern an der linken und rechten Seite. Auf dem Boden liegen ein paar handgeknüpfte Teppiche, wie ich sie von den orientalischen Märkten meiner Urlaubsreisen nach Nordafrika kenne. Sonst ist der Raum leer.

Bis auf eine Tür in der linken hinteren Ecke. Sie wirkt deplatziert, aber Aljan steuert mit sicheren Schritten darauf zu.

"Nach dir", sagt er und bedeutet mir durch die Öffnung zu gehen. Ich vertraue ihm und zurecht: Drei Schritte später stehe ich auf dem mir bereits so vertrauten Flur mit den Kerzenhaltern und den wabernden Dunstschleiern. Dieses Mal in einem Ton in blauviolett.

Fragend schaue ich zu meinem Begleiter, der hat die Lippen fest verschlossen und den Blick in die Ferne gerichtet. Er scheint weit weg zu sein mit seinen Gedanken. Ich will ihn nicht stören, also warte ich.

Erst eine ganze Weile später löst er sich aus seiner Starre, wir stehen noch immer vor der mit Reliefs und Hieroglyphen verzierten Tür, die uns wenige Stunden zuvor in das ägyptische Totenreich geführt hat. Auch wenn wir einen anderen Ausgang genommen haben, erscheint es mir die gleiche Tür im Flur zu sein.

Ein Ruck geht durch Aljans Körper. "Das war wohl nichts." Er seufzt. "Aber das hatte ich auch nicht erwartet. Es war ein Versuch. Mehr nicht. Wann hat man schon mal beim ersten Versuch Glück?"

Ich antworte nicht auf seine rhetorische Frage. "Immerhin haben wir etwas versucht", bemerke ich. "Und nun?"

Er zuckt die Schultern. "Ich weiß es nicht. Vielleicht zeige ich dir eine andere Totenwelt. Wir versuchen etwas anderes. Vielleicht fällt uns etwas ein oder etwas auf." Er wirkt ratlos, planlos.

"Ganz schön viele Vielleichts." Wir stehen wie verloren vor den vielen Türen. So viele Totenwelten und bis auf einen winzigen Bruchteil, habe ich keine Vorstellung, was sich dahinter verbergen könnte. "Und ganz schön viele Türen", schiebe ich nach.

"Unser Reich ist groß, aber irgendwo mussten wir ja beginnen." Aljan fährt sich durch die dunklen Haare, sein Blick wirkt aber weiterhin abwesend. Irgendetwas scheint ihn noch immer zu beschäftigen. "Aber ich glaube, wir sollten zuerst noch etwas recherchieren. Die Worte des Dämons lassen mir keine Ruhe. Gehen wir in die Bibliothek. Ich bin sicher, dass ich dort in einem Pergament schon einmal etwas über diese Weisung gelesen habe."

Brennende Feuer - Dunkle SchattenWhere stories live. Discover now