Die Gesandten

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Elomir trieb sein Pferd unerbittlich voran. Dem stolzen braunen Tier stand der Schaum vorm Maul und es triefte vor Schweiß, aber Elomir gönnte sich und ihm keine Pause. In den letzten vier Tagen hatten sie insgesamt nicht länger als fünf Stunden gerastet. Seine Nerven waren bis zum Platzen gespannt und er biss knirschend die Zähne zusammen.

Den größten Teil der Strecke hatte er seinem Instinkt folgend zurückgelegt und sich nur selten durch rasche Nachfragen in Siedlungen vergewissert, dass er auf dem richtigen Weg war.
Die weite Grasebene, über die er fast zwei Tage geritten war, ging nun am Horizont in einen dichten Wald über. Elomir atmete auf. Jetzt musste er nur noch den kleinen Bach finden, der angeblich an der Grenze zwischen Gras- und Waldland scheinbar im Boden versickern sollte. Dann würde er ihm in den Wald folgen und hoffentlich bald auf Merandil stoßen.

Er erhöhte den Schenkeldruck noch ein wenig und der Braune sprengte dem Waldsaum entgegen.


Anais saß am Ufer des kleinen Waldsees, den sie zu ihrer neuen Heimstatt auserkoren hatten und schaute Merandil dabei zu, wie er das Gerüst für ihr Haus errichtete. Schlanke weiße Fensterbögen, die nach oben hin spitz zuliefen, bildeten die Vorderfront. Trotzdem erst wenige Streben und Rahmen standen, hatte Anais bereits eine Vision vom fertigen Haus und dem, was sich darin abspielen würde. Sie beobachtete ihren frisch angetrauten Gemahl und verliebte sich mit jedem Augenblick mehr in ihn.

Die Blicke, die er ihr zuwarf, während er sich den Schweiß redlicher Arbeit von der Stirn wischte, waren voller Zuneigung und Verlangen. Auch er wollte so schnell wie möglich Leben in sein Bauwerk bringen, doch das sollte nicht auf Kosten der Handwerkskunst gehen. Er wollte für Anais und ihre zukünftige Familie ein kleines Kunstwerk erschaffen, in dem sie der Natur nah waren. Und er hatte tatsächlich das Gefühl, dass ein wenig Magie in seine Arbeit einfloss.

Das Prickeln, welches er verspürte, wenn er mit Anais an der Quelle Aranils weilte und seine Hände durch deren Wasser gleiten ließ, gab er nun in kleinen Prisen an das Holz weiter, aus welchem er ihr Heim erschuf. Das Material strahlte eine besondere Wärme und Behaglichkeit aus und Merandil spürte den Austausch magischer Strahlung zwischen ihm und dem Holz, wenn er darüber strich.

„Ich liebe es, dir zuzuschauen und die Fortschritte zu sehen, aber ich wünschte du wärst schon fertig. Du hast Ungeduld in mir gesät", rief Anais scherzhaft tadelnd zu ihm hinüber.

„Ein wenig musst du dich schon noch gedulden, Liebste", entgegnete Merandil lächelnd. „Ich arbeite erst seit zwei Wochen daran und es werden noch Monate vergehen bis es fertig ist."

„Vergib mir, aber du hast Begierden in mir erweckt, von deren Existenz ich vorher nichts wusste. Ein Teil von mir wünscht sich, dass du Tag und Nacht durcharbeiten würdest, damit wir schnell einziehen können. Ein anderer Teil jedoch möchte dich die ganze Zeit davon abhalten und lieber daran arbeiten, das Leben zu erschaffen, welches sich in unserem Haus entfalten soll."

Merandil ließ sein Werkzeug sinken und ging zu ihr. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie leidenschaftlich.

„Ich bin süchtig nach dir", hauchte Anais als sie sich atemlos voneinander trennten.

„Dann füge ich dies deinen vielen Tugenden hinzu", sagte Merandil und ließ seine Hände ihren Hals hinabgleiten. „Lass mich noch die Seitenstrebe stabilisieren und dann kümmern wir uns um die Erschaffung neuen Lebens", flüsterte er ihr ins Ohr.

Sie seufzte und schmiegte sich noch einmal an ihn.

„Das klingt nach einem guten Kompromiss. Ich gehe zur Quelle und schaue dort nach dem Rechten bis du soweit bist", sagte sie und löste sich von ihm.

Schattengrenze - ein Elfenroman über Licht und SchattenWhere stories live. Discover now