Kapitel 27

3.8K 67 5
                                    


Nachdem wir uns mit dem leckeren Essen, auf das ich mich immer schon das ganze Jahr über freue, die Bäuche vollgeschlagen haben, lassen wir uns müde aufs Sofa fallen. „Das war echt ein schöner Tag", sage ich, als ich mich etwas näher zu Michi kuschle. „Ja, sonst musste ich Weihnachten immer alleine oder bei Freunden feiern und jetzt fühlt es sich so an, als wäre ich Teil einer echten, glücklichen Familie." Über Michis familiäre Situation haben wir schon mal gesprochen – mein Vater weiß also bereits Bescheid. „Du gehörst ja auch zur Familie – es ist definitiv ein Vorteil, wieder männliche Unterstützung im Haus zu haben.", sagt mein Vater. „Ja, wir Männer müssen ja zusammenhalten." „Nicht schon wieder.", beschwere ich mich und verdrehe die Augen. Ich knacke meine Finger, was Michi anscheinend nicht leiden kann, da er seine Hand auf meine legt, was mich dazu bringt, damit aufzuhören. „Wann müssen wir morgen eigentlich los?" „Wir werden etwa um 9 aufbrechen." „Fahren wir eigentlich wieder zum Berg?" „Was denkst du denn? Wir fahren da jedes Jahr hin, also dieses Jahr auch wieder." „Aber ich hasse es, mit dem Sessellift da hochzufahren." „Das sagst du jedes Jahr, aber wenn du oben bist, liebst du es immer." „Wovon redet ihr?" „Meine Eltern haben sich zu Weihnachten beim Eislaufen kennengelernt. Es gibt da eine Touristenattraktion in der Nähe vom Haus meiner Eltern, wo man auf einem Berg mit wunderschöner Aussicht eislaufen kann. Schon als ich ein kleines Kind war, sind wir da also jedes Jahr am 25ten hingefahren und haben diese Tradition auch mit unserem Nachwuchs zusammen weitergeführt. Seit ein paar Jahren können meine Eltern zwar nicht mehr Eislaufen, aber der Ausblick da oben ist trotzdem sehr schön und weckt immer Erinnerungen. Jackie mag aber den Sessellift nicht." „Keine Sorge, ich sitz neben dir und halte deine Hand." „Das macht's mir vielleicht ein bisschen leichter. Ich mag die Höhe nicht so besonders." „Du hast vor vielen Sachen Angst, hm?" „Naja, eigentlich nur die Höhe, Spinnen und medizinische Sachen" „Eh nur", scherzt er. „Hey, du bist gemein." „Ach echt?" Er zieht mich in eine feste Umarmung und gibt mir hunderte kleine Küsse aufs Gesicht, worauf ich anfangen muss zu lachen. „Aber jetzt mal im Ernst: Ich bin schon mit so vielen Sesselliften gefahren und mir ist noch nie was passiert. Ich passe schon gut auf dich auch – wie immer", sagt er und ich merke sofort, dass er auf gestern Nacht hinauswill. Ich werde rot und kneife ihn ins Knie – natürlich so, dass es mein Vater nicht merkt, da ich nicht will, dass er fragt, wieso ich ihn gezwickt habe. „Gehen wir dann auch eislaufen?", fragt er so, als wäre nichts geschehen, aber an seinem Grinsen merke ich, dass er noch immer an gestern denkt. „Nein, das haben wir mit den Kindern eigentlich nie gemacht, da beide das wie sie klein waren nicht wollten." „Echt? Ich war früher immer mit meinen Eltern eislaufen. Komisch, dass es Kinder gibt, die das nicht mögen – ich habe es geliebt. Wir können es ja irgendwann mal ausprobieren." „Ach wie schade, dass ich heuer nicht die Möglichkeit dazu haben werde.", sage ich gespielt traurig und zeige auf meinen Fuß. „Heuer bist du vielleicht aus dem Schneider, aber es wird ja noch viele Winter geben." „Mal sehen."

Als am nächsten Tag mein Wecker läutet, will ich ihn am liebsten einfach aus dem Fenster schmeißen, da wir gestern noch echt lange munter waren. Ich denke jeder kennt diese Abende oder Nächte, an denen man mit einer Person redet und einfach über alles spricht und die Zeit komplett vergisst – so eine Nacht war gestern. Es war echt schön, über so viele, sehr persönliche Dinge mit Michi zu sprechen und ihn dadurch nochmal viel besser kennenzulernen, aber jetzt bin ich einfach unfassbar müde. Naja, vielleicht kann ich ja im Auto noch ein bisschen schlafen.

„Ist es für dich wirklich ok, hinten zu sitzen?", frage ich meinen Dad zum 10ten Mal. „Ja Schatz, sitz du vorne – ich weiß doch, wie sehr du es liebst, beim Autofahren vorne zu sitzen und Musik zu hören." Ich freue mich wie ein kleines Kind und nehme neben Michi, am Beifahrersitz, platz. „Ok, wer ist bereit für die Weihnachtsplaylist?", frage ich aufgeregt und verbinde mein Handy mit dem Autoradio. „Ich glaube, ich habe noch nie jemanden gesehen, der sich so darauf freut, im Auto Musik zu hören.", sagt Michi leicht belustigt. „Sie war schon immer so." „Es gibt doch auch einfach nichts Besseres – außer tanzen natürlich." „Na dann, fahren wir mal los", kündigt Michi an und startet den Motor. Ich bin echt müde, aber ich genieße die Autofahrt so sehr, dass ich nicht schlafen möchte. Ich weiß nicht wieso, aber aus irgendeinem Grund finde ich es so attraktiv, wenn Michi Auto fährt – ich könnte ihn die ganze Fahrt lang anschauen, was ich wohl auch täte, wenn mein Vater nicht am Rücksitz sitzen würde. Wir fahren etwa zwei Stunden durch mit Schnee bedeckte Orte, die alles viel magischer und schöner aussehen lassen – wie in einem Winterwunderland.  

Warum ausgerechnet Arzt? (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt