Kapitel 17

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Nachdem er mich auf der Couch abgelegt hat, geht er zum Medizinschrank und holt von dort die Schmerztabletten, bei denen ich schon weiß, dass ich sie nicht schlucken kann. „Gibt's die vielleicht auch in Saftform?", frage ich und werde rot. "Ähm, da du kein kleines Kind mehr bist, musst du, fürchte ich, Tabletten schlucken. Ich weiß, wie hart das für dich ist, aber es muss leider sein" Als er mir die Tablette in die Hand drückt, fange ich immer mehr an, mit mir selbst zu hadern. „Komm Schatz, je schneller du sie hinunterbekommst, desto schneller hören die Schmerzen auf." „Ich weiß, aber ich kann das nicht" „Du, Jackie... ich habe gesehen, dass ihr auch Zäpfchen habt. Wenn du möchtest, kann ich dir da eines verabreichen." „Was ist das?" „Das ist eine kleine weiße Medizin, die man in den Popo schiebt. Klingt schlimmer, als es ist" Ahh, diese Dinger. Oh Gott, da würde ich ja niemals mitmachen. „Du schiebst mir da sicher nichts hinten rein. Ich hab' das schon bei meiner Mama gehasst." „Süße, ich würde das ganz vorsichtig machen" „Nein, das machen wir sicher nicht", sage ich und werde trotzig, so wie ein Kleinkind. „Ok, müssen wir ja auch nicht. Ich wollte es dir nur anbieten.", sagt er ruhig. „Dann nimm aber bitte die Tabletten. Du kannst dir so viel Zeit lassen, wie du willst – kein Stress. Soll ich hierbleiben oder weggehen?" „Könntest du mich für ein paar Minuten alleine lassen? Ich glaube, dann würde es mir leichter fallen" „Klar, mein Engel. Kein Problem. Du schaffst das und wenn du was brauchst, dann rufst du mich, in Ordnung?" Ich nicke dankbar und gebe ihm einen schnellen, aber zärtlichen Kuss auf die Lippen.

Als ich mich davon überzeugt habe, dass er oben ist, stecke ich die Tablette schnell in meine Hosentasche – woanders würde er sie wahrscheinlich finden. Etwas schlecht fühle ich mich schon dabei, aber ich will die Tablette einfach nicht schlucken. Da halte ich lieber die Schmerzen aus, als dass ich diese Tabletten schlucke. 

Michi ist, nachdem ich ihn gerufen habe, wieder runterkommen und hat den Kamin sowie den Fernseher angemacht. Die Stimmung ist total gut, jedoch spüre ich schon langsam, dass mein Fuß anfängt, auch im Liegen weh zu tun. Das beste Schmerzmittel ist aber wie ich bemerke Michi, denn jedes Mal, wenn er mich küsst, blende ich alles andere aus. Bei der romantischten Szene im Film geht seine Hand runter zu meinem Po. „Ist das ok für dich?" Durch die Schmetterlinge im Bauch habe ich fast nicht mal gehört, was er gefragt hat. Wie soll ich mich da denn jetzt noch auf irgendetwas konzentrieren? Der Film läuft weiter, aber ich höre nicht zu – es gibt nur noch ihn und mich. Seine Lippen legen sich sanft auf meine und die Hand auf meinem Po greift etwas fester zu. Plötzlich spüre ich, wie seine Lippen steif werden. „Jackie, bitte sag mir, dass das nicht wahr ist", sagt er wütend und noch bevor ich richtig reagieren kann, fasst er schon in meine Hosentasche und zieht die Tablette raus.

„Bitte lass es mich erklären!" „Ich glaube, da gibt es nicht so viel zu erklären. Was soll das Jackie? Du hast mich angelogen und schadest damit ja auch noch dir selbst.", rügt er mich. „Es tut mir ja leid, aber du weißt, genauso gut wie ich, dass ich diese Tabletten nicht nehmen kann." Er atmet einmal tief ein und wieder aus. „Dann geb' ich dir halt ein Zäpfchen." „Nein, bitte!" „Ich hab' dir die Wahl gelassen und war wirklich einfühlsam. Ich hab' dir vertraut und dich alleine gelassen, was ich anscheinend nicht hätte tun sollen.", sagt er wütend, worauf ich anfange zu weinen, obwohl ich wirklich versucht habe, es zu unterdrücken. „Schatz, dein Fuß muss doch inzwischen echt weh tun. Lass mich dir doch einfach helfen und ein Zäpfchen geben." „Nein, ich will das nicht!"

Michi P.O.V.:

Das gibt es doch nicht, dass sie so stur ist. Ich muss mich echt zusammenreißen, sie nicht einfach über mein Knie zu legen und ihr das Zäpfchen einfach zu geben. Aber sie tut mir ja auch leid. Wenn man Gynäkologe wird, dann funktioniert das nur, wenn man auch sehr viel Einfühlungsvermögen hat und sehr geduldig ist – das ist hier aber leider das Problem. Meine Kollegen aus zum Beispiel der Neuro hätten sie schon längst übers Knie gelegt und ihr das Zäpfchen verabreicht und das, ohne zu diskutieren. So bin ich nun mal nicht – ich will ja auch, dass sie sich wohlfühlt. Aber dazu gehört eben, dass sie keine Schmerzen im Fuß hat, weshalb es jetzt wichtig ist, behutsam vorzugehen. „Ok, ich mache dir ein Angebot. Du hast die Möglichkeit, die Tablette zu nehmen. Wenn das aber in der nächsten Stunde nicht passiert, muss ich dir ein Zäpfchen geben. Einverstanden?" Ich sehe, wie sie mit sich hadert und sehe auch die aufflammende Panik in ihren Augen, weiß aber, dass das jetzt notwendig ist. „Na gut, aber bleibst du hier, um mir zu helfen?" „Ja sicher, wenn du das möchtest, mein Schatz. Ich weiß, dass das schwierig für dich ist, aber wir kriegen das schon gemeinsam hin, ok?" Sie nickt leicht, worauf ich ihr die Tablette in die Hand gebe.

Die nächsten fünfzehn Minuten sitzen wir auf derselben Stelle und versuchen durch unzählige Countdowns, die Tabletten in sie reinzubekommen, aber immer, wenn sie kurz davor ist, die Tablette zu nehmen, bricht sie ab. Ich bin schon dabei, die Geduld zu verlieren, weiß aber, dass das jetzt komplette kontraproduktiv wäre, weshalb ich versuche, so ruhig wie möglich zu bleiben. „Hey, nicht die Hoffnung verlieren. Komm, beim nächsten Mal wirfst du die Tablette wirklich in den Mund und schluckst sie schnell runter." Wir zählen wieder von 5 abwärts, aber wie jedes Mal macht sie es im Endeffekt doch nicht. „Nein, ich kann das nicht." „Das oder das Zäpfchen" „Nein! Du kannst mich nicht zwingen." „Jackie, sei doch vernünftig. Dir tut der Fuß weh, oder nicht? Willst du nicht, dass der Schmerz endlich nachlässt?" „Ja schon, aber ich will die Tablette nicht nehmen." Sie wird immer lauter. „Jackie, ruhig bleiben" „Ich will aber nicht", sagt sie und wirft die Tablette auf den Boden.

Ok, ich glaube, mit der netten Art komme ich hier jetzt einfach nicht mehr weiter. Obwohl ich nicht der Typ dafür bin, muss es jetzt sein, dass ich hart durchgreife. Ich hebe die Tablette vom Boden auf und gehe auf sie zu, worauf sie total panisch wird. Ich lehne mich leicht auf sie und halte ihr Kinn mit meiner Hand fest. Gleichzeitig drücke ich die Tablette mit der anderen Hand in ihren Mund. Ihr fällt das gerade genauso schwer wie mir, aber es muss jetzt einfach sein. Als ich mich von ihr löse, schaut sie mich trotzig an und macht etwas, womit ich wirklich nicht gerechnet hätte – sie spuckt die Tablette aus und zwar mitten in mein Gesicht. Anfängerfehler – ich hätte ihren Mund noch bis zum Runterschlucken festhalten sollen. Wut baut sich in mir auf, aber ich versuche sie, durch regelmäßiges Atmen zu unterdrücken. Freunde von mir hätten ihr für diese Aktion schon ordentlich den Hintern versohlt, aber ich versuche noch immer ruhig zu bleiben, so schwer es mir fällt. Ja, es war definitiv falsch von ihr, aber ich weiß, dass sie es nur gemacht hat, weil sie totale Panik davor hat. Jetzt bleibt mir aber leider nichts anderes über, als ihr ein Zäpfchen zu geben.

Warum ausgerechnet Arzt? (Teil 1)Where stories live. Discover now