Kapitel 52

2.8K 56 6
                                    


Da es inzwischen langsam immer wärmer draußen wird, ziehe ich mir heute auf dem Weg zu meinem Studio schon nur noch meine Frühlingsjacke an. Michi ist in der Arbeit und hat das Auto, also werde ich einfach zu Fuß hingehen – zum Glück ist das Studio nicht so weit weg von unserem zuhause, so, dass ich schön gemütlich hinspazieren kann. Tanzlehrerin zu wurden, war eine der besten Entscheidungen, die ich jemals in meinem Leben getroffen haben. Es erfüllt mich mit so viel Freude, den Kindern mein Wissen weitergeben zu können und es ist wunderschön zu sehen, wie sie Fortschritte machen. Wie immer bin ich die Erste im Studio, um schon mal alles vorbereiten zu können und mich etwas zu dehnen. Manchmal hebe ich mir sogar das choreographieren für die Zeit vor den Kursen auf. Wenn ich aber schon alles vorbereitet habe und mir noch Zeit bleibt, liebe ich es, schon mal alleine ein bisschen zu tanzen. Mit passender Musik ist ein bisschen Freestyle manchmal wie Medizin für die Seele. „Hallo Jackie", höre ich zum Glück schon ziemlich am Ende des Liedes. Ich liebe zwar meine Tanzkids, aber kann es echt nicht leiden, während eines Tanzes unterbrochen zu werden. Glücklicherweise warten sie geduldig, bis ich fertig bin und schauen mir mit großen Augen zu. Als ich mich in meine Schlusspose begebe, klatschen die inzwischen schon 7 Kinder lauten Beifall. „Danke, ihr süßen. Wisst ihr, wo Lisa und Elsa sind?" „Ja, die kommen auch gleich.", sagt Marie – eine echt süße kleine Maus. „Na dann geht euch doch schon mal umziehen, hm?" „Ja, Jackie.", rufen sie und stürmen nacheinander die Umkleidekabine – ach, sind die niedlich.

„Da ist Michi!", ruft ein Mädchen, als ich gerade einer Schülerin erkläre, wie sie ihre Beine für die Choreo positionieren muss. Da ich so beschäftigt damit war, ihr zu zeigen, wie es richtig geht, habe ich ihn gar nicht reinkommen hören. Ich habe mit Michi ausgemacht, dass er nach seiner Schicht ins Studio kommt und wir danach gemeinsam heimfahren können. Da wir das schon öfter gemacht haben, kennen die Mädels ihn inzwischen. „Ja, lasst euch von mir nicht stören.", sagt er und schleicht zu einer Bank, auf der er Platz nimmt. „Ok, verstehst du's?", frage ich das Mädchen, mit dem ich soeben gesprochen habe. „Ja, danke." „Kein Problem. Ok, also nochmal von vorne." Ich schalte die Musik an und beobachte die Mädchen, wie sie meine Choreo tanzen. Ich muss sagen, obwohl sie so klein sind, machen sie das schon echt toll. Wie aus dem nichts höre ich jedoch ein lautes „Aua!" Es dauert ein bisschen, bis ich den Schrei lokalisieren kann, so, dass inzwischen schon Michi fast bei Marie angekommen ist. Ich drehe schnell die Musik ab und laufe zu ihnen. 

„Hey Mäuschen, was ist denn passiert?", fragt Michi sie sanft. „Ich...ich...ich habe getanzt und dann b...bin ich irgendwie umge...knickt und hinge...gefallen.", versucht sie, Michi den Unfall tränenüberströmt zu erläutern. „Ok, Süße, alles gut. Ich bin Arzt und kann mir das anschauen, ok? Wo tut's dir denn genau weh?" „Fuß..." „Ok, darf ich dir mal deine Schühchen ausziehen und mir das genauer ansehen?" Sie nickt leicht und greift nach meiner Hand. Aww, die arme Maus. Ganz vorsichtig zieht Michi ihr ihren Schuh aus und tastet sanft ihren Fuß ab. „Ok Mäuschen, wir rufen deine Mama oder deinen Papa an und die sollten mit dir ins Krankenhaus fahren." „Ich habe keinen Papa und meine Mama arbeitet bis 6 und kann nicht vorher weg." Michi überlegt kurz und sagt: „Ok, dann fahren wir mit dir ins Krankenhaus. Ich habe einen ganz netten..." Während Michi mit ihr redet, rufe ich schon mal Sophie an und frage sie, ob sie vielleicht schnell die Gruppe übernehmen kommen kann. Zum Glück hat sie Zeit und ist 15 Minuten später auch schon da. Michi und ich haben in der Zwischenzeit probiert, Marie und auch die anderen Mädchen, etwas zu beruhigen. „Ok, super, danke Sophie. Ich werd's wahrscheinlich nicht mehr vor Ende des Kurses schaffen." „Mach dir keine Sorgen – ich übernehm das schon." „Danke. Hab dich lieb." „Ich dich auch.", sagt sie und umarmt mich. 

Warum ausgerechnet Arzt? (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt