Kapitel 22: Eine Entscheidung

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Während dessen in der Vampirhöhle...

Es machte mich wahnsinnig... Hat er sich tatsächlich für dieses kleine Menschlein entschieden und nicht für mich? Wie sollte ich das ertragen?

Seit sie aufgetaucht ist, verbringt er die Nächte nur noch mit ihr. Und jetzt kommt er nicht mal am Tag mehr zurück. Zurück zu seiner Familie.. Diese Tussi verändert ihn.. Wo ist Lucius nur? Draußen scheint die Sonne und er ist nicht da...

Ich wischte mir eine Blutsträne weg. Seit letzter Nacht war ich nur noch am weinen. Die letzten 50 Jahre waren also nur Zeitverschwendung gewesen. Er sah in mir nur die kleine Lene, nichts anderes. Selbst wenn ich weitere 50 Jahre kämpfen würde, würde es vermutlich nichts ändern. Lucius liebte mich einfach nicht.

Auch wenn draußen hellichter Tag war, bekam ich einfach kein Auge zu. Es machte mich krank, wenn ich daran dachte, dass SIE jetzt wohl gerade in seinen Armen lag. Oder warum sonst würde er nicht zurück zu seiner Familie kommen, so wie es bis vor kurzem jeden Morgen war.

Ich schniefte also in meiner dunklen Ecke in der Höhle vor mich hin und warf immer wieder einen kurzen Blick zu meinen Vampireltern. Lestat und Isabella schliefen ineinander verschlungen. Ihre Liebe konnte man immer spüren. Warum konnte ich das nicht auch haben? Die Eifersucht und der Neid fraßen mich innerlich auf.

Lestat, mein Vater, schlug seine Augen auf. Sein Blick wanderte rüber zu mir und ich konnte eine Sorgenfalte auf seiner Stirn erkennen.
"Lene? Wieso schläfst du nicht?"

"Lucius ist nicht da." knurrte ich. Er sah sich kurz um und merkte dass ich recht hatte.

"Dass ist seltsam." bemerkte er. "Vermutlich hat er es vor dem Sonnenaufgang nicht mehr hier her geschafft und hat sich wo anders einen Unterschlupf gesucht. Mach dir keine Sorgen."

Ich lachte über den plumpen Versuch mich zu beruhigen. "Von wegen. Er ist mit diesem Menschen zusammen. Ich spüre es doch ganz genau, Lestat. Ich.. Bin..." meine Augen waren rot. Die Wut ließ meinen Hunger in die Höhe fahren. Wir Vampire haben ohnehin ständig Hunger bei dem wenigen Blut dass wir hier bekommen. Aber wenn die Emotionen überhand gewinnen, ist es sehr schwer den Appetit zu zügeln.

Lestat löste sich sachte von Isabella und setzte sich neben mich. Seinen Arm legte er um meine Schultern, ich hingegen versteifte mich. Diese Nähe wollte ich gerade nicht.

"Es tut mir aufrichtig leid, Lene. Ich wünschte, ich könnte ungeschehen machen was ich dir angetan habe. Ich dachte wirklich... Aber Lucius hat sich anders entschieden. Ich muss das akzeptieren, genauso wie du. Du musst lernen von ihm los zu kommen. Vielleicht.. Solltest du eine Weile von hier weg. In die Stadt... "

Auf Lestats Worte hin sprang ich empört auf und fauchte ihn regelrecht an.
"Du schickst mich weg, Vater?  Jetzt, wo du eingesehen hast, dass mich dein lieber Herr Sohn nicht will, hast Du keine Verwendung mehr für mich?"

Der langhaarige Vampir sah mich völlig entgeistert an. Und durch meinen Ausbruch wurde nun auch Isabella wach. Irritiert setzte sie sich auf und sah uns beide verwirrt an.

"Lene, so ist das nicht. Du bist auch mein Kind und ich liebe dich. Ich will doch nur, dass es dir wieder gut geht." wollte mich Lestat besänftigen, doch ich glaubte ihm kein Wort. Womit hatte ich so ein schreckliches Schicksal nur verdient?

"Keine Sorge, sobald die Sonne untergeht, seit ihr mich los." sagte ich und verschränkte meine Arme und hockte mich in eine andere Ecke der Höhle.

"Was?" fragte Isabella völlig verdutzt. "Du wirst nirgendwo hingehen, was soll denn das?"

"Es ist wegen Lucius." erklärte Lestat seiner Gefährtin. "Ich meinte nur, wenn sie eine Weile in die Stadt geht und Abstand gewinnt, könnte sie mit der Situation besser zurecht kommen, aber sie bekam das natürlich völlig in den falschen Hals."

Isabella schien über die Worte meines Erschaffers nachzudenken. Dann sagte sie etwas völlig unerwartetes, als sie sich zu ihm setzte und ihm tief in die Augen schaute.
"Dann begleite sie, Lestat. Du hast ihr diese Gehirnwäsche verpasst. Unsere Tochter leidet. Begleite sie auf ihren Weg. Ich bleibe hier und unterstützte unseren Sohn."

In über 500 Jahren waren Lestat und Isabella niemals auf längere Zeit getrennt gewesen. Hatte sie das also wirklich vorgeschlagen? Das Gehör eines Vampires funktionierte ausgesprochen gut, aber gerade dachte ich, ich hätte mich verhört.

"Meinst du das ernsthaft, meine Liebste? Ich weiß nicht, wie lange wir weg bleiben werden. Ich will dich hier nicht zurück lassen. Aber Lene braucht...." Lestat starrte mich einige Momente an. Sonst schien er immer so stark und allwissend zu sein. Aber gerade wirkte er etwas... Gebrochen.
"Lene braucht mich. Du hast recht, wie immer, meine Schöne. Aber bevor wir gehen, müssen wir mit Lucius darüber sprechen. Bei Sonnenuntergang werden wir ihn suchen."

Lestat und Isabella küssten sich innig. Er deutet mir an, zu ihnen zu kommen. Erst wollte ich ablehnen, entschied mich aber dann doch noch zu ihnen zu gehen. Auch wenn meine Gefühle verrückt spielten, waren die beiden Familie. Und ich liebte sie.

Mein Vater legte einen Arm um mich, den anderen um Isabella. Er gab uns beiden einen Kuss auf den Kopf und seufzte gedehnt aus. Bei dieser wohl behütenden Nähe meiner Familie, schloss ich dann doch noch mal die Augen und schlief ein.

Luana, Gefangene des ÜbernatürlichenWhere stories live. Discover now