Kapitel 50: Vater

194 24 25
                                    

Luana

Als ich meine Augen wieder öffnete, war die Hitze verschwunden. Doch mein Herz zog sich in meiner Brust zusammen als ich das Gesicht Lucifers über meinen erblickte. Während ich mich mit verwirrten Gesicht aufsetzte, wich er etwas zurück. Er blickte mich fürsorglich an.

Wie macht er das? Kann der Teufel so etwas wie Sorge überhaupt empfinden? Geschweige denn Liebe?

"Wo bin ich?" fragte ich. Denn erneut befand ich mich an einem anderen Ort. Jedoch war auch hier altes Gemäuer, so ähnlich wie in dem Gefängnis.

"Wieder in deiner Welt. Wenn du noch länger in der Hölle geblieben wärst, dann hätte ich nichts mehr für dich tun können, mein Kind." die Worte dieses dunklen Engels waren zwar deutlich zu verstehen, aber der Sinn darin wollte sich mir einfach nicht erschließen.

"Nenn mich nicht so." flüsterte ich und musterte den Mann mit den Flügeln vor mir.
"Ich bin nicht die Tochter des Teufels."

Lucifer lachte.
"Da hast du recht. Den Teufel gibt es nicht, auch wenn euch eure Bücher etwas anderes klar machen wollen. Ich bin der gefallene Engel Lucifer. Ich habe mir ein eigenes Reich aufgebaut, nachdem man mich aus dem Himmel verstoßen hatte. Sie konnten meine Ansichten nicht teilen. Gut gegen Böse, das ist so altmodisch, findest du nicht? Jedes Wesen vereint beide Seiten in sich, und nur die, die wahre Größe haben, können beide Seiten akzeptieren."

Meine Augen wurden groß als ich den Worten meines Gegenübers lauschte. Überraschenderweise klangen sie einleuchtend. Doch dass ich seinen Worten recht gab, erschreckte mich zutiefst.

"Du bist meine Tochter, Luana. Oder Katharina. Wie auch immer du dich nennen magst. Ich habe so lange nach dir gesucht. Doch inmitten der Menschen konnte ich dich nicht finden. Als mir aber zu Ohren gekommen ist, dass Lilith einem Nephelim hinterherjagt, der anscheinend über große Kräfte verfügt, wurde ich stutzig und habe nachgeforscht. Jedoch war meine Ansicht, dass du in der Hölle zu Hause wärst, falsch. Du besitzt eine menschliche Seele. Mit dieser, gehörst du auf die Erde."

Mir wurde das zu viel. Ich konnte das alles nicht wirklich begreifen. Noch immer hoffte ich, dass ich mich in einem Traum befand. Ich war also wirklich die Tochter von Lucifer?

"Was ist mit meiner Mutter passiert?" Dies war die einzige Frage, wo ich den Mut hatte, sie auszusprechen. Lucifer seufzte, seine Flügel zuckten kurz. Es war so ein bizarrer Anblick.

"Deine Mutter war ein Mensch, wie du vielleicht schon angenommen hast. Hin und wieder mischte ich mich getarnt als gewöhnlicher Sterblicher unter die Menschen. Die verschiedenen Facetten, die sie aufwiesen, faszinierten mich. Ebenso wie sich die einen eher dem Bösen zuwandten, andere wieder dem Guten. Andere widerum lebten beide Seiten aus. Doch irgendwann, begegnete ich ihr. Sie war wunderschön. Du siehst ihr im übrigen sehr ähnlich. Ihr habt die selben Augen. Alles, was gut ist, hat sie dir weiter gegeben. Wir haben uns ineinander verliebt, und nach und nach habe ich immer mehr Zeit auf der Erde verbracht. Sie wusste nicht wer ich bin. Es wäre zu gefährlich gewesen. Lilith aber hatte schon die Vermutung dass ich eine Affäre hatte. Auch wenn die Hexe neben mir am Thron sitzt, so habe ich niemals Liebe für sie empfunden. Unsere Vereinigung diente nur der Macht. Irgendwann aber wurde deine Mutter dann mit dir Schwanger. Zum ersten Mal hatte ich etwas, was mir wichtiger wahr, als ich selbst. Eine Familie. Deine Mutter aber überstand die Geburt eines Nephelim nicht. Und ich vermute dass noch andere Faktoren im Spiel waren, jedoch konnte ich nie Beweise finden. Als ich dich holen wollte, meine Tochter, warst du wie vom Erdboden verschluckt."

Mir liefen Tränen die Wangen hinunter. Die Worte dieses dunklen Engels, wirkten auf mich ehrlich. Ich konnte die Gefühle, die er dabei empfand, deutlich heraus hören. Aber ich konnte die Liebe, wie ich sie bei anderen Wesen fühlte, nicht spüren.

"Das bedeutet du kannst lieben?"

Lucifer schmunzelte. "Ich liebe anders als Menschen, aber ja. Ich bin dazu durchaus im Stande."

Es stand also tatsächlich mein Vater vor mir? Und er hatte mir gerade die Geschichte über meine Mutter erzählt? Noch nie war ich meinen Wurzeln so nahe wie in diesem Augenblick gewesen. Aber was war mit mir passiert als Baby? Warum konnte er mich nicht finden? Wer hatte mich versteckt gehalten?

Lucifer riss mich erneut aus meinen Gedanken, indem er sich räusperte.
"Sag, dürfte ich dich vielleicht umarmen?"

Ich blinzelte ihn überraschend an. Er wollte was?

"Ähm... Ja." flüsterte ich. Und als der Engel lächelnd seine Arme um mich schlang, kam das Gefühl von Geborgenheit in mir auf. Es war seltsam, aber mir gefiel diese Berührung. Ich hörte Lucifer sogar erleichtert aufseufzten.

Als wir die Umarmung wieder lösten, sprach ich eine Bitte an ihm aus.
"Bitte befreie Elea. Sie ist meine Freundin. Ihr geht es so schlecht. Die Vampire können sie heilen. Bitte." flehte Ich ihn an. Doch ehe mir Lucifer antworten konnte, stach es in meiner Brust. Ich fasste mir an mein Herz. Der Schmerz wurde stärker. Von Sekunde zu Sekunde. Ich begann zu schreien und mich zu krümmen. Was war das? Der Schmerz wurde so stark, dass es mich völlig einnahm. Tränen begannen meine Wangen hinunter zu laufen. Ich brach zusammen. Ich konnte diese Qualen nicht aushalten. Was passierte da mit mir?

Ich sah aus den Augenwinkeln wie Lucifer mich in seine Arme schloss und auf mich einredete. Aber seine Stimme hörte sich an, als wäre er sehr weit entfernt. Ich konnte ihn nicht hören. Der Schmerz benebelte mich und auf einmal war eine mir allzu vertraute Stimme in meinen Kopf.

Ich liebe dich, Katharina.

Luana, Gefangene des ÜbernatürlichenWhere stories live. Discover now