Kapitel 47: Der gefallene Engel

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Kaum war der Dämon weg, erhob sich der Mann von seinem Thron. Meine Augen weiteten sich als ich erkannte, was er war. Denn auf seinem Rücken entfalteten sich riesige, schwarze Flügel, die man in seiner sitzenden Position nicht erkennen konnte.

Jedoch traute ich mich meine Vermutung nicht einmal zu denken. Ich konnte meinen Mund nicht bewegen um irgend etwas zu sagen. Stattdessen stolperte ich zurück, als er direkt auf mich zu ging. Ich fiel rückwärts auf den Boden und starrte dieses Wesen völlig entgeistert an.

"Du hast nun nichts mehr zu befürchten. Du bist endlich zu Hause, mein Kind."

Was? Zu Hause? Mein Kind?

Die Frau, die noch auf dem Thron saß, schnaubte verächtlich. Ich konnte sie allerdings nicht mehr sehen, weil die großen Flügel mir die Sicht zu ihr nahmen.

Der Mann streckte mir die Hand entgegen, die ich nur zögerlich ergriff. Es war schwer mich auf die Beine zu richten, denn ein Schwindel, der durch diese enorme Hitze entstand, brachte mich zum wanken.

"Lucifer! Das kann doch nicht dein Ernst sein! Du weißt dass sie ein 'guter' Nephelim ist. Sie gehört mir. Ich will sie töten. Sie hat es nicht verdient weiter zu leben!"

Mein Herzschlag geriet völlig aus seinem Rhythmus. Lucifer? Der erste gefallene Engel?
War... war ich in der Hölle gelandet?

"Schweig, Lilith!" die Stimme Lucifers schallte drohend durch den gesamten Raum.

Lilith. Sie war es also. Dort war die Hexe die mir all das Leid zugefügt hatte. Die meine Freunde und mich bedrohte. Aber welche Rolle spielte dieser Lucifer bei all dem? Da die Hexe nun tatsächlich schwieg, schien er Macht über sie zu haben. Was verständlich war, wenn man den Geschichten in den Büchern glauben schenkte, dass Lucifer der Herrscher der Hölle war.

Dieser dunkle Engel, strahlte mich lächelnd an. Jedoch konnte ich auch in ihm, nicht mal den Hauch eines guten Gefühles wahr nehmen. Wieso also war er so zu mir? Wieso verteidigte er mich? Und wieso kam mir seine Gegenwart so... vertraut vor?

Seine Hand berührte meine Wange, die er zärtlich streichelte.
"Meiner Tochter wird niemand, jemals ein Haar krümmen. Dir wird kein Leid mehr widerfahren."

Tochter? Das hier war doch ein Witz. Das konnte niemals real sein. Nein. Bestimmt befand ich mich noch bei Elea im Gefängnis und haluzinierte. Oder ich träumte. Das konnte einfach nicht wahr sein!

Die Frage nach meinen Eltern hatte mich tief in mir beschäftigt. Doch ich hatte keine Zeit gehabt dem nachzugehen. Das war nicht möglich. Ich konnte nicht die Tochter des Teufels sein! Ich war gut. Ich war doch gut? Ja, das war ich. Lilith hatte es eben selbst gesagt. Ich war ein guter Nephelim. Meine Kraft war die Liebe. Eine Liebe, die hier völlig fehlte. Ich musste hier schleunigst weg, aber mein Körper war wie erstarrt.

Meine Knie gaben nach und ich sank erneut zu Boden. Lucifer fing mich auf. Er hob mich auf seine Arme und setzte mich auf seinen Thron. Ich zuckte zusammen als mich das Gesicht der Hexe böse anfunkelte.

"W.. Weg. Muss hier weg." nuschelte ich leise, kaum hörbar.

Die Augen Lucifers engten sich unverstehend zusammen. "Warum? Das ist dein zu Hause. Hier gehörst du hin."

Ich riss meine Augen weit auf und schüttelte den Kopf. Die Hitze dieses Ortes war inzwischen unerträglich. Allmählich verlor ich die Fähigkeit klar zu denken.

"Sieh sie dir doch mal an. Sie gehört nicht in die Hölle. Ihr Körper macht schlapp. Aber mir solls recht sein. Wenn sie stirbt, habe ich eine Sorge weniger. Aber es hätte mir Spaß gemacht sie noch ein wenig weiter zu quälen." Lillth Worte klangen abfällig.

Lucifer spannte sein Kiefer an und presste die Lippen fest zusammen. Ich erkannte dass er sich sehr ärgerte über die Worte der Hexe. Aus seiner Kehle erklang ein unnatürliches Knurren und plötzlich schnellte seine rechte Hand zu der Hexe neben mir. Er riss sie gewalttätig an den Haaren und schlug ihren Kopf gegen die Armlehne des Throns. Ich sog scharf die Luft ein.

"Ich sagte du sollst still sein. Wenn du deine Klappe nicht halten kannst, dann verschwinde und nerv jemand anderen."

Lilith griff sich an ihren Kopf. Aber zu meiner Verwunderung, war keine Wunde zu sehen. Aber sie hatte Schmerzen, das war deutlich.

"Fein. Wenn ich deine Bastardstochter nicht töten darf, dann bring ich einfach jemand anderen um. Wir sehen uns beim Abendessen, Schatz. Aber sei bitte pünktlich. Und... Nur wir beide. Ich will dieses Dreckstück nicht mehr unter meinen Augen sehen."

Sie sagte tatsächlich Schatz zu ihm? Sie waren ein Paar? Aber sie wirkten überhaupt nicht wie zwei Liebende. Im Gegenteil. Er hatte sie gerade geschlagen. Und sie störte das nicht? Und was bedeutete, sie würde nun wem anderen töten? Wem? Elea? Nein, bitte nicht!

Lucifer rollte mit den Augen.
"Verpiss dich endlich, Weib."

Hohe Flammen erschienen plötzlich von einer Sekunde auf die andere, in denen versank die Hexe förmlich. Als die Flammen wieder verschwanden, war auch von Lilith nichts mehr zu sehen. Das war mir zu hoch.

Mein Rücken drückte sich enger gegen die Lehne des Throns. Ich war nun allein mit Lucifer, meinen angeblichen Vater.

"Es ist zu heiß." stieß ich zwischen zwei schnellen Atemzügen hervor. Mir kam es vor, als würde die Luft hier immer weniger werden, als würde ich von innen verbrennen. Ich konnte das nicht mehr lange durchhalten. Lucifer musterte mich mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte. Erneut legte er seine Hand auf meine Wange, dann auf meine Stirn. Wieder engte er seine Augen.

"Deine Seele verbrennt." war das letzte was ich noch wahr nahm. Es waren die letzten Worte von Lucifer, ehe mein Kreislauf kollabierte.

Luana, Gefangene des ÜbernatürlichenWhere stories live. Discover now