#27-Ein intimer Moment und das Tanzen danach.

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Nachdem Isi uns ihren Lösungsvorschlag vorgestellt hatte, ist es still. Totenstill. Ich wage es vorsichtig zu Kevin zu schauen, dessen Blick starr auf dem Boden gerichtet ist. Würde er das auf sich nehmen? Für eine Partnerin, die er erst wenige Stunden kennt?

Klar für mich wäre es die die ultimative Lösung. Es wäre einfach wunderbar! Doch würde ich so eine große Veränderung für jemand anderen in Kauf nehmen?

Ich bin mir nicht sicher.

„Kevin? Was sagst du dazu?“, bricht Isabel die Stille. Meinen Blick, der eben noch auf Kevin lag richtet sich jetzt ganz schnell auf den ebenen Tanzboden vor mir. Auf keinen Fall soll er mich erwischen, wie ich ihn flehend anblicke.

Habe ich flehend geschaut? Sehr wahrscheinlich…

„Verdammt, was soll ich sagen?“, Kevin fängt an unsicher zu lachen und fährt sich mit seiner rechten Hand durch die vollen braunen Haare. Erst jetzt fällt mir auf, dass seine Haare, Jace’s verblüffend ähneln.

Isi startet einen neuen Versuch, um ihren kleinen Bruder gut zuzusprechen.

„Schau mal Kevin, wir wissen beide, dass du gerade nichts wirklich zutun hast, so hast du noch einmal ein Jahr Zeit, um dir Gedanken zu machen. Dann machen Mama und Papa auch nicht mehr so stress. Es wäre für Stella eine riesige Chance und…“

Weiter kommt Isi nicht, denn Kevin unterbricht sie mit einer aufgesetzten, ruhigen Stimme.

„Stopp, ich fasse das jetzt einmal zusammen. Du möchtest, nein eigentlich verlangst du von mir, dass ich ein Jahr nach England ziehe. Ein Jahr getrennt von meiner Freundin, meiner Freunde, meines Umfeldes und auch meiner Tanzschule. Du willst, dass ich in so ein kleines Dorf irgendwo am Arsch ziehe, damit dein kleiner Tanzliebling am Ball bleibt.“

Verteidigend hat Kevin seine Arme vor der Brust verschränkt und starrt sie mit einem durchdringenden Blick kalt an.  Er hat also eine Freundin. Sehr interessant.

Ich fühle mich in dieser Situation überhaupt nicht gut, doch einfach rausgehen und flüchten kann ich ebenso wenig, wie Kevin mit zu überreden. Er hat sowas von Recht und die Lage in der er sich gerade befindet kann ich zu hundert Prozent nachempfinden, schließlich steckte ich vor ein paar Tagen noch in genau derselben.

Unsicher schaue ich von dem einen Gesicht in das andere. Jetzt, da ich sie beide intensiv beobachte, springen mir die Ähnlichkeiten der beiden Geschwister geradezu ins Auge.

Die gleiche gerade Nase, die gleichen vollen Lippen und überhaupt dieselben ebenmäßigen, symmetrischen Gesichtszüge.

„Ach Isi man! Ich weiß es doch nicht! Gib mir Zeit darüber nachzudenken ok? Ich bin gerade aufgebracht! Du weißt, dass ich es nicht böse meine.“ Isabel nickt ihrem Bruder verständnisvoll zu, zieht ihn dann an sich und die beiden nehmen sich in die Arme. Jetzt fühle ich mich noch unwohler in meiner Haut. Irgendetwas gibt mir das Gefühl, dass ich einen intimen Moment gestohlen hätte, der eigentlich nur den beiden gehören sollte. Ob Justus und ich auch irgendwann so herzlich und liebevoll miteinander umgehen? Uns trennen zwar nicht so viele Jahre, aber ich hoffe, dass es keinen Unterschied machen wird. Obwohl, jetzt da ich darüber nachdenke fällt mir auf, dass ich wirklich keine Ahnung habe wie alt Isi ist. Auch Kevin kann ich vom Alter nicht wirklich einschätzen. Über zwanzig ist er auf jeden Fall, doch wie alt genau, kann ich echt nicht sagen.

Meine Stimme ist unsicher und bebt ein wenig, als ich den familiären Moment weiter störe.

„Soll ich vielleicht lieber gehen?“

Beiden zucken ganz leicht zusammen, als hätten sie vergessen, dass die Person, um die es eigentlich geht, noch im Raum anwesend ist.

Überraschenderweise ist es Kevin, der als erstes antwortet.

Was ist schon perfekt?Where stories live. Discover now