#38-Ein halber Vollblutdrache und mein erster Tag.

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Nach einem kurzen Moment des Schockes, erhole ich mich wieder. Paps hatte uns schließlich gewarnt, auch wenn das nicht wirklich bei mir angekommen war. Vorsichtig schaue ich zu Mama herüber, für die es bestimmt ebenso ein schwieriger Moment sein musste. Fest hält sie Papas Hand umklammert und stützt sich unbewusst, gleichzeitig aber auch ziemlich unbeholfen an seiner Seite ab. Mein Vater jedoch blickt seiner Mutter gefühllos entgegen. Seine Mundwinkel sind zu einem Strich gezogen, auf seiner Stirn bilden sich kleine Falten, des Trotzes. Viele Dinge kann man aus seiner Körperhaltung ablesen, doch eines drängt sich quasi geradezu an die Oberfläche. „Ich bin Erwachsen, und kein kleiner Junge mehr", schreit etwas stumm aus ihm heraus.

Hatte er nicht gesagt, dass es schon eine Versöhnung gab? Anscheint nicht mit der Familie, mit uns! Obwohl wir offensichtlich keine Ahnung haben, weshalb eine Versöhnung überhaupt nötig ist.

Nur Sekunden vergehen, indem sich eine unglaubliche Spannung zwischen ihr und uns aufbaut.

Mit ruhiger und gleichzeitig fester Stimme versucht Paps die Stimmung auf eine andere Seite zu kippen.

„Ma! Wir hatten darüber geredet. Bitte benimm dich!" Weitere Sekunden vergehen, indem meine Großmutter ihren Sohn mit einem intransparenten Blick mustert. Schließlich seufzt sie einmal und tritt einen Schritt zur Seite, um uns Durchgang in ihr Haus zu gewähren.

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„Puhh!", stellt Mama fest als wir drei Stunden später psychisch erschöpft wieder in unser kleines Auto steigen.

„Ich kann mich nur für meine Mutter entschuldigen", erwidert Paps so leise, dass ich es fast nicht gehört hätte, würde nicht wieder diese angespannte Stimmung herrschen.

Ich seufze traurig. Das meine Oma wohl keine typische Herzchen Großmutter ist, hatte ich nach ihrem ersten Satz sehr deutlich zu spüren bekommen. Doch das heißt nicht, dass sie über keine typischen Eigenschaften verfügt.

Denn sie ist so eine richtig typische britische alte Lady. Zum Kotzen vornehm und unglaublich spießig. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass mein spontaner, humorvoller und lebensfreudiger Papa so eine Mutter hat. Wäre ich so richtig fies, würde ich sie mit Umbridge aus Harry Potter vergleichen. Ihr wisst schon, diese fiese alte Schachtel mit den tausend Katzen Bildern und dem Folterfetisch. Doch das wäre schon sehr gemein und so richtig passt das auch nicht, immerhin hat meine Großmutter, die den stolzen Namen Rosemarie McKanzie trägt, keine Katzen. Außerdem hat man in den drei Stunden ihres vornehm eingerichteten Wohnzimmers mit harten Keksen und sehr heißem Tee ebenfalls rausgehört, dass sie kein Vollblutdrache sein kann, denn zwischendurch mischte sich auch ein nettes Wort in ihren Satz.

„Das gute an den drei Stunden ist immerhin, dass Justus kein Wort gesprochen hat.", breche ich die Stille und warte auf einen bissigen Kommentar meines liebreizenden Bruders.

Doch auf einmal fangen Mama und Papa schallend an zu lachen und auch ich muss kichern. Selbst auf Justus verkniffenen Gesicht bildet sich ein schüchternes Grinsen.

„Wie siehts aus Familie? Der Abend ist noch jung und ihr beide fliegt morgen ja schon wieder nach Deutschland. Wollen wir noch irgendwo nett einkehren?"

Wieder brechen wir alle in Gelächter aus, als Paps am Ende seines Satzes die schnöselige Stimme seiner Mutter nachahmt und auch ziemlich gut trifft.

„Na dann mal los!", kichert Mama und wir machen uns auf den Weg.

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Das Klingeln eines sehr brutalen Weckers, weckt mich aus meinem unruhigen vier Stunden Schlaf. Denn heute ist mein erster Schultag an meiner neuen Schule und wie jedes Mädchen in meinem Alter bin auch ich mega, super, krass aufgeregt. Vielleicht auch wegen der Tatsache, dass ich sehr damit rechne heute Jace wieder über dem Weg zu laufen.

Was ist schon perfekt?Where stories live. Discover now