Kapitel 6

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*Triggerwarnung: Das folgende Kapitel enthält Inhalte zum Thema sexualisierte Gewalt. Wenn Du Dich damit nicht wohl fühlst, solltest Du es nicht lesen. Oder lese es zusammen mit einer Vertrauensperson.
Bist Du selbst betroffen, findest Du hier Hilfe: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/kinder-und-jugend/kinder-und-jugendschutz/schutz-vor-sexualisierter-gewalt/hilfs-und-beratungsangebote *


Es war inzwischen Mittwoch, der schlimmste Tag der Woche. Ich hatte weder Mathe noch Kunst, dafür Physik, Ethik, Chemie, Bio und nach der Mittagspause zwei Stunden Sport und zwei Stunden Spanisch. Zur Hölle mit dem, wer sich das ausgedacht hat! 

Zu meinem Erstaunen ging die Zeit vor der Mittagspause recht schnell vorbei. In der Sporthalle angekommen, zog ich mich wie immer in den kleinen Toilettenraum zum Umziehen zurück. Seit ich in der 7. Klasse geoutet wurde, spürte ich eine deutliche Abneigung einiger Jungs. Sie hatten mich plötzlich mit anderen Augen gesehen und sich geschämt, wenn sie sich in einem Raum mit mir umziehen mussten. Als würde ich auch nur einem dieser Vollpfosten etwas wegschauen. Aber mir kam das ganz recht. Da ich immer wieder einen Verband um den Arm hatte und keine Aufmerksamkeit darauf lenken wollte, war es ganz gut, dass ich mich alleine umziehen konnte.

Ich trug eine kurze schwarze Sporthose und ein schwarzes Longsleeve-Shirt. Meine Haare wurden mithilfe eines Gummibands aus meinem Gesicht gehalten. Ich hasste das, aber unser Sportlehrer Herr Schiller bestand darauf. Auch meinen Schmuck musste ich jedes Mal abnehmen, außer meinen Nasenpiercing, den drehte ich nach innen, sodass er nicht mehr sichtbar war. 

Als ich nach unten in die Sporthalle ging, waren die meisten schon da und Herr Schiller wartete ungeduldig: „Wird's bald, wir haben nicht ewig Zeit!" Ich ließ mich nicht beirren und beeilte mich nicht. Gemütlich schlurfte ich zu den anderen. Zu meinem Entsetzen bemerkte ich erst jetzt, dass die Jungs aus der 10d ebenfalls dabei standen. Herr Schiller unterhielt sich, auf ein Klemmbrett zeigend, mit dem Sportlehrer der Parallelklasse, Herrn Neff. 

Das hatte nichts Gutes zu bedeuten. Und zu allem Übel waren auch noch meine besten Freunde in der 10d. Als sie mich entdeckten, bauten die drei sich direkt vor mir auf. „Na Opfer, wie war das Wasser?", grinste Micha mich fies an. Seine hämische Aussage traf mich direkt ins Herz. Wieder dachte ich an meine Herzensarbeit, die er ohne mit der Wimper zu zucken im Stadtbrunnen versenkt hatte. 

Am liebsten wäre ich ihm an die Gurgel gesprungen, doch ich wusste, dass ich keine Chance hatte. Gerade als ich ihm ein „Halt die Fresse!" an den Kopf werfen wollte, pfiff Herr Schillers Trillerpfeife durch die Halle. „Wer hat gesagt, dass ihr hier Kaffeeklatsch abhalten dürft? Auf geht's, zehn Runden rennen zum Aufwärmen! Danach in einer Reihe aufstellen. Wir spielen heute Fußball." Ich seufzte genervt und setzte mich langsam in Gang. 

Ich war zwar keine Sportniete, aber es war eben auch weder Mathe noch Kunst. Während ich gemütlich joggte, wurde ich mehrfach überholt. Unter anderem auch von Timothy. Er trug eine kurze Sporthose und ein kurzärmliges lila Shirt, auf dem in großen gelben Buchstaben 'Lakers' stand. Sein sportliches Aussehen war nicht unbegründet. Ohne dabei angestrengt auszusehen, war ich nicht der einzige, der von ihm überrundet wurde.

Nachdem sich alle nach Luft ringend in einer Reihe aufgestellt hatten, wurden unser Sport-Ass Robin und Leon aus der d-Klasse ausgewählt, um die Teams zu wählen. Leon wählte natürlich als erstes Raffi und Micha in sein Team. Zu meiner Überraschung und unter Protest des restlichen Teams wurde ich direkt als Vierter in Robins Team gewählt. Ich nickte ihm dankbar zu und ging zu den übrigen, die sich immer noch bei Robin beschwerten, warum er mich ins Team gewählt hatte. Ich ignorierte sie. Timothy wurde von Leon ins gegnerische Team gewählt. 

Tristan und Timothy [BxB] - Wenn Bernstein Eis zum Schmelzen bringtWhere stories live. Discover now