Kapitel 45

181 23 178
                                    


Es war inzwischen Montag. Mama hatte mich für diese Woche krankgeschrieben und selbst Urlaub genommen. Maja war gestern wieder abgereist. Ich hatte sie angefleht noch länger zu bleiben, da Mama mir langsam auf die Nerven ging, aber sie musste wieder zum Studium nach Stuttgart. Mama behandelte mich die ganze Zeit wie mit Samthandschuhen, wägte jedes Wort ab, das sie sagte und schaute gefühlt alle zehn Minuten nach mir.

Außerdem musste ich zwar nicht in die Schule, worüber ich froh war, dafür hatte mich Mama heute Morgen schon zu unserem Hausarzt geschleift. Dieser hatte die Schnitte mit besorgter Miene begutachtet, sie frisch verbunden und danach meiner Mum eine Überweisung und eine Liste mit Telefonnummern gegeben, damit ich psychologische Hilfe bekommen konnte.

Nach dem Arztbesuch, setzte sich Mama sofort ans Telefon und rief die verschiedenen Psychiater*innen, Psycholog*innen und Kliniken durch.

Meine Freund*innen schrieben mir währenddessen in der Mindfuck-Gruppe und fragten, was los war. Ich wollte nicht erzählen, was passiert war und behauptete, dass ich mich auf der Ski-Hütte erkältet hätte.

Der Vormittag war nur langsam vergangen und ein paar Minuten, nachdem ich vom Mittagessen wieder nach oben gekommen war, streckte Mama schon wieder den Kopf zur Tür herein.

„Mama, du brauchst wirklich nicht ständig nach mir zu schauen. Ich mache nichts mehr."

„Entschuldige, mein Schatz. Aber du hast Besuch. Timothy ist da. Falls du aber nicht mit ihm reden magst, schicke ich ihn wieder weg."

Bei seinem Namen hatte ich mich sofort aufgerichtet. Mein Herzschlag verdoppelte sich. „Nein!", sagte ich schnell, „er kann reinkommen." Sie lächelte und nickte.

Kurz darauf erschien ein blonder Lockenkopf im Türrahmen. Noch bevor er richtig im Zimmer angekommen war, war ich schon aufgesprungen und ging mit schnellen Schritten auf ihn zu. Dann stand ich vor ihm. Er nahm meine Hände in seine Hände. 

Ich hatte über der Jogginghose nur ein T-Shirt an. Er sah also meine verbundenen Arme. Mit schmerzerfülltem Blick musterte er sie. Dann schaute er zu mir auf. Seine Augen waren mit Tränen gefüllt und auch selbst liefen sie mir schon wieder über die Wangen. Und dann zog er mich endlich zu sich und umarmte mich. Ich erwiderte die Umarmung und klammerte mich an ihn. 

„Es tut mir so leid!", schluchzte ich und krallte meine Finger dabei in sein T-Shirt. 

„Nein, mir tut es leid!" Auch seine Stimme war ganz brüchig. Noch eine ganze Weile standen wir einfach nur da und genossen die lang ersehnte Anwesenheit des anderen. Dann löste ich mich aus seiner Umarmung. 

„Können wir bitte nochmal reden?", fragte er leise. Ich nickte. Während er sich auf mein Bett setzte, schloss ich die Tür und nahm dann neben ihm Platz. 

Sofort nahm er wieder meine Hand in seine. Mein Lieblingsgefühl stellte sich ein und kribbelte durch meinen ganzen Körper. 

„Du hattest recht", meinte er dann. Ich sah ihn neugierig an. „Ich hab mich dir gegenüber schrecklich verhalten und dich damit verletzt. Das tut mir unglaublich leid. Ich dachte, es wäre einfacher, aber ich kann auch nicht mehr ohne dich." Er schaute mich schuldbewusst an und legte dann eine Hand an meine Wange. Seine Augen fokussierten mich und dann sprach er endlich aus, was ich schon lange gefühlt hatte.

„Ich bin in dich verliebt, Tristan." Mein Herz machte einen Aussetzer und die Haut unter meinen Sommersprossen wurde ganz warm. Als er das sah, erschien sein charmantes Lächeln auf seinen Lippen. „Ich auch in dich", antwortete ich ihm und erwiderte seinen nun glücklichen Gesichtsausdruck. 

Tristan und Timothy [BxB] - Wenn Bernstein Eis zum Schmelzen bringtWhere stories live. Discover now