Vollgas und ein alter Romantiker

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Wir verbrachten noch eine ganze Weile im Bett, bis sich dann doch irgendwann der Hunger meldete und wir beschlossen uns etwas zu Essen zu organisieren.
Vorher gingen wir allerdings duschen, getrennt, da wir nicht den gleichen Ruf wie Zayn und Niall haben wollten. Wobei das auch Vorteile hatte. Immerhin gab es hier im Studentenwohnheim nur eine riesige Gemeinschaftsdusche und meine beiden Freunde hatten diese immer für sich alleine. Hatte große Vorteile, aber der Grund dafür, der war dann doch etwas... sagen wir mal - eigen.
Niemand wollte mit den beiden im gleichen Duschraum sein, wenn meine Freunde nackt unter einer Dusche standen. Niemand. Wobei ich sie ziemlich gut verstehen konnte. Der Gedanke daran, nackt mit Harry unter einer Dusche zu stehen... ich würde meine Finger auch nicht bei mir behalten können.
Wir machten uns also fertig und gingen dann durch das Chaos der vergangenen Nacht. Ich würde hier sicherlich nicht aufräumen und auch wenn wir in der Küche vorgehabt hätten etwas zu kochen, wäre es unmöglich gewesen. Überall standen leere Becher und Flaschen und hier und da lagen doch tatsächlich einige Leute herum und schliefen ihren Rausch aus. 
Gut, dass wir eh in das kleine Café in der Stadt gehen wollten.

Die eisige Kälte schlug uns direkt ins Gesicht, als wir das Wohnhaus verließen. Bibbernd zog ich meine Mütze tiefer in das Gesicht und sah dann zu Harry, welcher mir seine in einem Handschuh eingepackte Hand hinhielt. Ich grinste, genoss die Schmetterlinge in meinem Bauch und legte meine Hand in die seine. Nebeneinander und Hand in Hand gingen wir los und ich merkte selbst, dass ich dieses verliebte Grinsen nicht aus meinem Gesicht bekam. Wahnsinn, was so alles innerhalb weniger Wochen passiert war.
"Da ich ja jetzt deine Familie kenne, gehe ich davon aus, dass das mit uns... also... es ist offiziell? Wir sind exklusiv?"
Ich blieb stehen und sah den Lockenkopf an, welcher mich unsicher musterte. Seine Wangen waren von der Kälte gerötet, seine Locken schauten unter einer pinken Wollmütze hervor und er sah einfach bezaubernd aus. 
"Ich dachte, das wäre seit gestern Abend klar?"
Hatte er es nicht selbst gesagt?
"Ja schon"; begann er unsicher und biss sich auf seine Unterlippe.
"Ich weiß nur nicht, ob das auch jeder sehen darf und... naja, wie ernst es dir ist. Immerhin war das heute mit deiner Familie nicht wirklich freiwillig."
"Sun", begann ich und schenkte ihm ein Lächeln. Ich griff nach seiner zweiten Hand und drehte ihn, sodass er direkt vor mir stand.
"Wenn ich es meiner Familie nicht hätte sagen wollen, dann hätte ich sie abgewimmelt. Sie sind zwar ein nerviger, neugieriger Haufen, aber wenn ich meine Privatsphäre haben möchte, dann akzeptieren sie das. Und wenn es nach mir geht, dann kann die ganze Welt sehen, dass ich dich absolut hinreißend finde. Hinreißend und verdammt heiß."
Die Wangen des Lockenkopfes wurden noch roter und das Kribbeln in meinem Bauch stieg an. "Und ich würde es sehr gerne exklusiv und offiziell machen, wenn du das dann auch möchtest."
Sofort nickte mein Gegenüber und nun erschienen endlich die wundervollen Grübchen wieder auf seinem Gesicht. 
"Dann bist du jetzt offiziell mein Freund?", wollte er wissen und trat einen Schritt näher. "Es wäre mir eine Ehre", hauchte ich und überbrückte die letzten Zentimeter, um ihn zu küssen. 

Wenig später betraten wir das kleine, gemütliche Café und suchten uns einen freien Tisch. Noch war nicht sonderlich viel los, doch das würde sich sicherlich in spätestens einer Stunde ändern. 
Wir hatten gerade unser Frühstück bekommen, als die Stühle neben uns zurückgeschoben wurden und ich in die Gesichter meiner Freunde sah.
"Na sieh mal einer an", kicherte Niall und schnappte sich direkt einen Streifen Bacon von meinem Teller. "Da hatten wir wohl den gleichen Gedanken."
Empört schlug ich ihm auf die Hand, die schon wieder nach einem Streifen Bacon greifen wollte, dann schnellte mein Blick zu Zayn, der mich entschuldigend angrinste. 
"Die Küche im Wohnheim ist das reinste Chaos und wir müssen dringend essen."
"Haben wir gesehen. Deswegen sind wir hier", erklärte Harry und winkte die Kellnerin zu uns an den Tisch. Aus trauter Zweisamkeit wurde anscheinend nichts. 

Meine Freunde bestellten sich ebenfalls etwas und während wir auf das Essen warteten, nippte ich an meinem Kaffee.
"Also... darf man euch gratulieren?", wollte Zayn wissen und nahm nebenbei dankend seinen Tee entgegen, welchen die Kellnerin gemeinsam mit Nialls Latte Macchiato und Orangensaft an den Tisch brachte. Sofort legte sich mein Grinsen wieder auf die Lippen und ich spürte Harrys Fuß unter dem Tisch, welcher sich zwischen meine Füße schob.
"Okay, der Blick sagt alles", kam es kichernd von Niall. "Herzlichen Glückwunsch."
Ich wartete, doch als Niall nichts weiter sagte, zog ich meine Stirn in Falten und bekam ein leises Lachen seinerseits. "Was?"
"Mehr nicht? Kein dummer Spruch?"
Der Ire grinste, schüttelte seinen Kopf und sah erst Harry, dann mich an. "Nein. Wenn sich so etwas Zartes entwickelt und daraus Liebe wird, dann ist es ein wundervolles Geschenk, welches man genießen und sich darin verlieren sollte. Über so etwas macht man keine dummen Sprüche oder Witze."
Sprachlos sah ich den Iren an und auch Harry sah zu meinem Kumpel, vollkommen baff und vielleicht ein wenig überfordert. 
"Ich glaube, das war das Klügste, was ich jemals von dir gehört habe", gab er zu und ich nickte. Irgendwie aus der Bahn geworfen.
"Hey, auch wenn es keiner glauben mag, aber in mir steckt ein alter Romantiker."
Zayn schnaubte und damit war der Zauber vorüber. 

Das Essen kam und wir widmeten uns wieder der Nahrungsaufnahme. Doch Nialls Worte hallten in meinem Kopf wieder.
Von Liebe konnte man noch nicht sprechen. Dafür war es viel zu früh.
Aber es fühlte sich absolut richtig an. Vielleicht würden wir es schaffen. Wer wusste schon, was in der Zukunft auf uns wartete, aber der Gedanke daran, dass gemeinsam mit Harry herauszufinden war nicht so abschreckend, wie bisher in meinem Leben. 
Mit ihm schien es irgendwie Sinn zu ergeben. Der Gedanke an eine gemeinsame Zukunft schreckte mich nicht ab und das hieß schon eine ganze Menge.
"Hättest du Lust mich am Wochenende zu begleiten?", kam es leise von Harry und ich hob meinen Blick. Fragend sah ich ihn an, die Grübchen schon wieder auf seinem Gesicht.
"Zu meiner Familie. Meine Mutter feiert doch ihren Geburtstag und da ich deine Familie bereits kenne, dachte ich, dass du meine auch kennenlernen solltest. Wenn dir das nicht zu schnell geht, versteht sich."
Seine Familie kennenlernen?
So schnell?
Sollte man gleich so Vollgas geben?
War das richtig?
Aber dann wieder... was war schon richtig und falsch?
Gab es ein zu schnell?
Sollte man es nicht so machen, wie es sich richtig anfühlte?
"Ich würde sehr gerne mitkommen."

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