Irrenhaus und Männersachen

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"Louis, bitte. Das tut bestimmt weh."
"Ach, das wird schon gehen."
"Aber das zieht doch sicherlich."
"Bestimmt nicht so doll."
"Louis, Schatz, deine Schwester hat recht. Du solltest den Armen erlösen."
Schmunzelnd sah ich erst meine Mutter an, dann meine Schwester, ehe ich zu meinem Freund herüberging, welcher auf dem Fußboden saß und sich von meinen beiden anderen Schwestern die Haare flechten ließ.
"So ihr Quälgeister, ihr hattet Harry jetzt lange genug. Jetzt bin ich wieder dran."
Schmollende Gesichter sahen mich an, doch ich war nach all den Jahren immun gegen diesen Ausdruck. Ich schnappte mir Harrys Hand, zog ihn auf die Beine und besah grinsend seine neue Frisur. "Hübsch siehst du aus, Sun."
"Lou, das ist unfair. Harry hat mir noch nicht die Fingernägel lackiert."
Doris sah mit ihrem neuen Fläschen Nagellack zu uns auf und ich merkte, dass Harry dabei war einzuknicken. Er brauchte noch viel Übung, um gegen diese kleinen Monster immun zu werden.
"Später, Doris. Harry braucht jetzt eine Pause."

Ich schloss meine Zimmertür hinter uns ab, als wir endlich alleine waren. Lächelnd fuhr ich mit meinen Fingern durch Harrys Haare, löste die Frisur meiner Schwestern und hauchte meinem Freund einen Kuss auf die Lippen.
"Willkommen im Irrenhaus."
Harry lächelte, nahm meine Hände und verschränkte unsere Finger miteinander.
"So schlimm ist es auch nicht."
"Wir sind erst seit drei Stunden hier. Warte die Zeit ab."
Kopfschüttelnd zog mein Lockenkopf mich an sich, sah mir einen Moment in die Augen und küsste mich dann. Seufzend lehnte ich mich ihm entgegen, nahm nur zu gerne diesen wundervollen Kuss entgegen und spürte, wie seine Hände sich auf meine Taille legten.
"Ich finde es toll hier", hauchte er leise, küsste mich noch einmal und zog mich dann zu meinem Bett, auf welches wir uns nebeneinander fallen ließen.
Arm in Arm kuschelten wir uns aneinander und ich genoss die Fingerspitzen, welche durch meine Haare kraulten. 
"Du hast Zayns Regeln tatsächlich befolgt", stellte ich fest und neigte meinen Kopf, damit ich ihn ansehen konnte. "Nagellack für Doris, Schokolade für Daisy und Phoebe... Lottie hat nur einen Blick gebraucht und war zufrieden und meine Mutter und Mark scheinen dich ebenfalls zu mögen. Fehlt nur noch die letzte Regel."
"Hm?"
"Was hat Zayn dir gesagt? Welche Regel wollte er dir unter vier Augen sagen?"
Diese Frage spukte mir schon die ganze Woche im Kopf herum, doch bisher hatte ich noch keine Gelegenheit, ihn danach zu fragen. Doch anhand Harrys Grinsen wusste ich, dass ich auch jetzt keine Antwort bekommen würde.
"Du wirst schon noch sehen", hauchte er leise, kraulte weiter meine Haare und ließ mich somit unwissend. "Ich könnte dich auf Sexentzug stellen, damit du es mir verrätst."
Harry lachte. "Und dich damit selbst bestrafen?"
Mist, da hatte er recht. Ich war ebenso süchtig nach seinem Körper, wie er nach meinem.
Sexentzug war definitiv keine Lösung. 
"Ich-" - "LOU!"
Lautes Hämmern gegen meine Zimmertür unterbrach Harrys und meine Zweisamkeit.
Genervt verdrehte ich meine Augen.
"Lou, mach auf!"
"Lass ihn rein, Love."
"Miese, kleine Plagegeister."
Entnervt stand ich auf und öffnete meine Zimmertür. Ernest drängte sich an mir vorbei, verschränkte seine Arme vor der Brust und sah erst zu Harry, dann zu mir.
"Harry muss jetzt mit mir mitkommen."
"Ach? Und wohin?", wollte ich wissen und beobachtete Harry dabei, wie er nun ebenfalls aus dem Bett krabbelte.
"Wir müssen wichtige Männersachen machen."
"Männersachen?"
"Ja, davon hast du keine Ahnung."
Empört sah ich meinen kleinen Bruder an, ignorierte Harrys leises Lachen und sah dann fassungslos dabei zu, wie Ernest nach Harrys Hand griff und diesen dann aus meinem Zimmer zog. Harry schenkte mir ein belustigtes Lächeln, zuckte dann mit seinen Schultern und ließ sich von meinem Bruder entführen.
Toll. Durfte ich meinen Freund nicht mal wenigstens eine halbe Stunde für mich haben?

"Na, mein Schatz, hat Ernest seinen Willen bekommen?"
Ich rollte mit meinen Augen, lehnte mich dann mit dem Hintern gegen die Arbeitsplatte und sah meiner Mutter dabei zu, wie sie Kartoffeln in kleine Würfel schnitt.
"Er will Männersachen machen. Ich habe anscheinend davon keine Ahnung", motzte ich und verdrehte erneut meine Augen. Irgendwo aus dem Esszimmer hörte ich Mark lachen. "Willkommen in meiner Welt, Louis!"
"Sie lieben Harry jetzt schon, Schatz. Gönn es ihnen."
"Ja", nickte ich und schnappte mir ein Stück Paprika. Ab Sonntag hatte ich Harry wieder für mich alleine. Zumindest soweit, wie es in einem Studentenwohnheim ging.
"Es war nie komisch", erklärte ich, begann dann die Zwiebeln zu schneiden und sah mit einem kurzen Seitenblick zu meiner Mutter.
"Mit Harry, meine ich."
Meine Mutter hielt inne, sah mich an und runzelte ihre Stirn. "Inwiefern?"
"Naja, weil er ein Mann ist. Aber es war irgendwie nie komisch."
Meine Mutter schnitt weiter und auch ich widmete mich wieder den Zwiebeln.
"Als wir auf dem ersten Date waren und auch als wir das erste Mal Händchen hielten... kuscheln... das alles war vollkommen normal."
"Das ist doch wundervoll, Schatz."
"Ja, aber ich warte noch immer auf meine Identitätskrise. Müsste es mich nicht vollkommen aus den Socken hauen, dass Harry keine Frau ist?"
"Ich denke nicht", erklang auf einmal Lotties Stimme neben mir. "Ich glaube, du wusstest es schon eine ganze Weile und wolltest es einfach nur nicht wahrhaben."
"Dass ich auch auf Männer stehe?"
Lottie sowie meine Mutter nickten. 
"Und es muss sich nicht zwangsweise seltsam anfühlen. Wenn es sich richtig anfühlt, dann ist es richtig", sagte meine Mutter und schenkte mir ein Lächeln. 
"Und das mit Harry fühlt sich richtig an, das können wir alle sehen", fügte sie hinzu und Lottie nickte zur Bestätigung. 
"Ist es für euch denn nicht komisch?"
"Dass Harry keine Frau ist? Nein."
Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
"Solange du glücklich bist, ist es egal, welches Geschlecht dein Partner hat. Und du bist glücklich, also sind wir es auch."

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