Alle Jahreszeiten

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Es war erschreckend, wie natürlich sich die Beziehung mit Harry anfühlte.
Die ersten beiden Tage hatte ich gedacht, dass uns alle schräg ansehen würden, doch dem war nicht so. Niemand schien sich für uns zu interessieren. Wir waren nicht das Klatsch-Thema Nummer Eins und was sollte ich sagen? Ich fand es gut.
Seit wir unseren Beziehungsstatus besprochen hatten, hatten wir zudem keine Nacht mehr getrennt voneinander verbracht und auch das fand ich mehr als nur gut. Ungewohnt, da ich doch sonst das alleine Schlafen mehr als willkommen hieß, aber mit Harry- nun, da war das alles irgendwie anders.
Vorzugsweise schliefen wir in meinem Zimmer, es war einfach ruhiger und man musste keine Angst haben, dass Niall mitten in der Nacht gegen die Wand krachte. Von den Geräuschen aus dem Nebenzimmer mal abgesehen.
Und so kam es, dass ich vor lauter Schmetterlinge im Bauch kaum mitbekam, wie schnell es Freitag wurde.

"Wir fahren doch nur über das Wochenende", witzelte Harry und betrachtete meinen Koffer belustigt. Ich hingegen fand das alles andere als lustig.
"Ich habe doch keine Ahnung, was ich anziehen soll. Ich kenne deine Mutter nicht und will für alles gewappnet sein."
Was war denn, wenn wir schick essen gingen? Oder wenn es plötzlich wieder warm wurde und ich nur dicke Kleidung dabei hatte. Oder wenn es noch kälter wurde? Und welche Schuhe sollte ich anziehen? Meine Vans? Die waren nicht annähernd schick genug für ein Restaurant.
"Du stresst dich viel zu sehr. Meine Mutter ist cool. Sie rennt selbst den ganzen Tag in Jogginghose herum, wenn sie keinen Termin hat."
Ich nickte, doch was war, wenn sie sich von dem Freund ihres Sohnes etwas anderes wünschte? Vielleicht einen Anzugträger? Jede Mutter wollte doch nur das Beste für ihre Kinder, oder?
"Das reicht, Love. Du hast für jede Jahreszeit und jeden Anlass Kleidung dabei. Wenn du noch mehr einpackst, dann brauchst du einen zweiten Koffer und dann findet dich meine Mutter ganz sicherlich seltsam. Immerhin bleiben wir nur zwei Nächte."
Oh Gott!
War mein Koffer zu groß?
"Na komm. Schnapp dir deine Jacke und dann fahren wir endlich los."

Die Fahrt dauerte eine knappe Stunde und ich wurde von Sekunde zu Sekunde immer nervöser. Ich hatte noch nie die Eltern einer meiner Freundinnen kennengelernt. Beziehungsweise meines Freundes. Das war neu. Beides. Freund und Eltern kennenlernen.
Natürlich wollte ich einen guten Eindruck machen, das war ja kaum verwerflich, aber wenn ich mich nicht bald selbst ein bisschen beruhigte, würde ich sicherlich einen Herzinfarkt bekommen, noch bevor ich Harrys Mutter überhaupt die Hand schütteln konnte.
"Da wären wir", erklang die Stimme meines Freundes und ich besah das Haus, welches vor uns erschien.
Ein schönes, kleines Einfamilienhaus mit gepflegten Vorgarten und einem Meer aus Blumen. In der Auffahrt standen zwei Autos. Ein kleiner Mini-Cooper und ein knallroter Fiat 500.
"Gemma scheint auch schon da zu sein."
Meine Nervosität stieg an.
Harrys Schwester hatte ich bis jetzt gekonnt ausgeblendet. Ihren Freund hatte ich ja bereits kennengelernt und das Aufeinandertreffen war im Nachhinein ziemlich peinlich für mich gewesen.
Kaum hatte Harry den Wagen geparkt und den Motor ausgestellt, öffnete sich auch schon die Haustür und eine junge, braunhaarige Frau erschien breit grinsend im Türrahmen. Unverkennbar Harrys Schwester. Sie hatten dieselben Grübchen.
"Endlich!", rief sie, als wir unsere Koffer aus dem Kofferraum geholt hatten und uns auf den Weg zum Eingang machten. "Scheiße, hast du mir gefehlt!", rief sie und schmiss sich im selben Augenblick in die Arme meines Freundes.
Lachend ließ er seinen Koffer fallen und fing seine Schwester auf. Bei dem Anblick der beiden ging mein Herz auf und einmal mehr vermisste ich meinen Chaoshaufen zu Hause. Ich musste wirklich dringend zu ihnen fahren und sie besuchen. Vielleicht würde Harry mitkommen. Meine Geschwister würden sich zwar auf ihn stürzen wie wilde Tiere, aber das würde er schon überleben.
"Und du musst Louis sein."
Lächelnd wollte ich ihr die Hand reichen, doch die Braunhaarige dachte gar nicht daran, mir die Hand zu schütteln. Stattdessen zog sie mich einfach in eine dicke Umarmung und lachte leise, gab mich wenige Sekunden später wieder frei und boxte ihrem Bruder in die Rippen.
"Einen so guten Geschmack hätte ich dir gar nicht zugetraut."
"Gemma, bitte bring deinen Bruder nicht in Verlegenheit."
Sofort ging mein Blick zur Eingangstür, in welcher nun eine ältere Frau stand, die gleichen Augen wie Harry und unverkennbar seine Mutter.
"Hi Mom."
Erneut wurde sich umarmt, ehe Harry mich an sich zog und seine Mutter anlächelte.
"Das ist Louis."
Erneut wollte ich meine Hand reichen, doch wieder wurde ich dem Temperament der Familie Styles ausgesetzt und stattdessen in eine weitere Umarmung gezogen.
"Willkommen in unserer Familie Schatz. Nenn mich bitte Anne und habe keine Hemmungen. Fühl dich hier wie zu Hause."
"Und ich bin Lucas, aber wir kennen uns ja schon."
Meine Wangen färbten sich rot und schnell nickte ich, fuhr mich unsicher durch meine Haare und wollte irgendetwas Kluges zu meiner Verteidigung sagen, doch Lucas kam mir zuvor.
"Und da du ja jetzt keine Angst mehr haben musst, dass ich dir deinen Freund ausspanne, kannst du mir sicherlich auch ein Lächeln schenken."
Sofort nickte ich, lächelte und merkte im nächsten Moment Harry neben mir.
"Ärgere ihn nicht. Er war halt eifersüchtig."
"Das habe ich gesehen", lachte er und zwinkerte mir zu, drehte sich dann wieder zu Gemma und ging gemeinsam mit ihr zurück in das Innere. Anne sah ihnen einen Moment nach, dann drehte sie sich zu uns um.
"Geht doch die Koffer hochbringen und dann kommt in die Küche. Ich habe extra gebacken."

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