25. Das Geheimnis hinter Mew

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Ich hatte das Glück, dass tatsächlich einige der Halbstarken, die sich an Katsuras Arena versuchten, brauchbare Wasserpokémon dabei hatten. Es gelang mir, ein Quaputzi vom Gürtel seines Trainers zu greifen und mit dessen Hilfe nach Alabastia zu surfen. Zugegeben, ich benötigte Bishas Hilfe, um das fremde Pokémon von meinen Trainerqualitäten zu überzeugen, aber zumindest kam ich endlich von dieser dummen Insel weg. Ich brauchte dringend etwas, mit dem ich fliegen oder teleportieren konnte. Mit einem volleren Team hätte ich vielleicht auch damals Chancen gehabt, ein Stipendium für die PokéTec zu erhalten, um Arenaleiter werden zu können. Aber das lag sechs Jahre zurück.

Heute blieb mir dafür bestenfalls der lange Weg, mich von der Liga anerkennen zu lassen. Und auch der schied aus, immerhin war ich jetzt Mitglied von Team Rocket. Die Liga würde mit Sicherheit keinen Verbrecher zu einem ihrer Arenaleiter ernennen.

Ich erreichte Prismania am Abend nach Einbruch der Dunkelheit. Die Spielhalle war berstend voll, es gab keinen Automaten, der nicht belegt war und die Menschen drängten sich in den Gängen. Das Klingeln und Blinken der Pachinkos, die Rufe, die Musik, alles dröhnte in meinem Kopf. Die Arbeit in Johto war so ruhig gewesen, dass ich das Treiben in der Spielhalle völlig vergessen hatte. Ich drängte mich durch die Schlangen derer, die auf einen freien Automaten warteten, grüßte knapp die beiden Brüder am Tresen und verschwand in der Doppelwand. Hier war der Lärm gedämpfter, einzig die Musik konnte ich noch klar wahrnehmen. Ich betätigte den geheimen Schalter, trat durch die Tür und folgte den Treppen ins erste Untergeschoss. Das Büro des Bosses erreichte ich nur über den Aufzug. Eine reichlich gefährliche Idee, sollte der Aufzug aufgrund von Feuer oder Erbeben beschädigt werden. Vor dem Büro standen zwei höherrangige Rüpel, die mich jedoch nach einer Vorstellung hinein ließen.

Der Boss wartete auf dem orangeroten Sofa hinter dem Konferenztisch. Das musste seine Lieblingsfarbe sein, scheußlicher Geschmack. Neben ihm stand ein aufgeklappter Laptop, das Licht des Displays spiegelte sich auf den Wangen des Mannes. Er nickte mir zu, als ich eintrat, dann deutete er auf einen der Stühle neben dem Tisch. »Du bist spät.«

Ich wühlte mich durch die unglaubliche Anzahl eingetopfter Bäumchen zu dem Stuhl und setzte mich. Ich verzichtete auf eine Antwort.

Sakaki stellte den Laptop auf den Tisch, so, dass ich auf den Bildschirm sehen konnte. Eine Grafik zeigte die Typverteilung der bisher bekannten Pokémonarten, sowie eine Tabelle der Stärken und Schwächen. Die Zeile »Psycho« und die Spalte »Geist« waren markiert. Der Boss lehnte sich auf dem Sofa zurück. »Doktor Fuji hat uns einen sehr wichtigen Hinweis geliefert. Verstehst du ihn?«

Was war das, eine Prüfung? Wie konnte ich den Hinweis mit dieser Hilfestellung nicht verstehen?

Ich nickte. »Wenn es sich bei dem Gegner um einen Psychotyp handelt, helfen uns Geisttypen weiter. Dasselbe gilt für Käfer.«

»Und den theoretischen Typ Unlicht. Ich sehe, dass du als Trainer einige Erfahrung hast.«

»Als Kind wollte ich Arenaleiter werden.«

Ein flüchtiges Lächeln huschte über das Gesicht des Bosses. Er lehnte sich wieder nach vorn, die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt. »Wie weit bist du mit der Legende um die Legendären und ihre Wächter vertraut, Jotaka?«

»Toyoshi hat mir einige Dinge erklärt.« Ich wiederholte, was mir von der Rede des Vorstands im Kopf geblieben war. »Was ist auf der Zinnoberinsel eigentlich vorgefallen? Ich dachte, es hätte ein Erdbeben gegeben?«

»Das ist die offizielle Version. Wir können noch niemanden erfahren lassen, was in den Labors eigentlich getan wird. Ansonsten verschwindet unser Vorteil gegen die Fahnder völlig. ›Projekt Mew‹ diente der Erschaffung eines künstlichen Legendären, um kurzzeitig die negativen Effekte auszugleichen, die durch den Wegfall des eigentlichen Elementwächters entstehen.«

Ich runzelte die Stirn. Um ehrlich zu sein, verstand ich kein Wort von dem, was er mir sagte. Trotzdem zwang ich mich zu einem Nicken.

Sakaki schien die Zweifel nicht zu bemerken. Er fuhr fort: »Unglücklicherweise erwies sich der Klon, oder sagen wir die verbesserte Version, von Mew als nicht kontrollierbar. Wir waren noch damit beschäftigt, den Fehler zu finden und auszubessern. Ich habe mir viel von Vicious' Erfindung erhofft, aber er hat die Bälle nicht rechtzeitig fertigstellen können. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als den Klon ausfindig zu machen und an einen normalen Ball zu binden. Selbst, wenn uns das beim Vorgehen gegen die Fahnder nicht helfen wird, können wir wenigstens den Schaden in Grenzen halten.«

Ich betrachtete die beiden Grafiken. »Sie suchen also nach einem starken Geist-Pokémon?«

»Das ist mein erstes Ziel, ja. Im besten Fall eines, welches keine Schwäche gegen ein Psycho- Pokémon aufweist. Mewtu, der Klon, wird schwer zu schwächen und noch schwerer mit einem normalen Ball zu fangen sein. Er ist nach den Parametern realer Legendärer Pokémon und mit den Fähigkeiten Mews erschaffen worden. Mew gilt als eines der ersten Pokémon überhaupt und soll noch keinerlei Spezialisierung in irgendeiner Weise entwickelt haben. Die Theorie besagt, dass es in der Lage sei, alle Attacken zu erlernen.« Sakaki zuckte mit den Schultern. »Soweit haben wir es mit dem Klon nicht bringen können. Wir benötigten neben dem Genmaterial Mews auch noch eine Basis. Andere Psychopokémon. In dieser Hinsicht ist Mewtu spezialisierter, was es aber nicht weniger gefährlich macht.«

»Ich, ähm, verstehe?«

Der Boss unterdrückte ein Lachen. »Deine Aufgabe ist es nicht, zu verstehen. Ich will, dass du von Fuji die Unterlagen zu Geistpokémon besorgst. Zusammen mit dem Gerät, das Geister sichtbar machen soll. Es ist ein Prototyp der Silph, an dem er parallel zu ›Projekt Mew‹ gearbeitet hat.«

Ich stand auf und nickte, dann wandte ich mich zum Gehen. Ehe ich die Tür erreichte, blieb ich jedoch stehen und sah mich noch einmal zum Boss um. »Woher wissen Sie über die Legenden Bescheid?«

Sakaki lächelte. Er griff seinen Laptop und versteckte sich hinter dem Bildschirm, anstatt zu antworten.

Verborgene LegendenWhere stories live. Discover now