18. Akio

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Wahrscheinlich blieb es bei dem Anfang, jedenfalls gab es seit meinem Gespräch mit Toyoshi keine weiteren Vorfälle. Er kümmerte sich um seine Arbeit und darum, Lavados irgendwie aus diesem Amulett zu befreien, und ich kümmerte mich um meinen Job in der Spielhalle. Wie üblich stand ich zusammen mit Tsutsumi oder einem seiner drei Brüder hinter dem Tresen, gab Münzen für die Automaten aus und beobachtete das Geschehen. Hin und wieder mussten wir einige Kinder verscheuchen, die versuchten, älter zu erscheinen als sie waren und in den schlimmsten Fällen hatten wir es mit den Psycho-Betrügern zu tun. An einem meiner Nachmittage fiel mir eine besonders hartnäckige Person auf, die mit ihrem Simsala vor dem Eingang zur Spielhalle stand und immer wieder durch die Tür lugte.

Umi deutete mit dem Kopf in seine Richtung. »Kannst du dich darum kümmern? Ich muss dieses verdammte Teil zum Laufen bringen.« Er schlug gegen den neuen Kassencomputer. Nicht fest, aber fest genug, dass der Bildschirm auf dem Rechner einige Millimeter zur Seite tanzte.

Ich umrundete den Tresen und stapfte durch die Spielhalle auf die Tür zu. Ich wartete, bis der nächste Gast eintrat, um dann meinen Fuß zwischen Tür und Rahmen zu stellen und nur meinen Kopf und meine Schulter nach draußen zu schieben. Ich lächelte den jungen Mann vor mir an. Er musste sich etwa in meinem oder Toyoshis Alter befinden, seine blonden Haare wellten sich auf seinen Schultern und seine blassgrünen Augen erwiderten fröhlich meinen Blick. Trotz der schäbigen Kleidung wirkte er nicht wie einer der Automatenbetrüger. Ich hielt mein Lächeln aufrecht, aber meine Stimme war eisig. »Wenn Sie spielen wollen, sollten Sie reinkommen.«

Er deutete auf das kleine Schild am unteren Rand der Tür. »Ich fürchte, ich muss meinen Freund draußen lassen. Und ich könnte es nicht verantworten, wenn ihm etwas zustoßen würde.«

Ich wandte den Blick von dem Strahlemann ab und musterte das Simsala, welches sich nicht für uns zu interessieren schien. Von Westen her zogen dunkle Wolken in unsere Richtung. Heftige Windstöße brachten den Geruch von Regen mit sich. »In einem Pokéball stellen Psychopokémon kein Problem dar. Auch nicht in der Spielhalle.«

»Kanto hat das Geld recht nötig, hm? Aber ich kann meinen Partner nicht in einen Ball sperren. Er mag es nicht gern.«

»Dann sollten Sie von hier verschwinden.« Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich ab. Im Gehen fiel mir die Formulierung des Fremden auf. Ich drehte mich herum. »Und was soll das heißen, dass Kanto das Geld nötig hat?«

Der junge Mann lächelte flüchtig, winkte seinem Simsala zu und schob sich an mir vorbei ins Innere der Spielhalle.

Ich war zu perplex, um auf diese Frechheit schnell genug zu reagieren. Mein Blick folgte seiner Bewegung und ich schnappte wie ein gestrandetes Karpador.

Er und sein Pokémon gingen geradewegs auf den Tresen zu.

Ich schloss die Tür und stapfte ihnen eilig hinterher, hielt aber inne, als ich sah, wie der Fremde und Umi sich begrüßten.

Der junge Mann klopfte meinem Kollegen freundschaftlich auf die Schulter, beide strahlten sich an und waren überhaupt von Anfang an auf freundschaftlicher Basis miteinander.

Hatte ich was verpasst? Was wurde hier eigentlich gespielt?

Umi sah auf und winkte mich näher. Er deutete auf den Strahlemann. »Ich glaube, ihr kennt euch noch nicht. Das ist Akio aus Dukatia City. Er ist einer der Top Agenten. Jedenfalls behauptet er das immer. Das Simsala ist Furu.« Umi beugte sich über den Tresen. Er deutete mir an, mit meinem Kopf näher zu kommen, damit er mir zuflüstern konnte. »Wenn du mich fragst, glaube ich, dass Furu der Top Agent ist.«

»Ich kann euch hören.« Akio wandte sich zu mir um. »Und die reizende Dame ist wer?«

Ich richtete mich wieder auf. »Jotaka.«

Das Simsala trat aus dem Schatten seines Trainers. Es musterte mich. »Strafarbeit in der Spielhalle oder einfach niedriger Rang?«

»Eh?« Ich starrte es an. Furu, oder wie sein Name war, konnte sprechen. Nicht wie ein Mensch, aber wie die Legendären mit mir reden konnten. Ich hörte ihn in meinem Kopf. »Bitte was?«

Umi kicherte verlegen. »Vielleicht hätte ich erwähnen sollen, dass Furu sehr speziell ist? Ich glaube, er ist das intelligenteste Pokémon, das je jemand zu Gesicht bekommen hat.«

»Jedenfalls das menschlichste.« Akio schüttelte den Kopf. Er deutete auf den Zugang zur hohlen Wand. »Aber deshalb sind wir nicht hier. Ist der Boss da?«

»Ich habe keine Ahnung.« Umi zuckte mit den Schultern. »Aber vermutlich nicht. Er ist in letzter Zeit echt selten hier. Aber wenn es nichts Großes ist, kann dir Yoshi vielleicht weiterhelfen. Oder Akida. Beide sind unten.«

»Gut. Danke. Komm, Furu!« Akio und sein Simsala betraten den Bereich hinter der Theke und waren im Begriff, im Geheimgang zu verschwinden.

Ich starrte ihnen immer noch fassungslos nach. Ein sprechendes Simsala. Ein ganz normales Pokémon, welches die menschliche Sprache beherrschte und zudem überhaupt kein Benehmen hatte. Und noch dazu befand es sich nicht in der persönlichen Sammlung des Bosses oder bei irgendeinem reichen Kunden. Es lief frei hinter seinem Trainer herum. Wie Bisha. Ich schüttelte den Kopf.

Verborgene LegendenWhere stories live. Discover now