28. Die Wahrheit hinter den Legenden

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Als wir den Vertania Wald erreichten, war es bereits nach Mitternacht. Ich verabschiedete mich von Sakaki und begab mich in den Schlafraum der Rüpel. Am nächsten Morgen suchte ich den Boss direkt in seinem Büro auf.

Er hatte einen dunklen Schatten um die Augen und sein Gesicht wirkte älter als sonst. Wobei das trügen konnte, da er heute wieder diese Geschmacksverirrung von einem Zitrusfruchtanzug trug. Snobilikat lag in einem Korb in einer der hinteren Ecken des Raumes und schlief.

»Guten Morgen, Jotaka.« Der Boss gähnte hinter vorgehaltener Hand. Er deutete auf zwei weiße eckige Sessel, die um einen runden Wohnzimmertisch gruppiert waren. »Setz dich. Ich glaube, es wird Zeit, dich über einige Dinge aufzuklären, ehe wir mit dem Plan weitermachen. Ich glaube, ich habe eine bessere Idee als ›Projekt Mew‹.«

Ich nickte. Die Sessel waren erstaunlich bequem, angesichts ihrer ungewöhnlichen Form. »Worum genau geht es?«

Sakaki wartete, da in diesem Moment ein Rüpel eintrat. Er stellte zwei Tassen und eine Kanne Kaffee auf den Tisch, dann ging er wieder, ohne sich zu verabschieden. Der Boss schenkte sich die Tasse randvoll ein, ehe er mir von dem Getränk anbot.

Ich schüttelte den Kopf.

Sakaki hob die Tasse zum Mund. Etwas Kaffee schwappte über und hinterließ einen braungelben Fleck auf seiner Anzughose, den er jedoch nicht weiter beachtete. Nachdem er einen Schluck getrunken hatte, begann er endlich mit seiner Erklärung. »Toyoshi sagte mir, dass er dir von den Fahndern erzählt hat, und vom Gleichgewicht der Kräfte. Dass sich die Wächter verteilen müssen, um sich nicht gegenseitig zu schwächen.«

Ich nickte.

»Die Fahnder versuchen, mit Hilfe der Legendären die Kontrolle über die Vorgänge der Welt zu erlangen. Die menschlichen Wächter sind vermutlich die einzigen, die sie dabei aufhalten können. Unglücklicherweise sorgt die räumliche Nähe der menschlichen Wächter für eine Schwächung der legendären Pokémon. Diese sollten sich, dank ihrer Macht, normalerweise nicht einfach einfangen lassen. Schon gar nicht in normalen Vorrichtungen. Über Jahrhunderte hinweg war das Gleichgewicht allein dadurch gesichert, dass selbst ein geschwächter Legendärer niemals hätte an einen Pokéball gebunden werden können. Aber die Zeiten haben sich geändert. Hochentwickelte Pokébälle haben die alten Apricocos abgelöst und die Firmen entwickeln die vorhandenen Typen immer weiter. In der Silph werden Prototypen eines sogenannten Meisterballs getestet, der jedes Pokémon einfangen kann, ganz gleich welcher Stärke.«

»Stammen dort die Pläne des Dark Balls her?«

Der Boss nickte. »Andere Firmen spezialisieren sich in andere Bereiche. Bälle für bestimmte Typen oder bestimmte Umgebungen, damit einem Pokémon gar nicht auffällt, dass es gefangen wurde. Was für einen normalen Trainer nützlich ist, kann von den Fahndern jedoch für ihre Zwecke missbraucht werden. Und sie sind geschickt, denn sie scheinen erst eine Seite des Gleichgewichts einzufangen. So schwächen sie die beiden anderen zusätzlich.«

»Wie meinen Sie das?«

»Laut Toyoshis Berichten sind Lavados und Entei in die Fänge unserer Gegner geraten. Vulkane, Erdbeben, Feuer. Ich gehe davon aus, dass auch die anderen Wächter dieses Elementes gefährdet sind. Allen voran Ho-Oh, als oberste Instanz der Wärme.« Sakaki sah an mir vorbei. Er nahm einen weiteren Schluck Kaffee. »Du scheinst der elektrischen Kraft zugeordnet zu sein, dem Element,

welches sich am Schwierigsten fassen lässt. Die Wächter kontrollieren trockene Gewitter und Stürme. Alles, was dem Ausgleich der Kräfte dient. Toyoshi kommuniziert mit den Wächtern des Wassers, der erhaltenden Macht.« Er stand auf, durchmaß den Raum und blieb dann neben einer Topfpflanze an seinem Schreibtisch stehen. Er schwieg eine Weile, ehe er sich umdrehte. »Das Feuerelement ist mir zugeordnet. Die zerstörende Macht, die gebärende Macht.«

Ich unterdrückte ein Kichern. Gebärende Macht und ein Mann, der sie kontrollieren sollte, hatten ihre ganz eigene Komik. Aber ich verstand, worauf er hinaus wollte. Zudem konnte ich nicht behaupten, dass mich seine Offenbarung überraschte. Tief in mir musste ich bereits geahnt haben, wer er war. »Sie sind also auch ein Wächter?«

Er kehrte zu seinem Platz zurück. »Ja, ich bin auch ein Wächter. Bei meinem Plan, die Fahnder mit Hilfe eines künstlichen Legendären zu täuschen, habe ich meine eigentliche Aufgabe in diesem System vernachlässigt. Ich hoffe, dass ich ihr noch nachkommen und den Schaden begrenzen kann.«

»Wieviele Legendäre gibt es?«

Sakaki schüttelte den Kopf. »Das wissen wir nicht. Nicht alle Pokémon, die in den Legenden der Länder auftauchen, sind tatsächlich Wächter der Naturkräfte. Wir wissen nicht einmal, wie Pokémon überhaupt zu diesen Wächtern werden. Hier, im Indigo-Gebiet, scheint sich alles auf Ho-Oh zurückführen zu lassen. Aber wenn man sich die anderen Gebiete anschaut, muss es eine andere Ursache geben. Sowohl die Wächter Sinnohs als auch die Hoenns haben wenig mit Ho-Oh zu tun.«

»Wie werden wir weiter vorgehen?«

»Wir werden, gemeinsam mit Toyoshi, nach Johto aufbrechen. Ho-Oh wird in Teak City verehrt und hat dort seinen Rückzugsort. Meine Aufgabe ist es zum einen, ihn zu schützen und zum anderen erhoffe ich mir einige Antworten. Beispielsweise darüber, wo sich Entei aufhält.«

»Was ist mit dem seltsamen Amulett, in dem Lavados gefangen ist?«

»Ohne Vicious ist es nicht möglich, es aufzubrechen. Wir haben sonst niemanden im Team, der sich mit Pokéball-Mechanismen auskennt.« Sakaki seufzte tief. »Und ich kann das Amulett nicht den Forschern der Silph übergeben. Nicht, ohne Fragen aufzuwerfen, die ich nicht beantworten möchte.«


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