1. Jos Plan

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Ich stand in Orania City an die östliche Wand des Fanclubs gelehnt und ließ meinen Blick über den großen Platz vor der Arena schweifen. Der leichte Seewind trug den Geruch von Salz und Wasser mit sich, sowie die Geräusche der Schiffe und Menschen im Hafen. Bisha, mein treues Bisasam, zupfte mich mit einer seiner Ranken an meinem T-Shirt. Er deutete auf die Straße, die vom Hafenvorplatz zum Digdatunnel führte. Mein Blick folgte seiner Geste. Zwischen all den Passanten, Matrosen und Touristen, fiel mir ein Reiter ins Auge. Er lenkte sein Galoppa durch die Menschenmenge, die sich um diese Tageszeit in der Nähe des Hafens sammelte. Ich folgte der auffälligen Gestalt mit den Augen, ohne meinen Platz zu verlassen. Bisha gab aufgeregte Geräusche von sich. Ich nickte. Er hatte ein gutes Gespür für starke Trainer und starke Trainer bedeutete starke Pokémon. Und starke Pokémon wiederum ließen sich teuer verkaufen. Nat würde sich über einige neue Waren sicher freuen. Ich lächelte in mich hinein, löste mich von der Wand und bahnte mir meinen Weg durch die Menschen, die zum Hafen strömten, um dem jungen Mann zu folgen, der in die entgegengesetzte Richtung unterwegs war.

Als wir den Reiter soweit eingeholt hatten, dass ich erkennen konnte, ob es sich um eine Gefahr handelte oder nicht, schickte ich Bisha voraus, um ein oder mehrere Pokémon von ihm zu ergattern. Ich selbst zog mich währenddessen zwischen zwei Häuser zurück, die sich in der Nähe des Stadtrandes an der Grenze zur ewigen Baustelle befanden. Dass dieser alte Mann immer noch glaubte, ein Haus nur mit Hilfe eines Machollo hochziehen zu können. Ich schüttelte den Kopf, zwängte mich in die Gasse und beobachtete von hier aus Bishas Vorgehen. Vermutlich wäre ein Pokémon, welches sich unsichtbar machen konnte, eine bessere Option gewesen, aber ich besaß kein solches. Und ich würde auch niemals ein Ditto trainieren wollen. Ich konnte mir keinen gruseligeren Partner vorstellen.

Bisha näherte sich seitlich dem Gallopa, gegen den Wind und im Schatten der umliegenden Häuser. Er schnupperte in der Luft herum, suchte offensichtlich nach etwas. Ich kannte seine Manöver gut genug, um sein Verhalten als Schauspiel zu entlarven. Aber er spielte es so gut, dass ich mir sicher war, dass niemand sonst es erkannt hätte. Als er dicht genug an den Reiter herangekommen war, wickelte er eine Ranke von seinem Rücken und ergriff mit ihr einen der Pokébälle, die der Reiter in einer Satteltasche verstaut hatte. Ehe der junge Mann oder das Gallopa etwas bemerkten, zog sich mein treues Bisasam zurück und verschwand in der Menge.

Ich wartete einen Moment, ehe ich mich aus meinem Versteck löste und bahnte mir meinen Weg zurück zum Pokémonfanclub.

Bisha wartete bereits auf mich und streckte mir seine Beute entgegen, als ich ankam.

Ich nahm ihm den Ball aus der Ranke und betrachtete ihn eingehend. Es handelte sich nicht um einen der normalen Pokéballtypen und auch nicht um einen Apricocoball, wie ihn die Ökojunkies aus Johto nutzen. Der Ball wirkte, als hätte man ihn aus einer Reihe schwarzer Metallstreben gefertigt, die nichts als ein Kraftfeld zwischen sich hatten. Einzig der Öffnungsmechanismus ließ mich erkennen, dass es sich tatsächlich um einen Pokéball handelte. War der Reiter ein Mitglied der Silph-Koorperation, der neue Prototypen testete? Ich schüttelte den Kopf. Der Ball war kein Silph-Prototyp. Wäre dem so, hätte er sicher irgendwo ein Symbol der Firma. Und der Reiter wirkte nicht exotisch genug, um für eine andere Firma zu arbeiten. Ich schnappte nach Luft und sah Bisha entgeistert an. »Weißt du, was du getan hast? Bist du wahnsinnig geworden?«

Mein Bisasam legte den Kopf schief. Er blinzelte.

Ich griff mir an die Stirn. »Der Kerl muss ein Rocket sein. Das ist 'ne Nummer zu groß für uns, glaube ich. Nat wird uns in der Luft zerreißen, wenn er davon erfährt.« Die Arkani-Gang, für die ich arbeitete, und Team Rocket waren Rivalen in dieser Stadt. In ganz Kanto, um genau zu sein. Wir konnten es uns nicht leisten, einen von ihnen auf uns aufmerksam zu machen. Auch wenn es reizvoll war, die Technologie dieses Balles zu kopieren. Mit Sicherheit konnte dieses Ding einiges mehr als die üblichen Bälle, die man in den Märkten kaufen konnte. Ich seufzte. »Lass uns das Vieh zurückbringen und hoffen, dass er nichts bemerkt hat.«

Bishas Blick war resigniert.

Ich lächelte, beugte mich zu ihm und tätschelte seinen Kopf. »Du bist ein guter Junge. Aber das ist ein wenig zu ehrgeizig gewesen.« Ich warf mich zurück in die Menge und erkämpfte mir meinen Weg zum Stadtrand. Bisha blieb an meiner Seite, aber ich konnte während des ganzen Weges sein unzufriedenes Schmatzen hören.

Verborgene LegendenWhere stories live. Discover now