13. Kapitel

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Ich war bescheuert.
Es war Freitagabend und ich sass alleine zu Hause, weil ich so gütig war und meinen Brüdern erlaubte feiern zu gehen.
Eigentlich verstand ich nicht, warum sie jedes Wochenende feierten. Es konnte doch nicht sein, dass immer jemand Geburtstag hatte, um eine Party zu schmeissen.
Oder vielleicht feierten sie, weil sie wieder eine Woche hinter sich hatten.

Ich wusste es nicht!

Jedenfalls langweilte ich mich zu Tode. Ich hatte genug gelernt und am Klavier hatte ich auch schon gesessen.
Da fiel mir ein, dass ich seit Ewigkeiten nicht mehr an meiner Lebensgeschichte geschrieben hatte.
Sofort kramte ich alle Schreibutensilien aus der Schublade und schrieb fleissig weiter.

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Plötzlich hörte ich durch meine offene Zimmertür, wie die Haustür unten laut ins Schloss fiel und wie mehrere Typen unser Haus betraten.
Es hörte sich an, als wären die Typen irgendwie nervös. Oder in Panik?
Moment! Wie spät war es denn überhaupt? Schliesslich kamen meine Brüder erst um 4:00 Uhr Morgens wieder nach Hause. Vielleicht waren da unten Einbrecher!
Aber wenn das Einbrecher wären, dann wäre die Alarmanlage schon längst losgegangen und die Polizei würde schon vor Ort sein, ehe ich überhaupt kapiert hätte, was genau passierte. Also schloss ich diese Theorie aus und schaute auf die Uhr. Ich erschrak. Es war bereits 2:36 Uhr! Hatte ich wirklich so lange geschrieben? Es kam mir vor, wie eine oder zwei Stunden, aber dass es gleich vier waren erstaunte mich sehr.

Ich liess alles auf meinem Schreibtisch liegen und schlich aus meinem Zimmer. Leise tapste ich die Treppe herunter, bis ich endlich hören konnte, was die Typen sprachen. Es war schwer, die Worte zu entziffern, da sie eindeutig betrunken oder zumindest angetrunken waren. Jedenfalls merkte ich schnell, dass meine Brüder dabei waren.
„Sie ischt die einzige, die ihm helfen kann! Wir schind doch alle zu beschoffen, um überhaupt noch eine Glasch Wasscher gerade halten zu können", hörte ich Dylan sagen
„Nati darf das nocht erfahre! Sie würd uns töten!", hörte ich Meik sagen.
Da wurde ich zu neugierig und ich trat um die Ecke ins Wohnzimmer, wo sich sechs Typen versammelt hatten.
„Was darf ich nicht erfahren?"
Meine vier Brüder und Jacob sahen mich geschockt an. Aber der sechste Typ erhielt meine vollste Aufmerksamkeit.
Ethan lag halb bewusstlos auf unserer Couch und hatte eine Platzwunde an der Unterlippe, eine oberhalb seiner Augenbraue und ein blaues Auge.

„Was mascht denn das hässchliche Entschlein bei öch?", fragte Jacob meine Brüder verwirrt.
Ich ging auf ihn zu und sagte:„Weisst du, Jacob, wir kennen uns gar nicht persönlich. Ich bin der Todesengel und entscheide gerade, ob ich jemanden von euch jetzt dann gleich mitnehmen werde oder nicht. Also schlage ich dir vor, die Klappe zu halten und dich einfach mal hinzusetzen, während ich mein Urteil fälle."
Jacob sah mich geschockt an, nahm aber brav auf einem Sessel platz. Der war so dermassen betrunken, dass er das morgen sowieso wieder vergessen hatte.
Ich drehte mich zu Ethan um, der wie eine zerquetsche Fliege da lag.
„Was ist mit ihm passiert?", fragte ich die Jungs, während ich in die Küche ging und das Erste Hilfe-Set holte.
„Esch gab eine klene Prügelei", sagte Mason schnell.
„Klein ist gut. Und ausserdem sehe ich, dass er sich gebrügelt hat. Also bitte etwas genauer?" Ich drückte die Jungs zur Seite und kniete mich neben Ethan und schaute als erstes, wie gross die Verletzungen waren.
„Nun ja... Es ging um Drogen. Und.. Ähem.."
„Spucks schon aus Aiden!", forderte ich ruhig, wandte meinen Blick aber nicht von Ethans Gesicht, der langsam zu sich zu kommen schien.
„Um dich", flüsterte Aiden, aber ich konnte es genau hören. Ich drehte mich zu meinen Brüdern.
„Was soll das denn heissen: Um mich?!"
„Keine Ahnung! Als wir von der Droscherei erfuhren, waren wir damit beschäftig, sie auseinander zu bringen. Ich habe nur noch mitgekriegt, dass sie deinen Namen fast brüllten."
„Ich bin jedenfalls froh, dass wenigstens du nicht all zu betrunken bist!"
Ich drehte mich wieder zu Ethan, der mich jetzt mit seinen warmen braunen Augen ansah.
„Nati?", fragte er verwirrt.
„Nein, Mann! Dasch der Todesengel!", schluchzte Jacob von seinem Sessel.
„Halt die Klappe oder ich entscheide mich, dich mitzunehmen!", drohte ich ihm und er schwieg wieder.
„Die Wunden sind nicht tief, sie müssen nicht genäht werden", sagte ich mit meiner besten ärztlichen Stimme - ich konnte sie schon ziemlich gut, was nicht erstaunlich war.
Ich versorgte seine Platzwunden und holte noch einen Kühlbeutel für Ethans Auge.
„Okay, das wars. Was machen wir jetzt mit den beiden? Vor die Tür stellen können wir sie nicht und ihr habt eigentlich alle zu viel getrunken, um sie nach Hause zu fahren."
„Na dann bleiben sie eben hier. Wir können ihnen die beiden Gästezimmer geben", sagte mein zweitältester Bruder schulterzuckend.
Ich seufzte.
„Na gut. Dylan, Aiden ihr bringt Jacob in das Gästezimmer auf eurem Stock und wir stecken Ethan in das auf unserem Stock.

Als die Jungs endlich alle in ihren Betten lagen und bereits schnarchten, spielte ich die liebe, fürsorgliche, kleine Schwester und stellte bei allen noch ein Glas Wasser und zwei Aspirin Tabletten ins Zimmer. Sogar bei Jacob und Ethan. War ich nicht ein wahrer Engel? Also ein richtiger Engel. Nicht Todesengel.
Egal!

Ich stellte das Glas mit den Tabletten auf den kleinen Nachttisch und wollte gerade wieder gehen, als sich Ethan in seinem Bett regte.
„Nati?"
Ich drehte mich zu ihm um.
„Ja?"
„Du bist es also wirklich. Bleib bei mir!", flehte er schon fast.
„Ethan. Du bist ziemlich betrunken. Schlaf jetzt."
Da fing er an zu schluchzen.
Einen Augenblick zögerte ich, dann ging ich zu ihm und kniete mich neben das Gästebett.
Ethan legte seine Hand an meine Wange und sagte:„Du musst auf dich aufpassen! Er will dich!"
'Okey... Jetzt wirds verrückt!'
„Ist gut. Ich pass auf mich auf. Mir passiert schon nichts", sagte ich so beruhigend, wie ich in diesem Moment eben konnte.
'Wer will mich? Weiss er von meiner Krankheit? Meint er, dass der Tod mich will? Nein. Das ist nicht möglich! Niemand konnte ihm davon erzählt haben.'
„Ich gehe jetzt schlafen", flüsterte ich und nahm seine Hand von meiner Wange. Ich wollte aufstehen, doch er hielt mich fest.
„Nein! Bleib!"
Seufzend kniete ich mich wieder hin.
Ich wusste keinen anderen Ausweg, als zu summen und zu warten, bis er endlich einschlief.

Keine 10 Minuten später schlich ich in mein Zimmer und fiel in mein wunderbares Himmelbett. Ein Blick auf mein Handydisplay verriet mir, dass es 3:35 Uhr war.

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Alive - Wie er mir half zu lebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt