45. Kapitel

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Natürlich verstand sie es schlussendlich nicht.

In der Mittagspause beklagte sie sich lautstark:„Aber warum müsst ihr dieses Projekt denn noch einmal machen?! Du kannst nicht zulassen, dass Ethan einfach so bestimmt, wann ihr euch trefft! Immerhin waren wir doch bereits verabredet!"
Seufzend strich ich mir eine Haarsträhne aus der Stirn. „Das habe ich dir doch bereits erklärt. Wir sind sowas von durchgesemmelt und als 'Strafe' müssen wir es noch einmal machen! Da ich keine Lust habe noch ein weiteres Mal durchzufallen, werde ich einfach mein Bestes geben, damit wir uns verstehen und dieses Projekt bestehen. Das kann ja wohl kaum so schwer sein!"
Roxie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Was?!", fuhr ich sie etwas zu grob an.
„Du magst ihn! Deshalb dieses ganze Tam-Tam!"
„So ein Quatsch!" Ich zeigte ihr den Vogel. „Ich habe einfach keine Lust, dass ich wegen einem blöden Projekt in Sozialkunde durchfalle!"
Roxie lachte sarkastisch auf. „Ist klar!"
„Na Mädels? Alles klar bei euch?", meldete sich Logan, der gerade erst dazu kam und drückte Roxie einen Kuss auf die Wange.
Ich ging gar nicht auf ihn ein und meinte:„Das brauche ich jetzt echt nicht! Ich dachte du würdest es verstehen. Aber da lag ich wohl falsch!" Ich nahm mir meine Tasche und stand auf, um die Cafeteria zu verlassen. Kaum hatte ich die Tür erreicht, hörte ich Roxie lautstark hinterherschreien:„Ich weiss genau, dass du ihn magst!"
In der Schulkantine wurde es urplötzlich ganz leise und ich drehte mich ruckartig zu Roxie um. Diese grinste mich böse an und ich bemerkte, wie alle Blick auf mir lagen. Ich hörte, wie jemand am Tisch der Beliebten losprustete. Erschrocken musste ich feststellen, dass es mein lieber Bruder Dylan war! Na der konnte zu Hause was erleben!
Wo konnte man Juckpulver, Kleister und Federn nochmal kaufen?
Egal! Ich hatte jetzt gerade andere Probleme, denn ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss.
Einige Cheerleader begannen ebenfalls zu lachen, wie auch der Rest des Footballteams. Ausgenommen waren dabei Aiden, Meik und Mason, die versuchten die anderen wieder zu beruhigen. Und Ethan. Er sah eher wütend als amüsiert aus. Ich konnte sehen, wie er seine Hände auf dem Tisch zu Fäusten geballt hatte.

Mit gesenktem Blick machte ich auf dem Absatz kehrt und eilte nach draussen auf den Schulcampus. Das war richtig gemein von Roxie! Aber irgendwie hatte sie doch Recht. Ich konnte mich doch nicht einfach von einem Typen herumkommandieren lassen, nur weil er zu arrogant war, um sich selbst einmal einer Situation anzupassen! Ausserdem hatte dieser Typ krasse Stimmungsschwankungen, die mir langsam aber sicher auf den Geist gingen.

Ich würde ihn dazubringen nach meiner Pfeife zu tanzen!

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

Nach meiner letzten Stunde erwartete mich Ethan bereits auf dem Parkplatz an seinem Auto gelehnt.
„Einsteigen!" Das war das Einzige, was ich von ihm zu hören bekam.
Gerade eben wollte ich ihn doch dazubringen, nach meiner Pfeife zu tanzen und kaum höre ich seine Stimme und spüre seinen eindringlichen Blick auf mir, wurde ich schwach und tat, was er verlangte. Wie konnte so etwas bloss passieren?

Auf dem Weg zur Bucht redeten wir kein Wort miteinander. Da mir ziemlich langweilig war, erlaubte ich mir Ethan etwas zu betrachten.
Er sah genau so gut aus wie immer.
Ich konnte unter seinem rechten Auge eine leichte Schwellung erkennen, doch wusste nicht, ob ich es mir nur einbildete. Es könnte schliesslich auch bloss das Licht gewesen sein.
'Und wenn schon? Vielleicht hat er sich geprügelt. Er ist schliesslich der Babdoy der Schule! Das kann durchaus vorkommen.'
Ich wusste ja zu gut wie das war. Mit meinen vier Exemplaren der selben Sorte zu Hause war es nicht anders.
„Mach ein Foto, das hält länger!", meinte er plötzlich, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Darüber sollte ich eigentlich froh sein, da ich gerade so rot wie eine überreife Erdbeere anlief.
„Weisst du, dass das der absolut lahmste und älteste Spruch ist, den Jungs bringen können? Den kennt ja sogar noch meine Oma, obwohl man zu ihrer Zeit noch keine Fotos machen konnte. Glaube ich... Mit Geschichte habe ich es nicht so!", zickte ich etwas, verschränkte die Arme vor der Brust, drehte mich zum Fenster auf meiner rechten Seite und begann zu schmollen. Ethan neben mir lachte bloss, während er den Wagen parkte und ausstieg. Als er bemerkte, dass  ich seinem Beispiel nicht folgte, kam er auf meine Seite und öffnete die Beifahrertür.
„Was ist? Kommst du jetzt?", fragte er gespielt genervt, doch ich bemerkte genau, dass ihn die Situation amüsierte. Schmollend drehte ich mich von ihm weg.
„Ach komm schon! Wo ist die beleidigte Leberwurst?" Und als ich wütend zu ihm starrte, rief er freudig hinzufügend:„Da ist die beleidigte Leberwurst!"
Ich streckte ihm die Zunge heraus und drehte mich wieder um.
„Nur weil dir etwas peinlich ist und du so rot wie eine Totmate anläufst, musst nicht gleich so beleidigt sein!", lachte er. Ich mochte sein Lachen. Sehr sogar!
Ohne mich umzudrehen, meinte ich:„Ich laufe nicht rot wie eine Tomate an! Wenn ich rot anlaufe, dann so rot wie eine überreife Erdbeere! Tomaten mag ich nämlich gar nicht!"
Lachend beugte er sich über mich, löste den Sicherheitsgurt und hob mich aus seinem Wagen. Er liess mich nicht einmal meckern, da warf er mich auch schon über die Schulter und rannte mit mir über den Strand.

Kreischend baumelte ich mit einem ansehlichen Ausblick auf seinen Hintern über seiner Schulter hin und her. „Lass mich auf der Stelle runter!", schrie ich in der Hoffnung, dass er möglicherweise gehorchen würde. Aber Ethan wäre nicht er selbst, wenn er mich wirklich runtergelassen hätte.
Er rannte immernoch über den Sand.
Einen Moment! Wo Strand und Sand war, war auch ein Meer! Ich hob meinen Kopf und musste geschockt feststellen, dass ich sein Auto sehen konnte, was bedeutete, dass das Meer direkt hinter mir lag! Es war verdammtnochmal Januar! Dass Wasser war ohne Surferanzug viel zu kalt!
Ich begann noch wilder herumzustrampeln als vorher. „Ethan! Lass. Mich. Runter!"
Er hörte noch immer nicht hin. Leider hörte ich auch schon das platschen des Wassers, als volle Kanne reinpreschte.
Als es ihm nicht mehr möglich war zu rennen, watete er noch weiter ins Wasser hinein, bis es auf der Höhe seiner Hüfte war. Bei mir war es also etwa auf Bauchnabelhöhe. Ich stütze mich mit den Armen auf seiner Hüfte ab, damit mein Kopf und möglichst meine Haare nicht ins Wasser kamen.
„Weisst du was?", fragte ich nun etwas nervös. „Wenn ich ehrlich bin, gefällt es mir hier oben eigentlich ganz gut! Du kannst mich ruhig noch etwas hier lassen. Das geht schon!"
Nach einer kurzen Pause, in der ich hoffte, dass er es sich noch einmal überlegte, lachte er und während er „Nope!" schrie, warf er mich mit einem lauten 'Platsch' ins kühle Nass.

Hustend und keuchend tauchte ich wieder auf, worauf Ethan einen Lachanfall bekam. Eingeschnappt spritze ich ihm eine Ladung Wasser ins Gesicht. Jetzt war er derjenige, der hustete und keuchte und ich diejenige, die einen Lachanfall erlitt. Das Ganze war der Start für eine riesengrosse Wasserschlacht, in der ich so ziemlich alles abbekam.
Nach einer Weile kehrten wir zurück an den Strand, wo wir uns in den Sand legten und uns von der schwachen Abendsonne trocknen liessen.
„Weisst du eigentlich, dass man aus dir nicht schlau wird?", fragte Ethan aus heiterem Himmel.
„Weisst du, dass ich genau das Selbe sagen könnte?", war das Einzige, was ich darauf erwiderte.
Darauf folgte ein kurzes Schweigen, bis Ethan es ein weiteres Mal brach:„Ich habe gehört, dass an diesem Wochenende die Wellen wahnsinnig geeignet sind. Wie wärs, wenn wir dann unseren Wettbewerb starten?"
Ich drehte mein Kopf zu ihm und nickte. „Ich kann zwar nicht glauben, dass du immernoch gegen mich antreten willst. Immerhin hast du so gut wie verloren!", lachte ich. „Das werden wir ja sehen!"
Wieder schwiegen wir einen kurzen Augenblick, bis ich das Schweigen brach:„Ich werde meine Brüder als meine Unterstützung mitnehmen. Du kannst meinetwegen deine anderen Badboys noch mitnehmen, die dich nach deiner Niederlage trösten können."
„Dann darf ich aber noch zusätzlich jemanden mitnehmen, denn deine Unterstützung besteht aus vier Typen, meine sonst nur aus drei!", wand Ethan ein. Auf meine Anspielung mit dem Trösten ging er gar nicht erst ein.
Da dieses Thema für mich beendet war, startete ich ein neues:„Wie geht es Rylie?"
Das Lächeln, das gerade eben noch Ethans Lippen geziert hatte, war wie weggefegt.
Mit einem elganten Sprung sprang er auf die Füsse und meinte in kaltem Tonfall:„Es wird spät. Ich bringe dich nach Hause." Dann lief er los, ohne auf mich zu warten.

'Verdammt!'

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

Ich hoffe es gefällt euch ;)

Alive - Wie er mir half zu lebenWhere stories live. Discover now