64. Kapitel

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Wieder einmal sass ich in Emily's Home fest. Jetzt war ich schon seit vier Tagen wieder in meinem alten zu Hause und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass alles war wie vorher. Da ging es uns doch allen gut! Wieso also musste es ausgerechnet so kommen?
Dadurch hatte ich jetzt wohl die Liebe meines Lebens verloren..
Ethan war mit seinen Freunden noch am selben Tag zurück nach Kalifornien gefahren, als ich hier aufgewacht war. Ab diesem Tag waren dafür Mum und Dad hier angekommen. Natürlich freute ich mich wahnsinng, dass sie da waren, aber niemand von ihnen konnte die Lücke in meinem Herzen füllen, die Ethan bei seiner Abreise verursacht hatte.
Atlanta hatte ebenfalls entschieden, dass sie früher von ihrem Auslandsjahr zurückkehren wollte, um mir beizustehen. Auch darüber freute ich mich sehr, doch sie war trotzdem nicht Ethan.

Meine Brüder lenkten mich wunderbar ab, doch unsere Eltern hatten sie bereits gestern dazu verdonntert, zurück zu gehen, um das Schuljahr noch zu Ende zu machen.
Ich für meinen Teil wurde für den Rest des Jahres von der Schule genommen.
Das war ja eine grandiose Leistung. Mein erstes Jahr an einer öffentlichen Schule endete damit, dass ich wieder von der besagten Schule genommen werden musste.
So verbrachte ich die Tage allein in meinem Zimmer und starrte aus dem Fenster. Natürlich hätte ich etwas mit den anderen Kindern machen können - mit Abygail. Doch ich schämte mich einfach zu sehr, als dass ich ihnen hätte unter die Augen treten können.
Aby hatte recht, als sie sagte, ich wäre der Hoffnungsschimmer aller anderen hier in Emily's. Ich hatte nämlich genau das geschafft, was sich alle hier erträumten: Ich konnte auf eine waschechte High School!
Mr. Jenks hatte mir gesagt, dass die anderen oft nach mir fragten. Wie es mir ging und weshalb ich das Zimmer nicht verliess.
Umbringen wollte ich mich zwar nicht mehr, aber das hiess noch lange nicht, dass ich wieder glücklich war. Um ehrlich zu sein wusste ich nicht einmal mehr, wann ich das letzte mal pures Glück empfunden hatte...

Mr Jenks hatte ausserdem meinen Eltern die Angst genommen, die sie seit meines Selbstmordversuches nicht mehr losliess: Ob ich Depressionen hatte. Die Antwort war Nein, ich hatte keine Depressionen. Keine Ahnung was es sonst war. Mr. Jenks hatte es mir erklärt, doch während dieser Sitzung war ich mit den Gedanken nur bei Ethan.

Was meine Gesundheit betraf, war John ziemlich zuversichtlich. Er hatte angeordnet, dass ich für die nächsten drei Wochen das Wunder nicht mehr nehmen sollte, sodass ich einen Rückfall hatte.
Ja ganz genau! Mein Arzt wollte, dass ich einen Rückfall erlitt! Er meinte jedoch, dass er nicht warten würde, bis ich halb tot war, bis wir es wieder mit dem selben Medikament versuchen würden.
'Wie gnädig!'
Er hoffte - wie wir anderen auch -, dass es noch ein zweites Mal anschlagen würde. Er vermutete einfach, dass mein Körper für eine kurze Zeit eine Pause brauchte.
Für mich machte das alles absolut keinen Sinn, aber wenn er fand, dass das logisch war, dann vertraute ich ihm.

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

Es war ein langweiliger Tag wie der davor und dieser vor dem davor. Ich spielte auf meinem Handy herum - schweren Herzens ignorierte ich die SMS und Anrufe meiner beiden besten Freunde -, bis mir langweilig wurde und ich mir auf Youtube einge Videos anschaute. Plötzlich stach mir einen Song ins Auge, den ich kannte. 'Titanium' von David Guetta.
Ich überlegte einen Moment, weshalb mir der Song so bekannt vorkam, dann, als mein Blick zu meinem Klavier glitt, fiel es mir ein: Ich hatte gelernt ihn zu spielen nach meinem vor drei Jahren Rückfall.
So wollte ich meiner Krankheit klar machen, dass sie mir nichts anhaben konnte. (Es hatte damals nicht wirklich funktioniert.)
Doch jetzt verspürte ich den Drang, vors Klavier zu sitzen und meiner Krankheit einmal richtig zu zeigen, wo der Hammer hing.
Ich stand von den bequemen Bett auf und schlenderte zum Klavier.
Ich setzte mich hin, schob den Deckel nach oben und strich vorsichtig über die Tasten.
Ob ich es noch spielen konnte? Schliesslich war das schon eine ganze Weile her...
Aber war das nicht das Selbe wie Fahrradfahren? Das verlernte man nie. Ich zuckte mit den Schultern. Probieren ging über studieren.

Alive - Wie er mir half zu lebenWhere stories live. Discover now