61. Kapitel

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„Ach ja, denkst du?", fragte Ethan spöttisch und ich seufzte. „Ich wollte nie, dass du es so herausfindest."
Ethan starrte mich emotionslos an. Wo war denn die Sorge in seinen wunderschönen braunen Augen hin?
Was herausfinden, Natalia? Ich habe gar nichts herausgefunden, ausser dass du mich die ganze Zeit über an der Nase herumgeführt hast!", warf er mir vor und sofort protestierte ich:„Das ist doch nicht wahr! Ich habe dir gesagt, dass ich ein Geheimnis habe, das ich dir irgendeinmal erzählen werde! Tu nicht so, als wäre ich die Böse in diesem Spiel!"
Ich bemerkte wie wir beide aus einer Amöbe einen Elfanten machten, doch hatte ich nicht den Nerv dazu, es zu verhindern oder versuchen es irgendwie rückgängig zu machen.
„Was soll das denn für ein Spiel sein? Du liegst in einer Klinik für totkranke Kinder!"
Ich senkte betroffen meinen Blick. Das wusste er also schon.
„Woher weisst du das?", fragte ich ihn flüsternd.
„Meine Quelle nennt sich 'das Internet'. Wenn mir schon niemand etwas sagt, muss ich mich eben selbst darum kümmern.
Die Jungs wissen es übrigens auch." Ethan verschränkte die Arme vor der Brust und schaute mich trotzig an.
Ich seufzte, doch sagte nichts.

„Also gut, Nati", begann Ethan im Versöhnungston. „Ich frage dich jetzt noch einmal und wäre dir sehr dankbar, wenn du mir eine brauchbare Antwort geben würdest. Okay? Warum liegst du in einer Klinik für totkranke Kinder?"
„Nenn es bitte nicht so. Nenn es Emily's Home oder einfach nur Emily's", wich ich seiner Frage schon wieder aus. Ich wusste, dass es schlussendlich nichts bringen würde. Ich musste es ihm erzählen, doch irgendwie wollten die richtigen Worte nicht über meine Lippen kommen.
„Natalia Ocean!", mahnte mich Ethan.
Jetzt war es soweit.
'Lebwohl du schönes normales Leben! Ich werde dich wahnsinnig vermissen!'
Unfassbar was für eine melodramatische Person ich doch sein konnte.

Mir schossen die Tränen in die Augen und ich sah Ethan in die Augen, als ich ihm alles erzählte. „Ich bin totkrank, Ethan. Ich bin mit einem Gendeffekt zur Welt gekommen, der meinen Stoffwechsel, Farbpigmente und mein Gewebe manipuliert.
Seit meiner Geburt lebe ich in Krankenhäusern und Kliniken.
Anfangs war noch alles ganz gut. Verhältnismässig jedenfalls. Ich war ein glückliches, aufgestelltes Mädchen. Doch dann tauchten plötzlich die Symptome auf...
Mein blodes Haar wurde schwarz, meine ozeangrünen Augen erbleichten und wurden hellblau, mein Körper machte nicht das, was er sollte.
Die Medikamente sind noch nicht so gut erforscht worden, weshalb ich immer als Versuchskanninchen hinhalten musste. Auf der ganzen Welt gibt es nur ganz wenige, die an dieser Krankheit leiden, doch das Schlimmste ist wohl, dass sie alle verschieden sind. Wir alle haben nicht ganz genau die selben Symptome, bloss ein Mädchen in Australien scheint die selbe Krankheit zu haben wie ich.
Davon liess ich mich lange nicht abbringen, doch dann sah ich vor etwa drei Jahren dem Tod direkt ins Auge. Mein Körper wollte die wichtigen Nährstoffe nicht mehr aufnehmen und ich magerte ab, bis ich einen Nahtod erleben musste.
Die Ärzte probierten allerlei Medikamte aus, bis eines anschlug und mich zurück ins Leben holte. Es wirkte jedoch nicht lange und verlor schon bald darauf seine Wirkung. Von diesem Ereignis an war ich nicht mehr die selbe. Meine Lebensfreude schwand und der Unmut meiner Familie wuchs.
Vor etwas weniger als eineinhalb Jahren fanden die Ärzte in Australien ein Mittel, ich nenne es das Wunder, das bei Miriam - dem Mädchen aus Australien - angeschlagen hatte. Also wurde es auch an mir ausprobiert und auch bei mir zeigte es eine überraschende Wirkung. Schnell war klar, dass man wieder Hoffnung schöpfen konnte und siehe da: Ich konnte zur High School!"

Während meiner gesamten Erzählung schwieg Ethan und starrte aus dem Fenster. Ich hielt die Luft an.
Er hasste mich jetzt. Er ekelte sich vor mir und meinem verseuchten Körper. Er fühlte sich belogen und hintergangen.
„Aber warum hast du niemandem an unserer Schule etwas davon erzählt? Oder hast du es Roxie und Logan gesagt?", fragte er und sah mir direkt in die Augen. Ich konnte darin keine Emotionen entdecken.
„Als die Ärzte mir sagten, dass ich eine öffentliche Schule besuchen durfte, dauerte das Schuljahr noch ein halbes Jahr. Natürlich wurden dort alle Schüler über mich und meine Situation informiert, was sich schlussendlich als gravierender Fehler herausstellte.
Sie alle verstiessen mich. Sie wollten mich nicht an ihrer Schule haben, da sie keine kranke Mitschülerin gebrauchen konnten. Sie sagten, ich würde noch alle anderen anstecken und verseuchen.
Deshalb zogen wir nach Kalifornien - um dort ein neues Leben zu starten -. Ohne dass irgendjemand weiss, was mit mir los ist. Wir wollten nicht riskieren, dass das Selbe wie hier in Phoenix passiert", erklärte ich ihm weiter und spielte mit der Bettdecke herum. Ich konnte Ethan jetzt nicht ansehen.

Alive - Wie er mir half zu lebenWhere stories live. Discover now