Sechsundzwanzig

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Caleb stand wie abgemacht um 09.00 Uhr an der Wohnungstür.
"Du hast meinen Schlüssel geklaut", beschuldigte er mich, anstatt mich zu begrüßen.
"Dir auch einen guten Morgen", grüßte ich ihn amüsiert und schloss hinter mir die Tür.
"Außerdem habe ich nur das zurückgenommen, was mir gehört. Der Schlüssel war noch nie deiner", fügte ich mit einem zuckersüßen Lächeln an.
"Der Schlüssel war noch nie deiner", äffte er mich nach, was mich noch mehr amüsierte.
"So ein charmanter Einstieg in unser fünftes Date", gab ich ironisch von mir, was ihn kurz verstummen ließ.
"Stimmt sorry...", entschuldigte er sich peinlich berührt.
"Und das ist nicht nur unser fünftes Date das wird ein Superdate, was gleich als elf Dates durchgeht", informierte er mich dann stolz.
"Alles klar. Na dann leite mal den Weg", antwortete ich schmunzelnd.

"Mademoiselle", gab Caleb in einem französischen Akzent von sich als er mir die Autotür aufhielt.
"Merci beaucoup", bedankte ich mich mit den einzigen zwei Wörtern, die ich auf Französisch außer oui, non, bonjour, Baguette, Quiche und je ne sais pas konnte.

Unser erster Halt war im Wildpark, wo wir während unserem Frühstück Rehe und Hirsche beobachten konnten und was bis auf die nervigen Insekten wirklich schön war.
"Also erzähl mir etwas von dir Caleb Monteiro", fing ich mit dem 0815 Einstiegs-Spruch für jedes Date an.
Normalerweise hasste ich es, wenn mich Typen dazu aufforderten, weil ich nie wusste was ich sagen sollte, aber nun verstand ich warum sie es taten.
Es war ein leichter Einstieg für die Person die fragte.
Caleb hob zunächst belustigt seine Augenbraue ehe er antwortete.
"Hi ich bin Caleb Monteiro, ich bin 22 Jahre alt und ich bin einer der CEOs der M4 Company. Ich habe vier Brüder, nur dass einer von ihnen nicht aus meiner Mutter und meinem Dad entstanden ist. Mein Lieblingsfilm ist König der Löwen, mein Lieblingstier sind Hunde, ich höre Musik nur, wenn ich trainiere und mein Traum ist es einen dressierten Adler zu haben."
"Bemerkenswert", sprach ich grinsend.
"Lass uns bei deiner Familie bleiben. Könntest du mir da genaueres erzählen?", hakte ich nach, weil ich zugegeben nicht wirklich viel über seine Familienverhältnisse wusste.
Sein Gesichtsausdruck wechselte schlagartig. Zuvor hatte er sich noch amüsiert, doch nun schien er sich unbehaglich zu fühlen.
"Eh...klar", sagte er bevor er schluckte.
"Meine Mutter ist bei einem...Autounfall ums Leben gekommen als ich fünf war und mein Vater ist ebenfalls fünf Jahre später gestorben durch einen...Herzinfarkt", sprach er schwer.
Nun verstand ich warum sich seine Laune so schnell geändert hatte. Mir selbst viel es schwer dazu eine Antwort zu finden.
"Und jetzt tun Lorena und Felipe so als wären sie unsere Eltern", fügte er mit einem gezwungenen Lächeln an, um die Stimmung zu lockern.
Nicht wissend, was ich sonst hätte tun sollen, griff ich zaghaft nach seiner Hand und nahm sie mit einem beruhigenden Lächeln in meine.
Er blickte von unseren Händen zu mir und entgegnete das Lächeln diesmal mit einem ehrlichen seinerseits.
"Wir sollten lieber das Zeug zusammenräumen, der zweite Punkt unserer Aktivitätenliste wartet schon", wechselte er das Thema.
Eins war sicher, ich würde heute nichts mehr über seine Familie fragen. Das war ein Thema für einen anderen Tag.

Der zweite Ort an den mich Caleb verschleppte war in etwa zehn minütiger Entfernung zum Wildpark. Es waren die Wasserfälle.
Ich konnte nicht anders als dauerhaft zu grinsen, da es so atemberaubend schön war.
Wir hatten sogar eine Tour zu den Höhlen mit einer Gruppe gemacht.
"Hey, mach ein Bild von mir", forderte ich ihn auf als ich mich vor einen Wasserfall stellte und überreichte ihm mein Handy.
"Stell dich etwas mehr nach links", riet er mir, was ich befolgte.
"Okay, perfekt. Und jetzt Lächeln."
Er knipste ein paar Bilder bevor wir weiterliefen.

Für den nächsten Halt mussten wir zurück in die Stadt fahren.
Caleb hatte uns einen Platz in einem der angesagtesten Restaurants reserviert und ich hätte schwören können, dass ich Robert De Niros Hinterkopf gesehen habe.
"Ich denke deine Mum mag mich", kam es von Caleb als er etwas von seinem Risotto aß.
"Nur, weil du rumgeschleimt hast. Bei meinem Vater hast du keine so guten Chancen, der kann nämlich durch deinen Bullshit sehen", teilte ich ihm mit.
"Bullshit? Das war kein Bullshit. Ich war wie immer", bestritt er es, weshalb ich amüsiert meine Augen rollte.
"Genau."

Im Streichelzoo, wo wir als nächstes waren, hatte ich mich unsterblich in eine Babyziege verliebt.
"Ich wünschte Jolene wäre hier. Sie würde die Ziege für mich klauen", schwärmte ich als ich sie auf meinem Schoß streichelte.
"Ich hasse es hier", murmelte Caleb, den ich die ganze drei-viertel Stunde, in der wir hier waren, ignoriert hatte.
Er weigerte sich bitter die Ziegen anzufassen, weil eine an seinem teuren Jackett genuckelt hatte und er in Ziegen Exkremente getreten war.
Es war also leicht zu erkennen wer eine gute und wer eine schlechte Zeit im Streichelzoo hatte.

Der fünfte Programmpunkt war etwas, was ich in die Top drei meiner schönsten Erlebnisse nehmen würde, direkt nach der Heißluftballonfahrt.
Wir waren zum Body-flying gegangen!
Was wirklich unglaublich witzig, aber auch etwas ungeschickt war, da wir direkt danach beim Abendessen waren und meine Haare einem Vogelnest glichen.
Caleb musste die Reservierung etwas vorziehen, da ich nach drei Stunden wieder Hunger hatte.
Was soll ich sagen? Das Superdate, egal wie spaßig, raubte einem regelrecht die Energie.
Und obwohl ich langsam müde wurde, schlug ich Caleb trotzdem beim Bowlen und blieb sogar im Kino noch wach (lag vielleicht daran, dass der Film so gut war).

Anders als beim letzten Mal hatte Caleb nicht wieder ein Eisstadion gemietet. Nein, diesmal war es ein Eiscreme Shop, wo wir uns mit Eis vollstopfen und alle möglichen Kreationen probieren durften.
Zugegeben, nach dem Abendessen, den Nachos und dem Popcorn im Kino war mir bereits nicht mehr wohl im Magen, aber hielt es mich davon ab mein Gewicht in Eiscreme zu verschlingen?
Nein, nein das tat es nicht.
"Das war bis jetzt das beste Superdate, dass ich jemals hatte", teilte ich ihm glücklich mit.
"Und ehrlich gesagt auch das Einzige", hängte ich dann nachdenklich an.
Die meisten Jungs heutzutage, luden einen nicht mehr auf Dates ein, sondern eher zu Netflix and Chill.
"Na dann bin ich ja froh", antwortete Caleb grinsend und lehnte sich zufrieden zurück.
"Ich habe wahrscheinlich heute 10 Kilo zugenommen", gab ich teils amüsiert und teils besorgt von mir.
Morgen musste ich definitiv auf eine Diät gehen...
Caleb zuckte mit den Schultern.
"Dann gibt es mehr an dir zu lieben", beruhigte er mich.
Meine Augen weiteten sich in Schock, was Sekunden danach von ihm imitiert wurde.
"Ich meinte mögen! MÖGEN!", kam es sofort panisch von ihm und ich konnte nicht anders als in ein schmerzhaftes Gelächter zu verfallen.
Ich wusste nicht woran es lag, dass ich so einen Lachanfall bekam. An meiner Müdigkeit? Dem Zuckerschock? Oder daran, dass Calebs Mimik so lustig war und seine Ohrenspitzen rot angelaufen waren?

Es war Mitternacht als wir draußen auf einem Hügel, eingewickelt in Decken, durch ein Teleskop in den Sternenhimmel blickten.
"Siehst du diese Sternenformation? Dass ist die Jungfrau und da drüben das ist der große Hund", informierte er mich, weswegen ich beeindruckt zu ihm sah.
"Woher weißt du das alles?", hakte ich erstaunt nach.
"Tu ich gar nicht. Ich zeig nur auf irgendwelche Sterne und laber scheiße", gestand er grinsend.
"Du bist ein Wichser", beleidigte ich ihn und schlug ihm dabei belustigt auf den Oberarm.
"Seitdem ich mit dir bin, leider ja", zog er mich lachend auf ehe er mich glücklich zu sich in die Arme zog und mir einen Kuss auf meinen Kopf drückte.
"Idiot", murmelte ich an seinen Brustkorb, was ihn noch mehr amüsierte.

Zum krönenden Abschluss saßen wir bei Caleb auf der Couch und sahen uns König der Löwen an.
Genauer gesagt ich sah es mir an, da Caleb fast am Einschlafen war.
Ich lächelte in mich hinein während ich ihn musterte und mein Herz schlug dabei um einiges schneller.
Konnte es mir wirklich einer verübeln, dass ich mich in den Idioten verliebt hatte?
Sicherlich.
Änderte es etwas an meinen Gefühlen?
Nope.
"Psht, Caleb?", weckte ich ihn sanft.
"Hmm?", kam es nur von ihm.
"Mir ist aufgefallen, dass wenn das Superdate für elf Dates steht und wir davor bereits vier hatten, dass dies unser fünfzehntes Date ist."
"Mhm", nuschelte er, nicht verstehend, wohin ich damit rauswollte.
"Und ich habe gesagt, dass ich dich erst bei unserem fünfzehnten Date küssen werde...", sprach ich in einem nebensächlichen Ton weiter.
Calebs Augen öffneten sich schlagartig und ich fing deswegen an etwas aufzulachen.
"Ich bin bereit", sagte er und setzte sich Energie geladen auf.
Er erinnerte mich in dem Moment an ein übereifriges Kind, was Schokolade bekommen würde.
"Okay, schließ deine Augen", forderte ich ihn auf.
Nachdem er sie geschlossen hatte, lehnte ich mich schmunzelnd vor und legte meine Lippen...auf seine Wange.
"Du bist das Arschloch von uns beid-", wollte er sich gerade beschweren als ich schließlich meine Lippen auf seine legte und ihn somit zum Schweigen brachte.
Mein Herz schlug mir diesmal fast aus der Brust.
Und nachdem wir uns von dem Kuss getrennt hatten und uns gegenseitig in die Augen blickten, wusste ich, was die Autoren in ihren Büchern immer damit meinten, wenn sie einen Kuss als 'magisch' oder 'elektrisierend' beschrieben, denn genau so hatte sich dieser angefühlt.

Arrogance. | ✔On viuen les histories. Descobreix ara