Sechsunddreißig

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"Mädchen sind so anstrengend", beschwerte sich Aaron als er ein Biss von seinem Burger nahm.
"Gar nicht wahr. Jungs sind anstrengender", verteidigte Jolene den Ruf aller Mädchen.
"Ich weiß ja nicht wie es mit anderen ist aber ihr beide seid gleich anstrengend", warf ich schulterzuckend ein, wobei beide synchron scharf die Luft einzogen. "Entschuldige mal-", kam es erneut von beiden gleichzeitig, weshalb sie sich genervt ansahen.
"Halt die Klappe", äußerten sie sich nochmal synchron.
"Nein halt du die Klappe."
"Halt sie fester."
"Ugh."
Nachdem sie die Sätze ebenso gleichzeitig beendet hatten blickten sie mich mit verschränkten Armen böse an.
"Wie gesagt: Gleich anstrengend", gab ich amüsiert von mir und warf mir eine Pommes in den Mund.
"Pissbirne", murmelte Jolene unter ihrem Atem ehe sie sich wieder ihrem Essen widmete.
Wir hatten das Essen zu mir in die Wohnung bestellt, weil ich immer noch keine wirkliche Kraft dazu hatte mich nach draußen zu begeben, aber Aaron und Joe machte das nichts aus, da sie die besten Freunde überhaupt waren. Unser gemeinsames Mittagessen wurde dann jedoch von der Klingel unterbrochen. Verwundert sah ich zu meinen Freunden, die mich ebenso verwirrt anblickten. Etwas unsicher begab ich mich zur Türe, die ich erst öffnete nachdem ich durch das Guck-loch den Postboten erspäht hatte.
"Eine Lieferung für Grace Williams", gab er monoton von sich.
"Vor Ihnen", antwortete ich perplex. Nach einer Unterschrift überreichte er mir das Paket und machte sich dann auf den Weg. Komisch, ich konnte mich nicht erinnern etwas bestellt zu haben...
"Alles okay?", hakte Jolene aus dem Wohnzimmer nach.
"Eh ja...alles gut. War nur der Postbote", versicherte ich ihr und trat ins Wohnzimmer zu ihnen.
"Oh! Ich liebe Pakete! Was hast du dir bestellt?", kam es sofort enthusiastisch von Jolene.
"Bitte sag mir, dass es Duct-Tape ist. Kann mir nicht länger ihre Gelaber über Cody geben", bettelte Aaron hoffnungsvoll und kassierte somit einen Klatscher auf den Hinterkopf von Jolene.
"Nein...ich habe rein gar nichts bestellt", sprach ich nervös.
"Oh mein Gott! Leg das Paket sofort auf den Boden und komm zu uns!", schrie Joe plötzlich panisch.
Dies löste bei Aaron und mir denselben Gesichtsausdruck aus, nämlich den voller Verstörung.
"Leute ernsthaft? Es könnte sich um eine Bombe handeln? Terroranschläge existieren...", kam es verständnislos von ihr, die uns im Gegenzug so ansah als wären wir die größten Vollidioten.
"Und was sollte ein Anschlag gegen Grace bewirken?", fragte Aaron sie herausfordernd.
"Keine Ahnung? Wie soll ich das wissen? Bin ich ein Terrorist? Vielleicht haben sie auch einfach nur was gegen Ginger", sprach Jolene so als wäre es höchstwahrscheinlich, dass ich als Opfer eines Terroranschlags gewählt wurde. Diesmal sahen Aaron und ich sie so an als wäre sie der größte Vollidiot, was zugegeben, sehr oft vorkam.
"Was? Viele Leute hassen Ginger", verteidigte sie sich.
Aaron seufzte kopfschüttelnd auf.
"Schon mal daran gedacht, dass das Paket von Caleb sein könnte, Genius?", fragte er sie rhetorisch.
"Ne, weil Caleb persönlich kommen würde und ich mein was könnte er ihr in dem Paket gesendet haben?", antwortete sie selbstsicher bevor sie scharf die Luft einzog.
"Oh mein Gott, denkst du, dass er ihr eine Bombe gesendet hat?!", kam es hysterisch von ihr.
"So spannend ist Grace Leben nicht. Sei realistisch", sprach Aaron.
"Hey! Mein Leben ist sehr wohl spannend!", mischte ich mich nun beleidigt in die Diskussion.
"Ne Aaron hat recht. Dein Leben ist nicht so spannend", stellte sich Jolene auf Aarons Seite.
Genau...nicht so spannend. Es hat sich ja auch gar nicht herausgestellt, dass mein Ex ein Ex-Mafiosi war...
"Also...worauf wartest du noch öffne das Paket", forderte mich Aaron auf.
Unsicher blickte ich auf den Karton in meiner Hand.
"Oder...du und Aaron besauft euch erstmal während ich nach dem Essen arbeiten gehe und wenn du dir genug Mut angetrunken hast, öffnest du es", schlug Joe vor, was nicht mal eine schlechte Idee war.
Gesagt, getan.
Aaron lag K.O auf der Couch und ich hatte mich mit dem Paket in mein Zimmer begeben, um sein Geschnarche nicht anhören zu müssen.
Ich hielt die Luft an als ich es zaghaft öffnete und erst als ich den Inhalt sah fing ich wieder an zu atmen. Das Brautjungfernkleid lag darin und darüber ein Brief. Ich konnte die Schrift einer weiblichen Person zuordnen und da es das Kleid beinhaltete lag es nahe, dass der Brief von Mel kam, was dann auch die Abschiedsformel bestätigte.
Mit erhöhtem Puls fing ich an zu lesen...

Ehm hey erst mal...schätze ich. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung wie ich den Brief beginnen soll, einfach, weil das Thema ein schwieriges ist und darüber zu schreiben mir fast unmöglich scheint.
Umso schwerer muss es natürlich für dich sein, was ich vollkommen nachvollziehen kann. Vielleicht hasst du uns jetzt oder denkst wir sind schlechte Menschen, was ebenfalls komplett nachvollziehbar ist. Vor allem, weil ich nicht weiß wie viel dir Caleb erzählt hat oder wie er es getan hat. Ich kann dir nur sagen, dass alles nicht so schwarz und weiß ist wie du denkst. Und vielleicht bringt dieser Brief nichts und ich schreibe hier umsonst, aber du musst wissen das alles und wirklich alles der Vergangenheit angehört und das Caleb es dir nicht erzählt hätte, wenn er dir nicht vollkommen vertrauen würde, dich nicht lieben würde.
Ich hoffe du denkst nicht, dass ich dich mit dem Brief manipulieren will damit du Caleb, uns, vergibst. Diese Entscheidung liegt allein bei dir aber ich will, dass du weißt, dass die Trennung auch Caleb schwer getroffen hat. Ich weiß nicht wann er das letzte Mal gegessen hat, jedoch habe ich ihn kein einziges Mal ohne Alkohol an seinen Lippen gesehen. Er redet kaum noch und wenn er schläft, dann vielleicht für ein paar Stunden.
Ich denke, was ich mit diesem Brief sagen will ist es, auch wenn du es nicht zustande bringst ihm vollständig zu vergeben oder ihm eine zweite Chance zu geben, rede wenigstens nochmal mit ihm und beendet es dieses Mal richtig, denn so wie ich Caleb kenne wird ihn das nicht loslassen und dich wahrscheinlich auch nicht.
Anbei im Paket findest du auch das Kleid für meine Hochzeit. Wahrscheinlich hast du bereits vergessen, dass ich heirate bei all den neuen Informationen mit denen man dich regelrecht überschüttet hat aber ich heirate immer noch und ich hätte dich noch immer gerne als meine Brautjungfer. Höchstwahrscheinlich schieße ich auch mit dieser Aktion weit über die Linie hinaus, aber ich hoffe einfach, dass deine Liebe zu Caleb so groß ist wie seine für dich und du auftauchst. Und ja das klingt wieder so manipulativ...und okay vielleicht ist es das auch...weißt du was? Der gesamte Brief ist definitiv manipulativ und ich weiß, dass es nicht richtig ist aber ehrlich gesagt liebe ich dich und Caleb zu sehr und manipuliere euch lieber zu eurem Glück als nichts zu tun und mit Zombie-Caleb und ohne dich zu leben.
Das wars dann von mir, wenn du überhaupt dir die Zeit genommen hast den Brief zu lesen.
Hoffentlich bis bald und in Liebe,
Mel

Zu Ende gelesen fiel es mir schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Ich hätte niemals erwartet, dass es Caleb so schlecht gehen würde und ich hätte auch niemals erwartet, dass Melodie mir schreiben würde.
Aber am Ende änderte der Brief gar nichts...
Oder?

Arrogance. | ✔Where stories live. Discover now