Vierunddreißig

40.2K 1.9K 75
                                    

Erschöpft starrte ich in meinen Badezimmerspiegel. Meine Augen waren rot und angeschwollen, meine Nase ähnelte der von Rudolf dem Rentier und die Farbe meines restlichen Gesichts passte sich perfekt meiner weißen Wand an.
Ich atmete tief ein und aus. Mein Blick landete dann auf der kleinen goldenen Kette um meinen Hals und wiedermal wurden meine Augen glasig.
"Ugh, fuck", beschwerte ich mich bei mir selber als ich die Kette versuchte abzunehmen.
Nachdem ich es geschafft hatte legte ich sie in eine kleine Schale neben dem Waschbecken, wusch mein Gesicht und lief zurück ins Wohnzimmer. Ich war noch nicht bereit gewesen sie wegzuwerfen.
Im Hintergrund lief der Fernseher während ich an meinem Laptop saß und nach einer neuen Arbeitsstelle suchte.
Erfolglos sah ich auf den Fernseher, vielleicht konnte ich vorübergehend bei Jolene im Café arbeiten?
Meine Augen wanderten wieder auf meinen Laptop und aus irgendeinem Grund googelte ich den Namen Alfonso Gunzilius, den Mann, dem die M4-Company zuvor gehört hatte.
Artikel von seinem Tod kamen auf. Ein Herzanfall stand vage als Ursache seines Todes, aber ich wusste nun, dass es dem nicht so war.
Caleb hatte mir geschildert was passiert war.
Ich konnte immer noch nicht glauben, dass die Familie, die ich kennengelernt hatte, so eine Vergangenheit hatte.
Dass Caleb einem anderen Menschen das Leben nehmen konnte.

Der Tag verging wie der gestrige auch mit Weinen, in die Gegend starren und hoffen das alles nur ein schlechter Traum war.

Mein Nacken schmerzte als ich aufstand. Ich war im Wohnzimmer eingeschlafen und bereute es unglaublich.
Nachdem ich meinen trockenen Hals mit Wasser versorgt und mein Gesicht gewaschen hatte, verkroch ich mich in mein Bett. Mein Kopf, so wie mein Brustkorb schmerzten, wenn ich auch nur an Caleb dachte. Tränen sammelten sich in meinen Augen bis sie meine Wangen runter liefen.
Gott, ich konnte gar nicht beschreiben wie genervt ich von mir selber war. Allein in den zwei Tagen hatte ich mehr Taschentücher verbraucht als im ganzen Jahr.

Wie erwartet hatte Aaron es nur einen Tag ausgehalten Jolene meinen Zustand zu verschweigen. Für die beiden war es ein Welt-Rekord.
Ich saß eingekuschelt im Wohnzimmer und versuchte mich bereits zum zehnten Mal an meiner Kündigung als plötzlich meine Wohnungstür aufging und Jolene ins Wohnzimmer rannte. Hinter ihr schloss sich die Haustür mit einem Knall, weshalb ich kurz zusammenzuckte.
Sie stand außer Puste vor mir und beäugte mich kurz bevor sie sich zu mir setzte und mich in den Arm nahm.
"Du atmest mich an", beschwerte ich mich schluchzend.
Ich wusste nicht woran es lag, doch durch ihre Umarmung musste ich noch mehr weinen.
"Ich bin auch die Treppen hochgerannt", sprach sie ehe sie sich von der Umarmung trennte.
"Was ist los?", fragte sie dann besorgt und ein noch größerer Schluchzer entwich mir.
"Shh, sshh, ich bin ja da", versuchte sie mich zu beruhigen, wobei sie mir tröstend über den Rücken strich.
"Also da du momentan offensichtlich nicht reden kannst, rate ich einfach mal", redete sie weiter.
"Deine Tage kannst du nicht haben, weil wir sie immer zusammen bekommen..."
"...ich habe erst letztens mit deiner Mutter telefoniert also ist es kein Familientod...hoffentlich. Ist es wegen Caleb?", erriet sie es unsicher.
Die Antwort lag auf der Hand, da ich nun stärker schluchzte. Plötzlich schoss sie hoch.
"Ich werde ihn umbringen!", schrie sie und wollte gerade aus dem Zimmer stürmen, doch dann drehte sie sich zu mir.
"Nachdem ich dich mit Eis vollgestopft habe, natürlich."
Ein schwaches Lächeln zierte ihre Lippen als sie mit dem Eis und einem Löffel erneut das Zimmer betrat.
"Willst du darüber reden?", hakte sie nach.
Ich schüttelte meinen Kopf während ich das Eis in mich reinlöffelte. Das war meine erste Mahlzeit des Tages.
"Okay, ehm...falls es dich aufmuntert, ich habe mich wegen dir vor der ganzen Klasse zum Deppen gemacht", wechselte sie das Thema, wofür ich dankbar war.
Ich sah sie nur fragend an und sie erzählte mit einem kleinen Lächeln weiter.
"Also ich habe mit Aaron die ganze Zeit geschrieben und gefragt, was falsch sei, da er sich komisch vor mir verhalten hatte und nach zehn Drohungen habe ich rausbekommen, dass es dir beschissen geht. Ohne lange zu überlegen, bin ich aufgestanden und wollte aus der Klasse stürmen, doch kurz vor der Tür wurde ich vom Professor aufgehalten, welcher wirklich der nervigste Typ ist", sie stoppte kurz und redete dann weiter, "Er hat mich zur Rede gestellt, was ich eigentlich denke und dass ich nicht einfach so aus dem Seminar rennen kann und dabei die Klasse störe. Und ich Trottel wurde so nervös, ich mein ich wurde von 30 Leuten angestarrt, und habe mich nur darauf konzentriert so schnell wie möglich zu dir zu kommen, dass ich vor der Klasse gesagt habe, dass ich Durchfall habe und gleich explodieren würde, wenn er mich nicht gehen ließe."
Ich fing etwas an zu lachen, was ihre Augen regelrecht zum Funkeln brachten.
"Das ist aber nicht das schlimmste. Cody, der eigentlich nie zu Seminaren erscheint, sondern nur zum Kurs kommt, war ausgerechnet heute auch da", beendete sie die Story, wobei sie ihr Gesicht zu einem schmerzvollen Lächeln verzog und zwei Daumen nach oben zeigte.
Ich lachte nun etwas mehr.
"Oh Gott das tut mir so leid", sagte ich und wischte mir dabei meine Tränen weg.
Sie grinste nun.
"Mir nicht, die Geschichte konnte dich wenigstens erheitern."
"Danke", bedankte ich mich lächelnd.
Mit einer Handbewegung schüttelte sie es ab.
"No Problemo Bitchacho, du würdest dasselbe auch für mich tun."

Arrogance. | ✔Where stories live. Discover now