Menschen ändern sich nicht ✔

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Langsam kehrte ich aus meiner Erinnerung in die Gegenwart zurück und erkannte, dass Harry mich zweifelnd anschaute, seine Hände hielten meine Schultern. Ich musste wohl ziemlich weggetreten gewesen sein. Langsam richtete ich meinen Blick wieder auf ihn und dachte wieder an meine Einträge. 

Dein Körper gehört dir, einzig und allein dir, du entscheidest, was du mit ihm machst. 

Ich spürte wieder Tränen in meinen Augen aufsteigen. Harry hatte mir bewiesen, dass dem nicht so war. Es stimmte zwar, ich ließ mich nicht kaufen, so wie meine Mutter, aber ich hatte doch nicht die Kraft mich zu widersetzen. Im Nachhinein überhäufte mich mein Gehirn mit Selbstvorwürfen. >Du hättest dich stärker wehren sollen! < >Du hättest dem entkommen können, wenn du dich mehr angestrengt hättest! < >Jetzt bist du genau wie deine Mutter, wertlos! < 

Ich wollte all diese Stimmen ignorieren, ihnen entgegenschreien, dass sie nicht Recht hatten und dass nicht ich daran schuld war, aber es ging nicht. Ein Teil von mir glaubte den Stimmen. Ein Teil von mir fing an mich selbst zu hassen, weil ich nicht alles getan hatte um fort zu kommen. Ich hatte einfach nur steif dagestanden und abgewartet. 

Ich presste die Lippen zusammen und verbot den Tränen aus meinen Augen zu fließen. Ja, ich war selbst daran schuld, dass mir das passiert war. Hätte ich mich ordentlich gewehrt, dann hätte ich den Kuss verhindern können. Es mir egal, dass  dieser Gedanke gegen jede Logik war, denn Harry war viel stärker als ich und hätte so oder so bekommen, was er wollte. Aber es war leichter für mich zu glauben, ich sei schuld daran, denn ich ertrug es nicht einen meiner Einträge als falsch zu erkennen, selbst nicht in dieser Ausnahmesituation. 

Nein. Es war meine Schuld. Das wollte ich zumindest glauben, ich wollte es wirklich. Doch ein kleines Stimmchen in meinem Hinterkopf rief mir etwas anderes zu. Es schrie, dass mein Eintrag, meine Regel, ungültig sei, dass ich keine Kontrolle über meinen Körper hatte, zumindest nicht Harry gegenüber. Er war stärker und ich war ihm egal. Aber das dürfte nicht sein! Was würde aus mir werden, wenn meine ganze Kontrolle verloren gehen würde?!

Schnell versuchte ich dieses Stimmchen zum Schweigen zu bringen, denn es war viel schlimmer für mich zu glauben, dass ich in Harrys Gegenwart keine Macht mehr darüber hatte, was mit mir passierte, als zu denken, ich hätte diesen Kuss zugelassen. Ein sanfter Druck auf meiner Schulter unterbrach meinen inneren Kampf und ließ meinen Blick wieder klar werden.

>Was ist los? < flüsterte Harry.

Ich schaute ihn an. Wahrscheinlich machte ihm mein Verhalten Angst, denn ich wehrte mich nicht im Geringsten gegen seine Berührung und auch sonst musste ich gewirkt haben, wie eine Geistesgestörte. Noch immer antwortete ich nicht und sah, wie sich langsam Angst in seinen Augen bildete. Doch sicher keine Angst um mich. Wohl eher Angst um sich selbst, Angst darum einen irreparablen Schaden an mir, einem geistig labilen Mädchen mit Berührungsängsten angerichtet zuhaben, indem er mich küsste. Obwohl mir ganz und gar nicht nach sprechen zumute war, hatte ich das Bedürfnis ihm meine Situation zu erklären, also öffnete sich mein Mund fast wie von selbst und begann zu erzählen.

>Ich wollte nie wie sie sein. Seit ich klein war, habe ich immer alles getan, um ihr genaues Gegenteil wider zu spiegeln. Ich verabscheute sie von ganzem Herzen. Und ich verabscheute ihre Spielchen mit Männern. Jede Woche gab es einen Neuen, jede Woche, seit ich ganz klein  war. Und jedes Mal lief es gleich ab. Sie schenkte ihm ihren Körper, gestand ihm ihre "Liebe" und fischte sich danach den nächsten. <

Meine Augen suchten den Kontakt zu Harrys.

>Und ich schwor mir niemals so zu werden. Niemals. Egal, was passieren würde, ich würde meinen Körper keinem Mann schenken, noch nicht mal ansatzweise, nicht einmal für einen Kuss. Also begann ich mich zurück zu ziehen. Ich schaffte es jeder Berührung zu entgehen und war glücklich. Ich war zufrieden mit meinem Leben und damit nicht so wie meine Mutter zu sein. Ich versuchte mir einzureden, dass ich die Kontrolle über mein Leben hatte,  ich habe Mädchen beobachtete, die jede Woche wegen eines anderen Jungen weinend in der Schule saßen und habe sie verachtet. Niemals hätte ich jemanden so nahe an mich heran gelassen! Niemals hätte ich mich verliebt. Dann kamst du und hast mich aus meinem Leben gerissen, einfach so. < An dieser Stelle musste ich Luft holen.

Show me how to love (Harry Styles)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt