Der Lauscher an der Wand

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Nach diesem Satz herrschte Schweigen und ich kam nicht umhin zu bemerken, wie eigenartig die Situation war. Ich meine, wer erwartet sich schon so etwas, wen er entführt wird. Ich hatte in meinem Leben viel über Entführungen mitbekommen, wie wahrscheinlich jeder, denn es kam immer wieder in den Nachrichten so wie in Büchern. Ich hatte immer vollstes Mitleid mit den entführten Personen, denn ich stellte mir schlimmste Sachen darunter vor. 

Vergewaltigung, Gewalt, Mord.

Das alles waren Gedanken gewesen, sobald das Wort Entführung fiel. Wenn ich zurück dachte, dann lag ich gar nicht so falsch, denn Harry hatte mich schließlich nur zu diesem Zweck entführt. Ich schreckte sogar davor zurück dieses Wort zu denken. Lieber wäre ich auf der Stelle aus einem Fenster in fünften Stock gesprungen, als das mitmachen zu müssen. Schauderns verdrängte ich diesen Gedanken wieder und richtete meine Aufmerksamkeit auf den Jungen mir gegenüber. 

Ich betrachtete eingehend seine grünen Augen, die nachdenklich nach unten starrten, seine leicht geöffneten, pinken Lippen und die unachtsam zur Seite gestrichenen Locken. Er sah fast schon süß aus, wie er dasaß, den Blick auf seine Hände gerichtet und überlegte. Mein Atem stockte kurz, als er sich nachdenklich auf seine Unterlippe biss. Erst als er seinen Kopf hob und mich gerade ansah, fiel mir auf, dass ich ihn seit ziemlich langer Zeit anstarrte. 

Schnell wandte ich den Blick ab und merkte, wie meine Wangen rot wurden. Innerlich verfluchte ich mich selbst für mein offensichtliches Starren. Aus Harrys Richtung ertönte ein Lachen.

>An was denkst du? < fragte er sanft. Ich blickte langsam wieder auf ihn und fragte mich, ob ich ihm die Wahrheit sagen sollte. Naja, was sprach dagegen? 

>Ich habe überlegt, was passiert wäre, wenn wir uns irgendwo auf der Straße oder in der Schule begegnet wären. < antwortete ich ehrlich und wartete auf seine Reaktion. Ich konnte beobachten, wie sein Lächeln verschwand, bis er schließlich seufzte, meine Aussage aber unbeantwortet ließ.

Weil es still blieb, begann ich langsam wieder in meinen Gedanken zu versunken. Was für eine Person Harry wohl wäre, wenn ich ihm normal begegnet wäre? Wäre er schüchtern gewesen? Nein, sicher nicht. Aber abgesehen davon, dass ich mich sowieso nie für Jungs interessiert hatte, hatte ich mir meinen zukünftigen Freund gar nicht als schüchtern vorgestellt. Ich hatte zwar nicht wie viele andere Mädchen Stunden damit verschwendet mir meinen perfekten Typen auszumalen, aber ich hatte mir natürlich auch Gedanken gemacht. 

Ich hatte versucht aufzuschreiben, wie der perfekte Junge sein sollte, hatte aber nur eine geschlagene Stunde auf ein weißes Blatt Papier geschaut, bis ich schließlich aufgab. Ich hatte mir damals noch lange Gedanken darüber gemacht, warum es mir einfach nicht gelingen wollte meinen perfekten Freund auf das Papier zu bringen. Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass es entweder keinen perfekten Jungen für mich gab, oder, dass ich schlicht und einfach unfähig war meine Gedanken in Worte zu packen. Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, wurde ich von Harry unterbrochen.

>Ich hätte dich wahrscheinlich angesprochen und auf ein Date eingeladen. < murmelte er mit dem Anflug eines Lächelns. Ich brauchte erste eine Sekunde, bevor ich wusste, wovon er sprach. Da ich nicht wusste, was ich antworten sollte, lächelte ich einfach leicht in seine Richtung. Ich zog meine Augenbrauen zusammen, als sein Lächeln zu einem Grinsen wurde. Für eine Sekunde sah ich etwas Beunruhigendes in seinen Augen aufblitzen, dann glätteten sich seine Gesichtszüge wieder und seine grünen Augen fingen an zu leuchten. Ich könnte schwören Harry hatte gerade eine Idee. Misstrauisch betrachtete ich, wie er ein wenig auf seinem Platz herumrutschte.

>Harry? < fragte ich vorsichtig. Sofort schoss sein Blick zu mir er versuchte ein Lächeln zu unterdrücken.

>Ja? < Sein Ton war unschuldig und er blickte mich aus großen Augen an. 

Show me how to love (Harry Styles)Where stories live. Discover now