1 In jeder Minute.

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 N I A L L  ❱


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Manchmal kam es mir vor, als wäre ich nie ein Teil der oberen High Society gewesen. Trotzdem konnte ich mich auf ihren Anlässen bewegen, als hätte ich nie etwas anderes getan. Dabei lagen zwischen all dem Geld, der Verschwendung und den Überdruss im Gegensatz zu meinem echten Alltag, Welten.

Ich betrat das Avenue und mir war bewusst, dass ich für einen Besuch in Jeans und verwaschenen Shirt nicht richtig gekleidet war. Zum Glück ging die Mitgliederschaft meines Vaters auch direkt auf mich über. Einmal Mitglied, immer Mitglied.

Mit den Augen suchte ich das Etablissement ab und fand den Mann, den ich suchte weiter hinten. Er saß in einem schweren Ledersessel und schien seine Mittagspause bei einer Zigarre und bei einem Glas Scotch zu genießen.

„Geoff, hast du ein paar Minuten für mich?", sprach ich und sah, dass Geoff Payne den Kopf hob. Er schien überrascht mich zu sehen und lächelte: „Hallo Niall. Natürlich habe ich für dich Zeit, setzt dich doch." Er deutete auf den Ohrensessel ihm gegenüber und schien sich nicht daran zu stören, dass ich dem Ort nicht angemessen gekleidet war. Zwei Kellner hatten darüber schon die Nase gerümpft und es fiel mir schwer das zu ignorieren.

Die Beine übereinander geschlagen sprach Geoff: „Auch einen Drink oder eine Zigarre? Ich lade dich ein."

„Nein danke", wehrte ich ab und sah kurz auf meine abgetretenen Schuhe. Die Sohle löste sich langsam und eigentlich hätte ich dringend ein neues Paar nötig. Jedoch war die Bücherliste für den Kurs in Zivilstrafrecht so lang gewesen, dass ich mir neue Schuhe verkniff.

„Was verschafft mir dir Ehre, Niall? Ich schätze nicht, dass du plötzlich den Drang hattest durch halb New York zu fahren, um mit mir Mittag zu essen?" Die lockere Art, wie er redete, machte mich etwas nervös.

Ich hatte einen Kurs an der Columbia geschwänzt, damit ich ihn treffen konnte. Möglichst ruhig befeuchtete ich meine Lippen, dann sprach ich: „Mein Vater hat kein Bildungskonto für mich eingerichtet. Du warst es, der meine Schulgebühren bezahlt hat und der meine Studienkosten übernommen hat."

Es klang wie eine Anklage, aber eigentlich war es eher eine Feststellung. Geoff blieb gelassen und zog lediglich an seiner Zigarette, dann gab er zu: „Das ist richtig."

„Wieso tust du das?", wollte ich wissen. „Aus Mitleid? Wenn das Almosen sind, dann will ich, dass du sofort damit aufhörst! Ich will nicht, dass ich mir vorkomme, als würde meine Freundschaft zu Liam bezahlt werden, oder das Gefühl haben gekauft worden zu sein." Ich mochte es auch nicht irgendjemanden etwas zu schulden, vor allen, wenn ich nicht einmal die Wahl bekam.

Die grauen Augen von Geoff musterten mich, dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck leicht. Er wurde nachdenklich und gestand: „Das sind keine Almosen, Niall. Es ist eine Sache zwischen deinem Vater und mir."

„Wie bitte?", ich war verwirrt, schließlich waren mein Dad und Geoff nie besonders dicke Freunde gewesen. Sie kannten einander, aber das war auch schon alles. Geoff setzte sich aufrecht hin und stellte das Glas Scotch ab. Er schien kurz zu zögern, dann erklärte er mir: „Es ist kein Geheimnis, dass Bobby und ich lediglich bekannt miteinander sind. Was jedoch die meisten Leute nicht wissen ist, dass ich deinen Vater mehr schulde, als ich ihm je zurückzahlen kann."

ROUGE [ Zweiter Akt ] ✓Where stories live. Discover now