31 Rückfall.

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❰  L I A M  ❱





Tief atmete mein Vater durch, dann stütze er sich auf seinem Stock ab und ich sah mit an, wie schwerfällig er versuchte sich zu erheben. Langsam, fast, wie in Zeitlupe. Ich verzog das Gesicht und dann wurde mir klar, dass ich das entschiedene Detail verpasst hatte.

„Was ist hier los?"

Mein Vater antwortete darauf nicht, sondern sprach lediglich: „Mach die Musik aus." Dann humpelte er unbeholfen aus dem Zimmer, so, als würde er sein rechtes Bein nicht mehr richtig unter Kontrolle haben. Archimedes folgte ihm treu.

Ohne darüber nachzudenken, folgte ich ihm und sah, dass er auf dem Weg in sein Büro war, welches ins Erdgeschoss verlegt worden war. Dort hatte er einen Ausblick auf die Weiten des Grundstücks. Hinter dem großen, dunklen Schreibtisch ließ er sich in seinen Sessel fallen und ich war versucht im Türrahmen stehen zu bleiben.

„Essen sollte es in einer Stunde geben", sagte mein Vater ruhig und Archimedes legte seinen Kopf auf sein Knie. Das Verhalten des Hundes machte mich stutzig. Ich wusste, dass Archie nicht sehr kuschelbedürftig war, es sei denn es ging einem schlecht.

Ich schwieg und studierte die angespannten Gesichtszüge meines Gegenübers. Die Falten um seine Mundwinkel waren tiefer, als ich sie in Erinnerung hatte, sein Haar grauer. Aber vor allem wirkte er nicht, als habe er in den letzten Nächten viel Schlaf bekommen.

„Du warst in London bei Aurelia Grant?", er klang nicht wütend, eher erschöpft und ich nickte knapp: „Ja. Grace hat mir ein paar Wische gegeben."

„Natürlich hat sie das", stellte mein Dad lediglich fest. „Sie spielte immer schon in deinem Team. Seit dem du ihr Taschengeld mit sieben erhöht hast, damit sie dich nicht verpetzten, wenn du irgendeinen Blödsinn verzapft hast."

„Nein", widersprach ich. „Ich habe nur ihren Geburtstag nie vergessen."

Darauf nickte mein Vater nur knapp. Er bestritt gar nicht erst, dass er sie vergessen hätte. „Gut, dass du sie in London abgefangen hast."

„Ich hatte nicht wirklich eine Wahl. Granny machte so viel Terror, dass ich nicht unbedingt ein Spezialkommando am Bett stehen haben wollte", denn zu zutrauen wäre es ihr. Ich trat in den Raum und setzte mich schließlich in den Sessel, der am Schreibtisch meines Vaters stand.

Wir sahen einander an. Ich wiederholte meine Frage nicht, was mit ihm los war. Stattdessen sprach mein Dad: „Es ist überraschend ruhig um dich."

„Das ist doch genau das, was du wolltest", hielt ich ihm vor. Kurz schmunzelte mein Vater, dann ließ er den Blick durch den Raum schweifen und meinte: „Nein. Positive Schlagzeilen sind auch Schlagzeilen."

„Also soll ich jetzt irgendwelche Stiftungen besuchen, tun, als sei ich bekehrt und rührselige Reden halten?", spottete ich. Zu meiner Überraschung lachte mein Vater: „Ach nein. Das lassen wir lieber. Deine Großmutter macht das so gut, da sollte sich niemand einmischen. Außerdem will ich mir nicht das Massaker vorstellen, das sie anrichten würde. Sie mag es nicht, wenn man in ihrem Territorium wütet."

Die Vorstellung hatte etwas.

Ich sah, wie mein Vater seine oberste Schublade des Schreibtisches öffnete und wie er eine Pfeife begann zu stopfen. Das war merkwürdig, denn normalerweise rauchte er nur Zigarren. Mit dem Tabak zu arbeiten schien ihn zu entspannen.

ROUGE [ Zweiter Akt ] ✓Where stories live. Discover now