27 Herz ist Trumpf.

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❰  E L E A N O R 





Zuerst hatte ich die U-Bahn verpasst, dann war in Bro's & Co., einem Café meine Vorbestellung vergessen worden, danach schnappte mir ein Mistkerl das Taxi vor der Nase weg. Jetzt war ich völlig gestresst und erledigt, bevor mein Tag richtig angefangen hatte.

Am Empfang stellte ich die drei Kartons mit den Sandwiches und Bagel ab, damit ich mir das Haar ordnen konnte. Später wartete schließlich eine Besprechung mit der Werbe-Abteilung auf mich und vorab sollte niemand glauben, dass ich meine Termine nicht in Griff hatte. Immerhin würde ich Sophia nach der Sitzung petzten, was die Idioten dieses Mal vor hatten. 

Kurz strich ich über mein dunkelblaues Kostüm, atmete tief durch und ließ mir von Jacky die wichtige Post, sowie die Liste der späten Anrufe geben, dann schritt ich zum Aufzug und hatte Probleme den Knopf zu drücken.

Kurzerhand versuchte ich es mit den Ellenbogen, als mir schließlich eine Hand entgegen kam. Gerade wollte ich mich bedanken, als ich den Wuschelkopf von Louis erkannte. Er grüßte nicht, geschweige denn, dass er mich überhaupt ansah.

Dafür musterte ich ihn umso genauer und wir betraten zusammen den Fahrstuhl. Seine Hose war zerknittert, hatte Löcher an den Knien und sein verwaschenes Shirt von Nike gehörte in die Tonne.

„Hast du dich heute morgen nicht gekämmt, oder was?", begann ich und Louis sprach trocken: „Hör auf an mir herumzunörgeln."

„Du solltest echt auf dich achten", schob ich hinterher, „sonst fangen die Leute noch an dich zu unterschätzen."

Louis ließ sich zu einem Schmunzeln herab: „Ist nicht unbedingt das Schlechteste."

Im vierten Stockwerk stieg Rosaly zu uns, sie hielt einen Kleidersack in der Hand, trug dieselben Klamotten, wie am Vortag und unter ihren Augen lagen tiefe Schatten der Müdigkeit. Ihr Haar wirkte fettig und mit träger Stimme sprach sie: „Ich... bin fertig." 

Mit diesen Worten reichte sie Louis den Kleidersack. Er wirkte nicht besonders beeindruckt und in meinem Kopf ratterte es nur langsam.

Als ich begriff, was sich hier abspielte, da musste ich lächeln, denn Louis hatte tatsächlich sein Wort gehalten. An Rosalys Händen sah ich einige Pflaster, wahrscheinlich hatte sie sich in ihrer Müdigkeit öfters geschnitten, oder sich mit der Nadel gepikt.

Louis schulterte den Sack und als der Aufzug im elften Stock ankam, da sprach er an Rosaly gewandt: „Du hast drei Tage um eine neue Bewerbung einzureichen", dann huschte er schlendernd aus dem Aufzug. Ich folgte ihm, gab die Sandwichs ab, damit ein Assistent sie in den Pausenraum stellte und sprach: „Du kannst ja richtig nett sein. Ich bin schockiert!"

Darauf antwortete er nicht und als wir Sophias Vorzimmer erreichten, da überraschte uns Max mit seiner Anwesenheit. Nach drei krankgeschriebenen Tagen war er wieder zurück und riss die Organisation an sich. Fröhlich und mit einer roten Nase begrüßte er uns und sprach: „Mrs Payne ist schon anwesend." Mit dem Daumen deutete er auf die Bürotür.

Meine beste Freundin saß an ihrem übergroßen Schreibtisch und nippte an einer Tasse mit starken Kaffee. Sophia war braun geworden, ihr Haar von der Sonne etwas heller und sie strahlte, als sie uns entdeckte. In einem luftigen weißen Sommerkleid tänzelte sie um den Tisch herum und drückte uns kurz, auch wenn Louis eher steif reagierte. Er warf sich in einem der Sessel vor ihrem Schreibtisch, legte den Kleidersack ab und wartete, dass wir den Willkommens-Quatsch endlich hinter uns hatten.

ROUGE [ Zweiter Akt ] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt