15 London.

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❰  S O P H I A  ❱





Meine alte Heimat begrüßte mich so, wie ich sie verlassen hatte. Mit Regen. Aber so war London halt, regnerisch, nebelig und völlig im Jack the Ripper – Feeling. 

Der Stadtteil, Camden Town, war jedoch so bunt wie eh und je und machte es schwer sich dauerhaft vom schlechten Wetter beeindrucken zu lassen.

Ich ließ träge den Blick an den farblichen Häusern vorbei ziehen und war froh, dass Liam den Mietwagen fuhr. Obwohl ich mich wirklich auf meine alte Heimat freute, so blieb ich doch niedergeschlagen.

Automatisch wandte ich den Blick ab und scrollte durch mein Handy. Als ich Geoff anrief, erreichte ich ihn nicht sofort, doch er ließ mir ausrichten, dass ich mich nicht verrückt machen sollte. Louis' Worte waren so ähnlich: „Ma Puce, es gibt Schlimmeres, auf ein Neues. Aber im Ernst, dafür, dass die Presse nicht sonderlich angetan ist, gehen die Einzelstücke ziemlich gut weg."

Das musste nichts heißen.

Frustriert dachte ich schon an die nächste Kollektion, die im Herbst starten würde und den Winter mit einschloss. Mir juckte es in den Fingern, doch Louis ließ mich wissen, dass niemand in den nächsten zwei Wochen anfangen würde, weil man die aktuelle Kollektion erst zum Ende des Monats komplett abschloss.

Auf einem Sammelparkplatz hielt Liam den Wagen an, ich wollte gerade die Beifahrertür öffnen, als er laut sprach: „Okay. Bevor wir uns in die Arme deiner Familie werfen, lasst uns über diese dämlichen Kritiker reden."

Sichtlich irritiert huschte eine meiner Augenbrauen in die Höhe. „Wie bitte?"

„Deine erste Kollektion war kein bombiger Erfolg", fasste Liam zusammen. „Durchschnittlich, wie die Presse sagt."

Direkt und nicht die Spur schonend. Typisch Liams Art. Die Samthandschuhe auszupacken schien er nie für nötig zu halten. Teils schätze ich das, aber Teils durfte er gerne an seinem Taktgefühl arbeiten.

„Komm drüber weg", meinte er schließlich. „Die nächste Kollektion wird folgen und dann geht das ganze Spiel von vorne los, so lange wie du dich diesen Zirkus aussetzten willst." Er klang sarkastisch und ich runzelte die Stirn: „Wie meinst du das?"

Liam schnallte sich los und hielt kurz in seiner Bewegung inne: „Sieh mal, so lange ich denken kann hat sich der Alltag meiner Familie nach den Zeiten und Mottos der Kollektionen gerichtet. Es ist immer dasselbe. Stress, Druck, die Suche nach der neuen revolutionären Idee für einen Wandel der Mode, blablabla."

Unwirsch wedelte Liam mit der rechten Hand in der Luft herum: „Ist der Scheiß ein Erfolg, bleibt das Ziel, noch einmal so einen Coup zu landen. Geht es in die Hose, oder findet nicht den Anklang, den man sich erwünscht, wird der Druck nur größer."

Stumm hörte ich ihm zu und erinnerte mich somit daran, dass Liam zwar nicht im Familienunternehmen tätig war und mitwirkte, aber als Familienmitglied doch irgendwie dazu gehörte. Er sah das alles aus einem völlig anderen Blickwinkel.

„Such dir Abstand davon, sonst hast du einen Knacks weg, bevor du deine dritte Kollektion herausgebracht hast", riet er mir. „Und hör bloß auf alle paar Stunden nach neuen Kritiken zu googeln, das wird es nicht ändern, sondern dich nur noch nervöser machen."

„Ich bin nicht nervös", hielt ich dagegen, was Liam nur zum ironischen Grinsen brachte: „Glaubst du. Du bist mit deinen Gedanken so beschäftigt sich mit schlechten Kritiken zu quälen, über eine neue Kollektion zu grübeln, die du sowieso nicht ohne deinen Goldjungen angehst, dass du nicht mal gemerkt hast, wie ich volle fünf Runden im Kreisverkehr drehte und zweimal an dieser Adresse hier vorbei fuhr."

ROUGE [ Zweiter Akt ] ✓Where stories live. Discover now