C H A P T E R 1 2

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Nachdem ich gestern zu Hause angekommen bin, habe ich eine Schmerztablette genommen, mich unter die Dusche gestellt und mit den bequemsten Klamotten, die ich finden konnte, in mein gemütliches Bett gelegt. Meine Augen sind wie von selbst zugefallen. Erst gegen fünf Uhr bin ich wieder aufgewacht. Danach ging es mir auch schon um einiges besser. Mit meinem Dad habe ich zusammen Abendessen gekocht und anschließend irgendeine schlechte Talentshow geguckt. Die Gedanken an Max und unsere gemeinsame Nacht habe ich versucht zu verdrängen. Auch wenn es da nicht viel zu verdrängen gibt, ich kann mich schließlich an nichts erinnern. Und dann wären da noch die Schuldgefühle wegen Joshua. Ich wollte nie einer dieser Frauen seien, die ihren Freund betrügt. Selbst wenn das in meinem Freundeskreis häufig vorkommt. Betrug in der Beziehung ist für mich ein Vertrauensbruch. Und jetzt? Jetzt bin ich auch eines dieser verlogenen Miststücke.
Ich hoffe ein wenig Ablenkung im Gemeindehaus zu finden. Harley ist ein sehr redseliger Mensch, der wird mich schon auf andere Gedanken bringen. 

“Hey, Sonnenschein! Da bist du ja.“, empfängt er mich mit offenen Armen. “Wo warst du neulich hin verschwunden?“, kommt gleich als nächstes. Wie war das noch gleich mit der Ablenkung?

“Ich hatte ein bisschen Kopfschmerzen, da hat Max mir angeboten mich nach Hause zu fahren.“, antworte ich und klopfe mir innerlich auf die Schulter, da mir so schnell eine Ausrede eingefallen ist.

“Kopfschmerzen also.“, sagt Harley anschließend mit einem verdächtigen Klang in der Stimme. Weiß er etwa bescheid, dass Max und ich...?

“Ist jetzt auch nicht so wichtig, lass uns lieber an die Arbeit gehen.“, winke ich ab und mache mich auf den Weg zum Paradeplatz, wo sich der Großteil des Gründerfests abspielen wird. Auf dem Weg dort hin, reden Harley und ich kein Wort miteinander. Doch es ist keinesfalls unangenehm. Jeder von uns hängt seinen eigenen Gedanken nach. Obwohl meine bei der Musikplanung liegen sollten, wechseln sie ständig zwischen Joshua und Max. Schuldgefühle sind echt ätzend!

“Was hältst du davon, wenn wir für den nächsten Montag der Band bescheid geben, dass wir uns mit ihr treffen wollen und sie sich die Bühne selbst anschauen. Dann können sie uns das Okay geben, dass sie ausreichend Platz haben. Ich denke zwar, dass die Bühne groß genug ist, aber die Band weiß sicher besser bescheid.“, schlägt Harley vor, was ich mir sofort notiere, damit ich nicht vergesse der Band eine E-Mail zu schreiben. Anschließend gehen wir wieder zurück zu dem Gemeindehaus, was nur fünf Minuten entfernt ist. Wir setzen uns erneut an die Song Auswahl, bis uns Abigail unterbricht.

“Tut mir leid, wenn ich euch störe, aber ich habe eine ganz dringende Frage.“, sagt Abigail und setzt sich auf den Stuhl neben mir. “Jedes Jahr tanzen zehn Paare den Eröffnungstanz. Uns ist nur leider ein Paar abgesprungen, da das Mädchen zu einer Hochzeit nach Washington eingeladen wurde.“ Ich ahne schlimmes. “Es wäre wirklich sehr lieb von dir, wenn du für sie einspringst. Die Kleider sind bereits bestellt und du müsstest die gleichen Größen wie sie haben.“

“Und das kann kein anderes Mädchen machen, weil...?“, frage ich neugierig, mit der Hoffnung den Tanz zu umgehen.

“Weil du so lieb bist und mir als erstes eingefallen bist.“, antwortet Abigail lächelnd und hoffend, dass ich ihrer Bitte nachgehe.

“Wenn ich dir als erstes eingefallen bin, dann sage ich nicht nein.“

Abigail beginnt zu Grinsen und sagt anschließend: “Du bist ein Schatz! In zwei Wochen ist die Anprobe. Den Termin für die Tanzstunden gebe ich dir auch noch.“ Und schon ist sie wieder verschwunden. Tanzen, so schwer kann das nicht werden. Den Walzer kann ich und von einer Stelle zur anderen laufen, soll auch kein Problem sein.

“Hey, Kumpel! Was machst du denn hier?“ Auf einmal springt Harley von seinem Stuhl und läuft auf den Eingang zu. Verwirrt drehe ich mich zu ihm um und sehe, wie er und Max sich brüderlich umarmen.

“Ich wollte Holly abholen.“, antwortet dieser und schaut mich anschließend an.

“Mich?“, frage ich überrascht nach.

“Ja, dich. Oder siehst du hier noch eine andere Holly? Also komm, ich warte im Auto.“, ein letztes Nicken zu Harley und schon ist er genauso schnell verschwunden, wie er aufgetaucht ist.

“Dann sehen wir uns am Donnerstag wieder.“, sagt Harley an mich gewandt und umarmt mich.

“Bis Donnerstag.“, verabschiede ich mich und mache mich auf dem Weg zu Max ,der in seinem blauen Pick-up auf mich wartet. Auf den Grund, was er von mir will, bin ich gespannt. Doch als ich in das Auto einsteige, startet er bloß den Motor und fährt davon. Keiner von uns beiden sagt ein Wort und ich bin auch nicht bereit dazu, es zu tun. Er wollte etwas von mir, also kann er auch anfangen zu reden. Oh man, wie alt bin ich eigentlich? Fünf? “Was ist los?“, frage ich letzten Endes, doch Max antwortet nicht. Wenn er wegen gestern mit mir reden will, dann weiß ich nicht, ob ich dazu bereit bin. Max weiß ganz genau, was vorgefallen ist und ich? Ich kann mich an gar nichts erinnern. Erst als wir auf dem staubigen Hof bei mir zu Hause anhalten, sagt er: “Es ist wegen Sonntag.“

“Okay, bevor du jetzt weiter redest, möchte ich noch etwas los werden.“, unterbreche ich ihn. “Das alles war ein riesiger Fehler. Ich habe zu viel getrunken und wusste nicht was ich tue. Und dann ist da noch Joshua. Ich bin wirklich keine Frau, die ihren Freund betrügt. Mir tut das so schrecklich leid. Ich könnte mich für meine eigene Dummheit Ohrfeigen. Wahrscheinlich war ich einfach nur traurig, weil er sich nicht gemeldet hat. Und du bist nun mal du. Immer so höflich und zuvorkommend, genau das was man braucht, wenn man sich schlecht fühlt. Bitte glaube mir, wenn ich dir sage, dass es mir leid tut. Das beste ist, wenn wir es einfach vergessen. Na ja, das mit dem vergessen habe ich schon erledigt.“, bringe ich die letzten Worte scherzend hervor und schaue Max mit einem schwachen Lächeln an, der die ganze Zeit über keine Mine verzogen hat.

“Ist schon vergessen.“, antwortet er und schaut mich eindringlich an, so als wolle er noch etwas sagen. Doch als es nach einiger Zeit immer noch ruhig ist, lege ich zum Abschied meine Arme um ihn und verlasse dann das Fahrzeug.

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