C H A P T E R 1 6

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Zugegeben, ich hatte schon bessere Morgende. Auch wenn ich mich mittlerweile an das frühe Aufstehen gewöhnt habe, fällt es mir heute schwer. Meine Nacht war auch nicht die beste. Als ich im Bett lag habe ich ewig kein Auge zu bekommen und als ich so langsam müde wurde, musste ich plötzlich auf die Toilette. Mit einer geleerten Blase habe ich mich wieder ins Bett gelegt und versucht einzuschlafen, was natürlich nicht geklappt hat, da mein Toilettengang mich wach gemacht hat. Aber das war noch nicht alles, denn irgendwie hat sich mein Magen gedacht, dass es gut wäre jetzt etwas zu essen. Heißhunger um Mitternacht. Super! Mit vollem Magen habe ich mich wider in mein Bett gelegt und versucht einzuschlafen. Doch das größte Übel kommt erst noch. So eine blöde Mücke meinte, dass sie mich mit ihrem nervigen Fiepen nerven kann. Aber nicht mit mir! Ich habe mir die Decke einfach bis ans Kinn gezogen und meinen Kopf unter das Kissen gelegt. Dass ich dadurch fürchterlich geschwitzt habe versteht sich glaube ich von selbst. Wenigstens habe ich so vier Stunden Schlaf bekommen.
Als ich in der Küche ankomme, sehe ich meine Eltern, wie sie sich angeregt unterhalten. So habe ich sie schon ewig nicht mehr gesehen. Es ist fast so, als wäre es nie anders gewesen. Warum haben sie sich eigentlich getrennt? Diese Frage habe ich mir schon öfters gestellt. Aber sie jetzt so glücklich zusammen zu sehen verwundert mich.

"Guten Morgen.", rufe ich in den Raum rein und unterbreche damit das Gespräch der beiden. Diese schauen mich mit einem Lächeln an und begrüßen mich ebenfalls. Während des Frühstücks beachten sie mich kaum, was nicht weiter schlimm ist, da ich mit meinem Gedanken wo anders bin. Doch es verwirrt mich, dass die beiden so miteinander umgehen. Früher haben sie das zwar auch getan, aber da war ich noch zu klein und so viele Erinnerungen habe ich gar nicht mehr, die meine Eltern glücklich zusammen zeigen.

Nachdem ich ein bisschen gegessen habe und meinen Kaffee genossen habe, der meine Laune übrigens etwas aufgeheitert hat, habe ich mich dazu entschlossen ein paar alte Bilder auf meinen Laptop anzuschauen. Gerade bin ich in einem Ordner, der ausschließlich mit Bildern von Joshua und mir besteht. Es sind nur glückliche Bilder, die uns mal auf einer Party zeigen oder einfache Selfies, die wir an den unterschiedlichsten Orten gemacht haben. Jedes mal denke ich an den Moment zurück, an dem dieses Bild entstanden ist, wenn ich darauf klicke. Momente voller Liebe, die ein leichtes Ziehen in meiner Brust verursachen, denn zum ersten Mal realisiere ich, dass das Mädchen an Joshuas Seite ein anderes ist.

"Hast du Lust mit zu kommen? Ich möchte mir ein bisschen die Stadt anschauen. Gucken, ob sich etwas in meiner Abwesenheit verändert hat." Meine Mom steht vor mir und schaut mich mit einem warmen Lächeln auf ihren Lippen an. Ich habe gar nicht gemerkt, wie sie in den Raum gekommen ist.

"Ja, klar.", antworte ich, klappe den Laptop zu und verlasse zusammen mit ihr das Haus. Auf dem Weg in die Stadt erzählt sie mir, wo sie bereits war und welche wichtigen Menschen sie schon getroffen hat. Ihre Arbeit macht ihr wirklich Spaß, dass braucht man sie gar nicht fragen. Man bekommt es mit, wenn man ihr aufmerksam zuhört.

"Hier hat sich wirklich nichts geändert.", bemerkt Mom während wir durch die Straßen von Greenwell schlendern. "Sogar die gleichen schrulligen Menschen.", sagt sie und fängt an zu lachen, als wir an einem Café vorbei gehen, wo sich zwei ältere Damen streiten, wer den letzten Schokoladen Cupcake zuerst gesehen hat.

"Ich glaube schrullig trifft es genau.", antworte ich und stimme in ihr warmes Lachen ein. Von der Seite beobachte ich meine Mom, wie sie sich alles einprägt. Als würde sie jedes kleine Detail in sich aufsaugen und dabei sieht sie so glücklich aus. "Mom? Warum hast du Greenwell verlassen?" Diese Frage beschäftigt mich schon seit Tagen und es tut gut sie endlich laut auszusprechen.

"Wie kommst du jetzt darauf?", entgegnet sie. Doch ich zucke nur mit den Schultern. "Du musst wissen, dass es mir nicht leicht gefallen ist Greenwell und deinen Dad zu verlassen.", beginnt sie. "Greenwell war schon immer mein zu Hause. Aber irgendwie wusste ich, dass da draußen mehr auf mich wartet. Die große weite Welt.", erzählt sie mit einem strahlenden Lächeln. "Ich wollte mehr als nur Hausfrau sein und ich wollte dir eine bessere Zukunft bieten. In New York stehen dir alle Möglichkeiten offen. Aber wären wir hier geblieben, hätte nicht viel auf dich gewartet. Ich wollte einfach mehr. Für dich und für mich."

"Wow, so habe ich das ja noch nie betrachtet.", sage ich erstaunt und lasse mir ihre Worte noch einmal durch den Kopf gehen.

"Du sollst nur wissen, dass ich dich in allem unterstütze. Sei es in New York oder hier in Greenwell.", antwortet sie mit sanftem Lächeln.

"Was meinst du?", frage ich verwirrt nach. Doch an statt zu antworten, sagt sie: "Komm lass uns hier rein gehen." Und schon sitzen wir beide in einem Café und trinken eine Tasse Kaffee. Sie erzählt mir wieder einige Dinge über ihre Geschäftsreise, wobei ich mir einige Sachen erneut anhören kann. Aber das stört mich nicht, wenn ich sehe wie glücklich sie dabei ist. So richtig zu hören tue ich ihr trotzdem nicht. Egal wie sehr ich versuche mich zu konzentrieren, irgendwie klappt das heute nicht. Also beobachte ich das ältere Pärchen, welches hinter uns sitzt. Ein leises Seufzen entkommt mir, als ich mich frage, ob ich später auch so sein werde. Mit meiner großen Liebe in einem Café Sitzen, einen Kaffee trinken und sich ein Stück Kuchen teilen.

Erst die Worte meiner Mom reißen mich aus meinen Träumerein. "Setz' dich doch zu uns.", sagt sie mit einem breiten Grinsen. Verwirrt blicke ich hoch und sehe Max neben unserem Tisch stehen. Wo kommt der denn jetzt her? Ich hatte gehofft noch ein wenig Ruhe zu haben, bevor ich ihn wieder sehe.

"Das ist nett von dir, aber ich habe gar nicht viel Zeit. Ich habe nur schnell etwas vorbei gebracht. Hoffentlich sieht man sich demnächst mal wieder.", sagt er lächelnd an meine Mom gewandt. Sofort überkommt mich ein warmes Gefühl, als ich höre, dass er meine Mom duzt. Früher haben wir so viel Zeit miteinander verbracht, dass meine Eltern beschlossen habe, es einfach wäre, wenn wir die Förmlichkeiten lassen.

"Hat mich gefreut dich zu sehen, Max. Bist ganz schön groß geworden.", bemerkt Mom und betrachtet Max genauer. Seit dem sie ihn das letzte Mal gesehen hat sind auch einige Jahre vergangen. Und trotzdem hat sie ihn erkannt.

"Bis dann.", verabschiedet er sich und mit einem letzten schwachen Lächeln an mich gerichtet verschwindet er durch die Tür.

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