C H A P T E R 1 3

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Schuldgefühle. Nur Schuldgefühle. Wer gesagt hat, dass es mit der Zeit leichter wird und man sich keine Vorwürfe mehr macht, der hatte wohl nie Schuldgefühle. Wahrscheinlich wird es mit der Zeit weniger, aber ganz aufhören wird es wohl nie. Ich weiß noch nicht mal, ob ich es Joshua überhaupt sagen soll. Einerseits hat er ein Recht drauf es zu erfahren, andererseits kann ich mich nicht einmal an den Betrug erinnern. Also wenn ich selbst nicht so genau weiß, was vorgefallen ist, dann kann ich es Joshua auch nicht erzählen. Ach, ich mache mir doch nur etwas vor. Ich weiß, dass ich meinen Freund betrogen habe und das will ich jetzt nicht wahr haben. Als mein Dad an die Tür klopft, um zu fragen, was mit mir los ist, sage ich nur: “Geh weg! Ich bin krank.“ Heute will ich nur in meinem Bett liegen und mich von meinen Schuldgefühlen auffressen lassen. Das habe ich verdient! Wenige Minuten später klopft es wieder an die Tür, doch bevor mein Dad etwas sagen kann, schreie ich schon fast: “Hau ab! Ich bin krank und will in meinem Bett liegen bleiben.“

“Wenn du wirklich krank wärst, würdest du nicht so rum brüllen.“, kommt es von der anderen Seite der Tür. Ups, doch nicht Dad.

“Was willst du?“, frage ich genervt und ziehe mir die Decke über den Kopf, als ich höre, dass Max in mein Zimmer kommt.

“Dein Dad hat mir gesagt, dass du krank bist und da wollte ich dich besuchen kommen.“, sagt er und ich merke, wie sich die Matratze neben mir senkt. “Aber so wie ich das sehe, bist du gar nicht krank. Also sag schon. Was ist los?“

“Ich bin eine Betrügerin, das ist los.“, murmel ich, immer noch mit der Decke über meinem Kopf.

“Verstehe, es geht um neulich Nacht.“, sagt Max ganz leise. Wahrscheinlich eher zu sich selbst, da es kaum hörbar ist.

“Ja, es geht um neulich Nacht und dass ich meinen Freund nach fast zwei Jahren Beziehung betrogen habe.“, bringe ich quengelnd hervor. Ich weiß, dass ich mich wie ein Kind verhalte, aber momentan weiß ich einfach nicht anders damit umzugehen. “Und ich möchte deswegen auch alleine sein. Also geh!“, sage ich mürrisch und schubse Max mit meinem Fuß von dem Bett.

“Schön, ich gehe. Du weißt hoffentlich, dass du immer zu mir kommen kannst.“ Als ich höre wie er die Tür schließt, bekomme ich noch ein paar Worte mit, die bestimmt nicht für meine Ohren gedacht waren. “Und das nach all den Jahren“, flüstert Max und verschwindet. 

Den restlichen Tag habe ich in meinem Bett verbracht. Nicht einmal etwas gegessen habe ich. Doch damit ist jetzt Schluss. Nach einer sehr unruhigen Nacht sind meine Schuldgefühle noch nicht verschwunden, aber ich habe keine Lust mehr auf dieses deprimiert sein. Was geschehen ist, ist geschehen. Daran kann weder ich, noch jemanden anderes etwas ändern und genau deswegen werde ich den heutigen Tag nicht in meinem Bett verbringen. Ich werde ausreiten, um meinen Kopf wieder klar zu bekommen. Wenige Minuten später, sitze ich in Jeans und einer karierten Bluse auf Silvers Rücken. Wir sind auf dem Weg zu dem Platz, an dem in am Anfang meiner Ferien schon war. Hoffentlich finde ich ihn wieder. Als ich nämlich das letzte mal hier lang geritten bin, war ich zu sehr von der Landschaft abgelenkt, dass ich mir nicht alles gemerkt hat. Aber ich verlasse mich da voll und ganz auf Silver. Ich genieße währenddessen den schönen, sommerlichen Duft, der in der Luft liegt. Meine Arme breite ich ganz weit aus, lege meinen Kopf in den Nacken und schließe die Augen. Tief einatmen bis sich der sommerliche Duft in jeder Zelle verteilt hat und anschließend wieder ausatmen. Als ich meine Augen wieder öffne erkenne ich den umgekippten Baum, auf dem ich schon gelegen habe. “Gute gemacht Großer.“, flüstere ich Silver zu und streiche ihm lobend über sein schwarzes Fell. Ich springe von dem Sattel und laufe das restliche Stück zu dem Baum. Silver läuft brav neben mir durch das hohe Gras und beginnt zu fressen, als er sieht wie ich mich auf den Boden setze und an den Baum lehne. Silver so zu beobachten, wie er das Gras frisst, daran könnte ich mich gewöhnen. Ich glaube, dass wenn ich in ein paar Wochen wieder in New York bin und dann studiere, Greenwell ganz schön vermissen werde. Zugeben werde ich das vor meinen Freunden natürlich nicht, die würden das nicht verstehen. Sie wissen nicht, wie es ist, nicht ständig erreichbar zu sein und dass es den Menschen egal ist wer du bist, so lange du echt bist. Sie würden es einfach nicht verstehen. Aber ich verstehe es und das ist der Grund, warum ich so verwirrt bin. Ich bin hin und her gerissen zwischen zwei Welten. Die ganze Zeit über dachte ich New York wäre mein Leben, aber jetzt hier in Greenwell, erkenne ich, dass auch diese Kleinstadt einen Platz in meinem Leben hat. Und was meine eh schon verwirrten Gedanken die Krone aufsetzt, ist die Nacht mit Max. Ich weiß, dass ich etwas gefühlt habe, auch wenn ich mich nicht erinnern kann. Aber seit dieser Nacht hat sich etwas geändert, hat sich etwas in mir geändert. Ich kann es nicht beschreiben, ich weiß nur, dass da etwas tief in mir ist. Das beste jedoch wird sein, wenn ich es einfach vergesse. Immerhin gibt es noch Joshua und ich werde zwei Jahre Beziehung nicht einfach über den Haufen werfen.
Ich verbringe noch eine lange Zeit an diesem unberührten Ort und genieße die Stille. Nur der Wind macht Geräusche, wenn er durch das hohe Gras weht und das ist die beruhigendste Melodie, die ich seit langem gehört habe.

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