C H A P T E R 1 7

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Vor einer halben Stunde ist meine Mom wieder abgereist. Sie hat gemeint, dass sie die Zeit hier genossen hat, es aber vermisst eine große Stadt um sich zu haben. Mich hat es sehr gefreut, dass sie hier war und uns besucht hat. Außerdem haben mich ihre Worte aufgemuntert. Sie hat mir gezeigt, was es bedeutet eine starke Frau zu sein und das ich mich von nichts unterkriegen lassen soll. Falls doch mal etwas nicht so läuft wie geplant, dann darf ich den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern muss mich gerade hinstellen, das Kinn heben und mit den Augen geradeaus auf mein Ziel schauen. Genau das werde ich auch tun; wenn ich weiß was mein Ziel ist. Klar, das Collage ist etwas, das demnächst meine Zeit in Anspruch nehmen wird. Aber ich glaube mit dem Ziel meinte Mom etwas anderes. Es geht um etwas bedeutendes. So wie mich selbst zu übertreffen und über meine Grenzen hinaus gehen. Und wie geht man am besten auf Zielsuche? Richtig, mit einem Spaziergang! Na ja, ob der mir helfen wird weiß ich nicht. Aber so kann ich in Ruhe über alles nachdenken. In meinem Kopf findet momentan ein Rummel statt. So viele Gedanken, die da oben herum schwirren, hatte ich noch nie. Dabei geht es um die Columbia, die bereits ständigen Schuldgefühle Joshua gegenüber, unvermeidlich Max und neuerdings auch Mom und Dad. Ich mache mir um vieles Gedanken, so dass ich manchmal Kopfschmerzen vom denken bekomme. Aber hier draußen geschieht alles viel einfacher. Es ist, als würde der Wind, der durch die hohen Gräser weht, auch durch meinen Kopf wehen und alles in Ordnung bringen. Mit einem schwachen Lächeln setze ich mich in das Knie hohe Gras und betrachte den Sonnenuntergang. Diese Momente liebe ich und die bekomme ich auch nur außerhalb der Stadt. In New York könnte ich mich nicht einfach so hinsetzen und darauf warten, dass die Sonne hinter dem Horizont verschwindet. Genau deshalb muss ich diese Momente fest halten, denn wenn ich erst aufs Collage gehe, weiß ich nicht, wann ich wieder hier her zurück kommen werde. Ich habe zwar aus meinem Fehler gelernt und habe mir vor genommen mit den Menschen hier Kontakt zu halten, doch digitale Nachrichten sind anders, als der persönliche Austausch von Worten.
In meiner eigenen Welt versunken, reiße ich einen Grashalm hab und spiele mit ihm. Mein Blick ist nun auf meine Hände gerichtet und ich erlaube mir einen Augenblick an nichts zu denken. Nur der Grashalm, der sich zwischen meinen Fingern befindet, erhält meine Aufmerksamkeit. Zumindest so lange bis ich Schritte hinter mir war nehme. Ich brauch mich gar nicht umdrehen, denn ich weiß genau wer da auf mich zu läuft. Ohne etwas zu sagen setzt er sich neben mich und so verharren wir für eine Weile. Wir genießen einfach den Moment. Max schaut in die Sonne und ich habe meinen Blick noch immer auf den Grashalm gerichtet.

“Es tut mir leid.“, sage ich nach einiger Zeit, schmeiße den Grashalm weg und betrachte ebenfalls den wunderschönen Sonnenuntergang. “Ich war blöd und hätte die Nacht mit dir nicht verleugnen sollen. Nicht vor deinen Freunden.“

“Unseren Freunden. Es sind unsere Freunde.“, berichtigt er mich bevor wieder einige Minuten eine angenehme Stille herrscht. Ein warmes Gefühl macht sich in mir breit. Ich habe unsere Clique die ganze Zeit über als meine Freunde angesehen, aber dass es nun jemand laut ausspricht ist schön zu hören. Da auch Max zu dieser Clique gehört, ist er offiziell auch ein Freund. Und es fühlt sich so echt an. Eine Freundschaft, bei der man, man selbst sein kann. Ich muss mich nicht verstellen und kann meine Meinung sagen, ohne dafür schief angeguckt zu werden. Aber es geht nicht nur darum, sondern zu wissen, dass jemand da ist, auf dem man sich verlassen kann. Der vielleicht auch da ist, wenn man es gar nicht will, aber insgeheim braucht.

“Ich habe mal wieder alles verbockt.“ Verzweifelt lache ich auf und lasse die Schultern hängen.

“Hey, nein, sag so etwas nicht.“, widerspricht Max und streift mir aufmunternd den Arm auf und ab. Augenblicklich macht sich ein angenehmes Kribbeln dort breit, wo er mich berührt. “Ich muss mich nämlich auch bei dir entschuldigen. Wir haben abgemacht das zu vergessen. Vielleicht hätte ich vorher mit dir reden sollen.“ Ich spüre wie er mich anschaut, doch ich traue mich nicht in seine Augen zu blicken. Allein, dass er die Schuld auf sich nehmen möchte, ist Beweis genug, wie groß sein Herz ist.

“Einigen wir uns einfach darauf, dass es geschehen ist. Ich möchte nicht, dass das ewig zwischen uns steht. Wir sind erwachsene Menschen, die mit dieser Situation erwachsen umgehen können.“ Obwohl ich meinen Worte selbst nicht ganz glauben kann, versuche ich mich in Zukunft daran zu halten. Es wäre doch gelacht, wenn wir das nicht auf die Reihe kriegen.

“Dann wäre das ja geklärt. Thema Wechsel, ich habe gehört du tanzt den Eröffnungstanz beim Gründerfest. Und wer ist dein Begleiter? Natürlich der unverschämt gut aussehende Max Carter.“, bringt er lachend hervor.

Mit großen Augen schaue ich ihn an und frage: “Dann hast du Abigail also dazu gebracht, mich zu überreden?“ Aus Spaß schubse ich ihn an der Schulter zurück und beginne ebenfalls zu lachen. Es ist schön zu wissen, dass die Dinge nicht zwischen uns stehen und wir da weiter machen können, wo wir aufgehört haben.

“Ach jetzt stell dich nicht so an. Du wirst diese Aufmerksamkeit genießen. Außerdem bekommst du ein Abendkleid geschenkt. Und du bist mir um einiges lieber, als irgendein Dorftrampel.“

“Du bist so oberflächlich.“, sage ich scherzend und schubse ihn wegen seiner Bemerkung, erneut an der Schulter in das Gras. Lachend richtet er sich wieder auf und schaut mich Grinsend an. Anschließend unterhalten wir uns über banale Dinge und genießen den Sonnenuntergang. 

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