20 Fühl' dich verarscht

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Die Betonwand, auf der Rico saß, färbte leicht weiß ab, wenn er mit der Hand über den rauen Putz strich. Seine Finger zitterten und sein Atem raste, aber allmählich wurde er wieder ruhiger.

Eben war er mit seinem Fahrrad wild durch die Stadt gefahren. Je schneller, umso besser. Auch hatte er ein paar Sprünge versucht, aber dafür war er zu unkonzentriert und es war auch egal. Er wollte nur seinen Kopf frei bekommen und jetzt, wo er seine rechte Hand anstarrte, fühlte er sich schon besser.

Vielleicht war die Idee, seinem Pa eine reinzuhauen, nicht die schlauste gewesen, immerhin tat Ricos Hand auch immer noch weh, aber es hatte verdammt gut getan.

Erschöpft schloss er seine Augen. Die Sonne kitzelte ihn im Gesicht und versprach, noch ein schöner Tag zu werden, obwohl der Wetterbericht von Regen gesprochen hatte. Der Sommer schenkte ihm gute Laune und das, obwohl er hungrig darauf wartete, dass seine Freunde aus dem Unterricht kamen.

Rico hatte sein Geld zu Hause vergessen und dorthin wollte er auch nicht wegen eines Mittagessen zurückkehren. Lieber hungerte er, bis Sam, Fred oder Hamster sich erbarmte und ihm etwas Geld lieh.

Die Mauer, auf der er saß, war nicht weit weg von der Schule und sie trafen sich hier öfters, damit Sam und Hamster in Ruhe eine rauchen konnten. Hier hinten war nie viel los, allerdings hörte er jetzt trotzdem ein paar ferne Schüler plaudern. War wohl endlich Schulschluss.

„Hi!", rief plötzlich jemand.

Vor Schreck zuckte Rico zusammen und drehte sich um. Rechts hinter ihm stand Lou mit ihrer Schultasche und einem skeptischen Blick. „Was machst du hier?"

„Das sollte ich dich auch fragen", murmelte Rico und zuckte schließlich mit den Schultern. Er sah auf sein Handy. Es war schon fünf nach eins und da war trotzdem keine neue Nachricht von seinen Freunden. „Ich warte auf Sam und so."

„Warum warst du nicht in Englisch?"

„Keine Lust."

Darauf zog Lou etwas perplex die Augenbrauen hoch und nickte schließlich, als würde sie es verstehen. Tat sie vermutlich nur nicht, aber es war ein netter Versuch.

Seit wann sprach sie überhaupt mit ihm? Um Lou nicht ganz seine Gedanken erobern zu lassen, sah er wieder auf seine schmerzende Hand und bewegte sie leicht. Immerhin sah man ihr den Schlag nicht an, selbst wenn sie leicht gerötet war.

„Und das Schwänzen ... geht so einfach?", fragte Lou da auf einmal nach und ihre naive Frage brachte ihn zum Lachen.

„Klar."

Lou wirkte beeindruckt. Von was? Was war an Schwänzen beeindruckend? „Wieso?"

„Nur so."

„Natürlich." Er grinste belustigt. „Will die brave Prinzessin etwa auch mal schwänzen und traut sich nicht?"

„Nenn' mich nicht Prinzessin, okay?" Ihr Ton war energisch, aber allein ihre Anwesenheit stimmte ihn fröhlich, weshalb er nur weiter grinste. Immerhin konnte er die Prinzessin necken!

Nur war Rico auch ein zu großer Feigling, um sie sofort weiter damit aufzuziehen, sondern fragte nur nach: „Also ist das ein Ja?"

„Ein Ja?"

„Ja, du willst schwänzen und traust dich nicht?"

„Ne. Ja. Keine Ahnung." Sie lachte verlegen und für Rico war klar, dass er mit seiner Frage ins Schwarze getroffen hatte.

Lou erklärte zögerlich: „Jasmina schwänzt morgen, um ihr Idol am Flughafen zu sehen. Du weißt schon, Cielo Vaz."

Oh, Mann. Rico starrte etwas verdrossen auf seine Schlaghand, dann wieder zu Lou hinüber. „Was findet sie an dem? Macht nicht mal ordentliche Musik."

Wie Glaspapier im Scheinwerferlicht ✔Where stories live. Discover now